Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

junger Deutscher lesen sachte bei mir, ich schreibe und weine.)
Es ist noch härter, vom Glück, als von der Natur verlassen
zu sein. Denn ich behaupte, die Andern fühlen's nicht. Was
einem von innen fehlt, kann man nicht fühlen; was ist der
dumpfe Mangel gegen einen lichten, klaren, schmerzenden. Ich
werde dir meine ganze Reise, meinen ganzen Aufenthalt, alles
erzählen, und du wirst mir wieder gar nicht Unrecht geben
können. Seit deinem letzten Briefe bin ich sehr geschlagen.
Fort bist du! Keine Rose tritt mehr mit treuem Schritt und
Gemüth zu mir, die mich ganz, meine Schmerzen ganz, ganz
kennt. Wenn ich krank an Leib oder Seele bin, allein -- al-
lein --, du trittst nicht mehr zu mir, dein Zimmer leer, ganz
leer, auf immer leer. Um ein Glück zu probiren. Ach Gott!
-- und probiren -- kann ich -- auch nicht einmal. Mir
geht's gut!! Der Garten, in dem wir mal in der Lindenstraße
zusammen mit Hanne und Feu -- es war sehr schön! --
waren, soll Rose heißen; mit Hanne und Hans will ich manch-
mal hingehen; weiter soll es kein Mensch wissen. Hans re-
grettirt dich sehr, und empfindet sehr gut. Weißt du noch die
Nacht, als das vorletzemal Fink wegreiste? wie du oben schla-
fen mußtest, und dann bei mir bleiben; in solchen Zustand --
doch nicht durch solche Ursach -- kann ich leicht wieder kom-
men; und, liebe Rose, was mag dir bevorstehen! doch nein,
du heißt Rose, hast blaue Augen, und ein ganz ander
Leben, als ich mit meinen Sternen, Namen und Augen.
Aus ist's in der Welt mit mir, ich weiß es, und vermag es
nicht zu fühlen, ich trag' ein rothes Herz, wie Andere, und
hab' ein dunkles, trostloses, häßliches Schicksal. Aber es heißt

junger Deutſcher leſen ſachte bei mir, ich ſchreibe und weine.)
Es iſt noch härter, vom Glück, als von der Natur verlaſſen
zu ſein. Denn ich behaupte, die Andern fühlen’s nicht. Was
einem von innen fehlt, kann man nicht fühlen; was iſt der
dumpfe Mangel gegen einen lichten, klaren, ſchmerzenden. Ich
werde dir meine ganze Reiſe, meinen ganzen Aufenthalt, alles
erzählen, und du wirſt mir wieder gar nicht Unrecht geben
können. Seit deinem letzten Briefe bin ich ſehr geſchlagen.
Fort biſt du! Keine Roſe tritt mehr mit treuem Schritt und
Gemüth zu mir, die mich ganz, meine Schmerzen ganz, ganz
kennt. Wenn ich krank an Leib oder Seele bin, allein — al-
lein —, du trittſt nicht mehr zu mir, dein Zimmer leer, ganz
leer, auf immer leer. Um ein Glück zu probiren. Ach Gott!
— und probiren — kann ich — auch nicht einmal. Mir
geht’s gut!! Der Garten, in dem wir mal in der Lindenſtraße
zuſammen mit Hanne und Feu — es war ſehr ſchön! —
waren, ſoll Roſe heißen; mit Hanne und Hans will ich manch-
mal hingehen; weiter ſoll es kein Menſch wiſſen. Hans re-
grettirt dich ſehr, und empfindet ſehr gut. Weißt du noch die
Nacht, als das vorletzemal Fink wegreiſte? wie du oben ſchla-
fen mußteſt, und dann bei mir bleiben; in ſolchen Zuſtand —
doch nicht durch ſolche Urſach — kann ich leicht wieder kom-
men; und, liebe Roſe, was mag dir bevorſtehen! doch nein,
du heißt Roſe, haſt blaue Augen, und ein ganz ander
Leben, als ich mit meinen Sternen, Namen und Augen.
