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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Sträuben Sie, in der Ehrlichkeit Ihres Herzens, sich nicht
gegen Farbe und Gestalt; wenden Sie keinen Reiz von sich!
Doppelte Natur trägt der Mensch in sich; wo ihn das Schick-
sal krönt, darf er sie beide gebrauchen; der Augenblick, mit
seinen sichtbaren wandelnden Schätzen, ist ein freudiger Spie-
gel für ihn; und er darf auch dann wagen, sein Herz einer
Ewigkeit zu überlassen: beachtet aber das Schicksal uns nicht,
so dürfen wir unser Wesen trennen! Thun Sie's jetzt. Las-
sen Sie Geist und Sinne spielen: halten Sie sich nicht mit
Gewalt an einen schon entflohenen Gegenstand, der das Ge-
bilde Ihres eigenen Verlangens war! -- Des Menschen
Geist ist unendlich, sein Herz unzerstörbar. Da Sie weiter
leben müssen, leben Sie wirklich! Daß Welt und Luft und
Leben und Gestalt auf Sie eindringe! Nur gefalle Ihnen
nichts im Schmerze; er vergeht doch; und dann ist Jugend,
Schönheit und Gesundheit weg, und man hat ehrlicher und
unehrlicher Weise sich selbst etwas aufgeführt. -- Sie aber,
Liebe, müssen wahrhaftig gegen die Empfindlichkeit ar-
beiten; verdrießlich müssen doch Ihre Freunde sein dürfen! es
nicht verbergen dürfen, ist großer Trost -- wo nicht der ein-
zige! Wie wollen Sie Ihren Freunden denn ernst schützend
beitreten? -- Im Ganzen bessern Sie sich! An der Seele
zimmert jeder ordentliche Mensch so lange er lebt. Fassen
Sie sich in dieser Arbeit, und zerstören Sie nicht mit jugend-
licher Überkraft alles von neuem. --



Sträuben Sie, in der Ehrlichkeit Ihres Herzens, ſich nicht
gegen Farbe und Geſtalt; wenden Sie keinen Reiz von ſich!
Doppelte Natur trägt der Menſch in ſich; wo ihn das Schick-
ſal krönt, darf er ſie beide gebrauchen; der Augenblick, mit
ſeinen ſichtbaren wandelnden Schätzen, iſt ein freudiger Spie-
gel für ihn; und er darf auch dann wagen, ſein Herz einer
Ewigkeit zu überlaſſen: beachtet aber das Schickſal uns nicht,
ſo dürfen wir unſer Weſen trennen! Thun Sie’s jetzt. Laſ-
ſen Sie Geiſt und Sinne ſpielen: halten Sie ſich nicht mit
Gewalt an einen ſchon entflohenen Gegenſtand, der das Ge-
bilde Ihres eigenen Verlangens war! — Des Menſchen
Geiſt iſt unendlich, ſein Herz unzerſtörbar. Da Sie weiter
leben müſſen, leben Sie wirklich! Daß Welt und Luft und
Leben und Geſtalt auf Sie eindringe! Nur gefalle Ihnen
nichts im Schmerze; er vergeht doch; und dann iſt Jugend,
Schönheit und Geſundheit weg, und man hat ehrlicher und
unehrlicher Weiſe ſich ſelbſt etwas aufgeführt. — Sie aber,
Liebe, müſſen wahrhaftig gegen die Empfindlichkeit ar-
beiten; verdrießlich müſſen doch Ihre Freunde ſein dürfen! es
nicht verbergen dürfen, iſt großer Troſt — wo nicht der ein-
zige! Wie wollen Sie Ihren Freunden denn ernſt ſchützend
beitreten? — Im Ganzen beſſern Sie ſich! An der Seele
zimmert jeder ordentliche Menſch ſo lange er lebt. Faſſen
Sie ſich in dieſer Arbeit, und zerſtören Sie nicht mit jugend-
licher Überkraft alles von neuem. —



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[294/0308] Sträuben Sie, in der Ehrlichkeit Ihres Herzens, ſich nicht gegen Farbe und Geſtalt; wenden Sie keinen Reiz von ſich! Doppelte Natur trägt der Menſch in ſich; wo ihn das Schick- ſal krönt, darf er ſie beide gebrauchen; der Augenblick, mit ſeinen ſichtbaren wandelnden Schätzen, iſt ein freudiger Spie- gel für ihn; und er darf auch dann wagen, ſein Herz einer Ewigkeit zu überlaſſen: beachtet aber das Schickſal uns nicht, ſo dürfen wir unſer Weſen trennen! Thun Sie’s jetzt. Laſ- ſen Sie Geiſt und Sinne ſpielen: halten Sie ſich nicht mit Gewalt an einen ſchon entflohenen Gegenſtand, der das Ge- bilde Ihres eigenen Verlangens war! — Des Menſchen Geiſt iſt unendlich, ſein Herz unzerſtörbar. Da Sie weiter leben müſſen, leben Sie wirklich! Daß Welt und Luft und Leben und Geſtalt auf Sie eindringe! Nur gefalle Ihnen nichts im Schmerze; er vergeht doch; und dann iſt Jugend, Schönheit und Geſundheit weg, und man hat ehrlicher und unehrlicher Weiſe ſich ſelbſt etwas aufgeführt. — Sie aber, Liebe, müſſen wahrhaftig gegen die Empfindlichkeit ar- beiten; verdrießlich müſſen doch Ihre Freunde ſein dürfen! es nicht verbergen dürfen, iſt großer Troſt — wo nicht der ein- zige! Wie wollen Sie Ihren Freunden denn ernſt ſchützend beitreten? — Im Ganzen beſſern Sie ſich! An der Seele zimmert jeder ordentliche Menſch ſo lange er lebt. Faſſen Sie ſich in dieſer Arbeit, und zerſtören Sie nicht mit jugend- licher Überkraft alles von neuem. —

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/308>, abgerufen am 30.11.2024.