Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

an Ihrer eigenen Empfindung irre gemacht zu werden; wenn
der Gott in mir, etwa es wollte. Würden Sie sich jetzt schon
mit Trotz waffnen, wenn Sie nicht einem schweren Kampfe
entgegen sähen? Erkennen Sie Vernunft nicht für das schwere
Geschütz, und ist Trotz dagegen gebrauchen nicht die Flagge
der Unvernunft?

Sie müssen aber bestraft werden; denn Sie sprachen von
Wehren, eh' ich an Angreifen dachte und nur eine Miene
machte. Dieser Aufstand muß bestraft werden; und ich will
mich auf folgende Weise rächen: Ich habe das Buch noch nicht
gelesen, ich kann es also hübsch oder häßlich finden, das sind
zwei Fälle; der erste würde Sie ein bischen mit ihm vereini-
gen -- was Sie doch nicht mehr als gerne thun -- und be-
ruhigen; dieser Genuß soll Ihnen nun nicht werden, oder viel-
mehr, Sie sollen nie erfahren, ob Sie ihn gehabt haben.
Daher will ich mich auch vorher bestimmen wie Sie, und
vorher sagen, daß mir das Buch gefällt, und in aller Ewig-
keit dabei bleiben; weil es Ihnen gefallen hat. Sie sehen, ich
kehre Ihren Trotz um, und bestrafe Sie nach Götterart, durch --
Willfährigkeit in Ihren bösen Willen. Aber Bernstorff ganz
allein soll erfahren -- dem schreib' ich's -- wenn's mir nicht
gefällt, denn den kann ich Ihnen nicht auf Ihrer Seite lassen.

Sie meinen doch, es ist groß, daß Sie mir das Buch ge-
schickt haben? keineswegs; erstens fanden Sie's heute, dann
haben Sie gar so große Furcht nicht, und letztens haben Sie
durch Ihr kühnes Billet allem Verdruß vorgebogen, den ich
Ihnen etwa machen konnte. Aber an Bosheit kommt man

I. 9

an Ihrer eigenen Empfindung irre gemacht zu werden; wenn
der Gott in mir, etwa es wollte. Würden Sie ſich jetzt ſchon
mit Trotz waffnen, wenn Sie nicht einem ſchweren Kampfe
entgegen ſähen? Erkennen Sie Vernunft nicht für das ſchwere
Geſchütz, und iſt Trotz dagegen gebrauchen nicht die Flagge
der Unvernunft?

Sie müſſen aber beſtraft werden; denn Sie ſprachen von
Wehren, eh’ ich an Angreifen dachte und nur eine Miene
machte. Dieſer Aufſtand muß beſtraft werden; und ich will
mich auf folgende Weiſe rächen: Ich habe das Buch noch nicht
geleſen, ich kann es alſo hübſch oder häßlich finden, das ſind
zwei Fälle; der erſte würde Sie ein bischen mit ihm vereini-
gen — was Sie doch nicht mehr als gerne thun — und be-
ruhigen; dieſer Genuß ſoll Ihnen nun nicht werden, oder viel-
mehr, Sie ſollen nie erfahren, ob Sie ihn gehabt haben.
Daher will ich mich auch vorher beſtimmen wie Sie, und
vorher ſagen, daß mir das Buch gefällt, und in aller Ewig-
keit dabei bleiben; weil es Ihnen gefallen hat. Sie ſehen, ich
kehre Ihren Trotz um, und beſtrafe Sie nach Götterart, durch —
Willfährigkeit in Ihren böſen Willen. Aber Bernſtorff ganz
allein ſoll erfahren — dem ſchreib’ ich’s — wenn’s mir nicht
gefällt, denn den kann ich Ihnen nicht auf Ihrer Seite laſſen.

Sie meinen doch, es iſt groß, daß Sie mir das Buch ge-
ſchickt haben? keineswegs; erſtens fanden Sie’s heute, dann
haben Sie gar ſo große Furcht nicht, und letztens haben Sie
durch Ihr kühnes Billet allem Verdruß vorgebogen, den ich
Ihnen etwa machen konnte. Aber an Bosheit kommt man

I. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="129"/>
an Ihrer eigenen Empfindung irre gemacht zu werden; wenn<lb/>
der Gott in mir, etwa es wollte. Würden Sie &#x017F;ich jetzt &#x017F;chon<lb/>
mit Trotz waffnen, wenn Sie nicht einem &#x017F;chweren Kampfe<lb/>
entgegen &#x017F;ähen? Erkennen Sie Vernunft nicht für das &#x017F;chwere<lb/>
Ge&#x017F;chütz, und i&#x017F;t Trotz dagegen gebrauchen nicht die Flagge<lb/>
der Unvernunft?</p><lb/>
          <p>Sie mü&#x017F;&#x017F;en aber be&#x017F;traft werden; denn Sie &#x017F;prachen von<lb/>
Wehren, eh&#x2019; ich an Angreifen dachte und nur eine Miene<lb/>
machte. Die&#x017F;er Auf&#x017F;tand muß be&#x017F;traft werden; und ich will<lb/>
mich auf folgende Wei&#x017F;e rächen: Ich habe das Buch noch nicht<lb/>
gele&#x017F;en, ich kann es al&#x017F;o hüb&#x017F;ch oder häßlich finden, das &#x017F;ind<lb/>
zwei Fälle; der er&#x017F;te würde Sie ein bischen mit ihm vereini-<lb/>
gen &#x2014; was Sie doch nicht mehr als gerne thun &#x2014; und be-<lb/>
ruhigen; die&#x017F;er Genuß &#x017F;oll Ihnen nun nicht werden, oder viel-<lb/>
mehr, Sie &#x017F;ollen nie erfahren, ob Sie ihn gehabt haben.<lb/>
Daher will ich mich auch vorher be&#x017F;timmen <hi rendition="#g">wie Sie</hi>, und<lb/><hi rendition="#g">vorher</hi> &#x017F;agen, daß mir das Buch gefällt, und in aller Ewig-<lb/>
keit dabei bleiben; weil es Ihnen gefallen hat. Sie &#x017F;ehen, ich<lb/>
kehre Ihren Trotz um, und be&#x017F;trafe Sie nach Götterart, durch &#x2014;<lb/>
Willfährigkeit in Ihren bö&#x017F;en Willen. Aber Bern&#x017F;torff ganz<lb/>
allein &#x017F;oll erfahren &#x2014; dem &#x017F;chreib&#x2019; ich&#x2019;s &#x2014; wenn&#x2019;s mir nicht<lb/>
gefällt, denn den kann ich Ihnen nicht auf Ihrer Seite la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sie meinen doch, es i&#x017F;t groß, daß Sie mir das Buch ge-<lb/>
&#x017F;chickt haben? keineswegs; er&#x017F;tens fanden Sie&#x2019;s heute, dann<lb/>
haben Sie gar &#x017F;o große Furcht nicht, und letztens haben Sie<lb/>
durch Ihr kühnes Billet allem Verdruß vorgebogen, den ich<lb/>
Ihnen etwa machen konnte. Aber an Bosheit kommt man<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> 9</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] an Ihrer eigenen Empfindung irre gemacht zu werden; wenn der Gott in mir, etwa es wollte. Würden Sie ſich jetzt ſchon mit Trotz waffnen, wenn Sie nicht einem ſchweren Kampfe entgegen ſähen? Erkennen Sie Vernunft nicht für das ſchwere Geſchütz, und iſt Trotz dagegen gebrauchen nicht die Flagge der Unvernunft? Sie müſſen aber beſtraft werden; denn Sie ſprachen von Wehren, eh’ ich an Angreifen dachte und nur eine Miene machte. Dieſer Aufſtand muß beſtraft werden; und ich will mich auf folgende Weiſe rächen: Ich habe das Buch noch nicht geleſen, ich kann es alſo hübſch oder häßlich finden, das ſind zwei Fälle; der erſte würde Sie ein bischen mit ihm vereini- gen — was Sie doch nicht mehr als gerne thun — und be- ruhigen; dieſer Genuß ſoll Ihnen nun nicht werden, oder viel- mehr, Sie ſollen nie erfahren, ob Sie ihn gehabt haben. Daher will ich mich auch vorher beſtimmen wie Sie, und vorher ſagen, daß mir das Buch gefällt, und in aller Ewig- keit dabei bleiben; weil es Ihnen gefallen hat. Sie ſehen, ich kehre Ihren Trotz um, und beſtrafe Sie nach Götterart, durch — Willfährigkeit in Ihren böſen Willen. Aber Bernſtorff ganz allein ſoll erfahren — dem ſchreib’ ich’s — wenn’s mir nicht gefällt, denn den kann ich Ihnen nicht auf Ihrer Seite laſſen. Sie meinen doch, es iſt groß, daß Sie mir das Buch ge- ſchickt haben? keineswegs; erſtens fanden Sie’s heute, dann haben Sie gar ſo große Furcht nicht, und letztens haben Sie durch Ihr kühnes Billet allem Verdruß vorgebogen, den ich Ihnen etwa machen konnte. Aber an Bosheit kommt man I. 9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/143
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/143>, abgerufen am 17.05.2024.