Aus iſt’s in der Welt mit mir, ich weiß es, und vermag es
nicht zu fühlen, ich trag’ ein rothes Herz, wie Andere, und
hab’ ein dunkles, troſtloſes, häßliches Schickſal. Aber es heißt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0247" n="233"/>
junger Deut&#x017F;cher le&#x017F;en &#x017F;achte bei mir, ich &#x017F;chreibe und weine.)<lb/>
Es i&#x017F;t <hi rendition="#g">noch</hi> härter, vom Glück, als von der Natur verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;ein. Denn ich behaupte, die Andern fühlen&#x2019;s nicht. Was<lb/>
einem von <hi rendition="#g">innen</hi> fehlt, <hi rendition="#g">kann</hi> man nicht fühlen; was i&#x017F;t der<lb/>
dumpfe Mangel gegen einen lichten, klaren, &#x017F;chmerzenden. Ich<lb/>
werde dir meine ganze Rei&#x017F;e, meinen ganzen Aufenthalt, alles<lb/>
erzählen, und du wir&#x017F;t mir <hi rendition="#g">wieder gar nicht</hi> Unrecht geben<lb/>
können. Seit deinem letzten Briefe bin ich &#x017F;ehr ge&#x017F;chlagen.<lb/>
Fort bi&#x017F;t du! Keine Ro&#x017F;e tritt mehr mit treuem Schritt und<lb/>
Gemüth zu mir, die mich ganz, meine Schmerzen <hi rendition="#g">ganz, ganz</hi><lb/>
kennt. Wenn ich krank an Leib oder Seele bin, allein &#x2014; al-<lb/>
lein &#x2014;, du tritt&#x017F;t nicht mehr zu mir, dein Zimmer leer, ganz<lb/>
leer, auf immer leer. Um ein Glück zu probiren. Ach Gott!<lb/>
&#x2014; und <hi rendition="#g">probiren</hi> &#x2014; kann ich &#x2014; <hi rendition="#g">auch nicht</hi> einmal. <hi rendition="#g">Mir</hi><lb/>
geht&#x2019;s gut!! Der Garten, in dem wir mal in der Linden&#x017F;traße<lb/>
zu&#x017F;ammen mit Hanne und Feu &#x2014; es <hi rendition="#g">war &#x017F;ehr &#x017F;chön</hi>! &#x2014;<lb/>
waren, &#x017F;oll Ro&#x017F;e heißen; mit Hanne und Hans will ich manch-<lb/>
mal hingehen; weiter &#x017F;oll es kein Men&#x017F;ch wi&#x017F;&#x017F;en. Hans re-<lb/>
grettirt dich &#x017F;ehr, und empfindet &#x017F;ehr gut. Weißt du noch die<lb/>
Nacht, als das vorletzemal Fink wegrei&#x017F;te? wie du oben &#x017F;chla-<lb/>
fen mußte&#x017F;t, und dann bei mir bleiben; in &#x017F;olchen Zu&#x017F;tand &#x2014;<lb/>
doch nicht durch &#x017F;olche Ur&#x017F;ach &#x2014; kann ich leicht wieder kom-<lb/>
men; und, liebe Ro&#x017F;e, was mag dir bevor&#x017F;tehen! doch nein,<lb/>
du heißt Ro&#x017F;e, ha&#x017F;t <hi rendition="#g">blaue</hi> Augen, und ein ganz ander<lb/>
Leben, als ich mit <hi rendition="#g">meinen</hi> Sternen, Namen und Augen.<lb/>
Aus i&#x017F;t&#x2019;s in der Welt mit mir, ich weiß es, und vermag es<lb/>
nicht zu fühlen, ich trag&#x2019; ein rothes Herz, wie Andere, und<lb/>
hab&#x2019; ein dunkles, tro&#x017F;tlo&#x017F;es, häßliches Schick&#x017F;al. Aber es heißt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0247] junger Deutſcher leſen ſachte bei mir, ich ſchreibe und weine.) Es iſt noch härter, vom Glück, als von der Natur verlaſſen zu ſein. Denn ich behaupte, die Andern fühlen’s nicht. Was einem von innen fehlt, kann man nicht fühlen; was iſt der dumpfe Mangel gegen einen lichten, klaren, ſchmerzenden. Ich werde dir meine ganze Reiſe, meinen ganzen Aufenthalt, alles erzählen, und du wirſt mir wieder gar nicht Unrecht geben können. Seit deinem letzten Briefe bin ich ſehr geſchlagen. Fort biſt du! Keine Roſe tritt mehr mit treuem Schritt und Gemüth zu mir, die mich ganz, meine Schmerzen ganz, ganz kennt. Wenn ich krank an Leib oder Seele bin, allein — al- lein —, du trittſt nicht mehr zu mir, dein Zimmer leer, ganz leer, auf immer leer. Um ein Glück zu probiren. Ach Gott! — und probiren — kann ich — auch nicht einmal. Mir geht’s gut!! Der Garten, in dem wir mal in der Lindenſtraße zuſammen mit Hanne und Feu — es war ſehr ſchön! — waren, ſoll Roſe heißen; mit Hanne und Hans will ich manch- mal hingehen; weiter ſoll es kein Menſch wiſſen. Hans re- grettirt dich ſehr, und empfindet ſehr gut. Weißt du noch die Nacht, als das vorletzemal Fink wegreiſte? wie du oben ſchla- fen mußteſt, und dann bei mir bleiben; in ſolchen Zuſtand — doch nicht durch ſolche Urſach — kann ich leicht wieder kom- men; und, liebe Roſe, was mag dir bevorſtehen! doch nein, du heißt Roſe, haſt blaue Augen, und ein ganz ander Leben, als ich mit meinen Sternen, Namen und Augen. Aus iſt’s in der Welt mit mir, ich weiß es, und vermag es nicht zu fühlen, ich trag’ ein rothes Herz, wie Andere, und hab’ ein dunkles, troſtloſes, häßliches Schickſal. Aber es heißt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/247
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/247>, abgerufen am 25.11.2024.