Lieber Brinckmann, schreiben Sie mir nicht! Niemanden! Nichts, gar nichts! Sie schreiben mir: "Meine beste Freun- din", und Sie wissen doch nicht gewiß, daß das wahr ist. Keine hat mehr Penetration in Herzen (nicht im Herzen, in Herze mein' ich); es kann also keine andere sein: und eine gewisse Ähnlichkeit haben wir, die noch über Alle erheben muß. Es ist nicht Stolz. Brinckmann, man ist nicht stolz mit Thränen in den Augen. Prof. Herz meint, das Moos könne sehr schädlich sein. Wie in Acht müssen Sie sich neh- men! Wasserfenchel, meint Herz, sollen Sie brauchen. Schik- ken Sie die Relation; aber daß Sie sie nur nicht schrei- ben!!! Auch beim Diktiren, Nachrichtgeben, und besonders Erzählen vom alten Zustand in Paris, echauffiren Sie sich nicht! Schicken Sie die Relation sobald als möglich zu mei- nem Bruder; die Kaufleute schicken jetzt oft Estafetten, da kann sie mit gehen; wonicht, so legt er sie auf die Post. Je ehr sie hier ist, je ehr haben Sie Verhaltungsbefehl. Sehen Sie ihn als einen solchen an. Vom Rezept meint Herz, es sei äußerst, äußerst gleichgültig. Wie hat mich dies schon be- ruhigt. Wie lange gedenken Sie denn noch in Hamburg zu bleiben? -- Wissen Sie, daß ich jetzt sehr liirt mit der Gräfin Schlabrendorf bin, Graf Kalckreuths Schwester? Sie ist aber seit einem Monat bei ihrem Bruder zu Siegersdorf. Sie ken- nen sie. Also nichts mehr. Ein Öl der Seele fehlt ihr: die derben Eigenschaften hat sie beinah alle; und eine außer-
An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg.
Berlin, Ende Mai’s 1800.
Lieber Brinckmann, ſchreiben Sie mir nicht! Niemanden! Nichts, gar nichts! Sie ſchreiben mir: „Meine beſte Freun- din“, und Sie wiſſen doch nicht gewiß, daß das wahr iſt. Keine hat mehr Penetration in Herzen (nicht im Herzen, in Herze mein’ ich); es kann alſo keine andere ſein: und eine gewiſſe Ähnlichkeit haben wir, die noch über Alle erheben muß. Es iſt nicht Stolz. Brinckmann, man iſt nicht ſtolz mit Thränen in den Augen. Prof. Herz meint, das Moos könne ſehr ſchädlich ſein. Wie in Acht müſſen Sie ſich neh- men! Waſſerfenchel, meint Herz, ſollen Sie brauchen. Schik- ken Sie die Relation; aber daß Sie ſie nur nicht ſchrei- ben!!! Auch beim Diktiren, Nachrichtgeben, und beſonders Erzählen vom alten Zuſtand in Paris, echauffiren Sie ſich nicht! Schicken Sie die Relation ſobald als möglich zu mei- nem Bruder; die Kaufleute ſchicken jetzt oft Eſtafetten, da kann ſie mit gehen; wonicht, ſo legt er ſie auf die Poſt. Je ehr ſie hier iſt, je ehr haben Sie Verhaltungsbefehl. Sehen Sie ihn als einen ſolchen an. Vom Rezept meint Herz, es ſei äußerſt, äußerſt gleichgültig. Wie hat mich dies ſchon be- ruhigt. Wie lange gedenken Sie denn noch in Hamburg zu bleiben? — Wiſſen Sie, daß ich jetzt ſehr liirt mit der Gräfin Schlabrendorf bin, Graf Kalckreuths Schweſter? Sie iſt aber ſeit einem Monat bei ihrem Bruder zu Siegersdorf. Sie ken- nen ſie. Alſo nichts mehr. Ein Öl der Seele fehlt ihr: die derben Eigenſchaften hat ſie beinah alle; und eine außer-
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[199/0213]
An Guſtav von Brinckmann, in Hamburg.
Berlin, Ende Mai’s 1800.
Lieber Brinckmann, ſchreiben Sie mir nicht! Niemanden!
Nichts, gar nichts! Sie ſchreiben mir: „Meine beſte Freun-
din“, und Sie wiſſen doch nicht gewiß, daß das wahr iſt.
Keine hat mehr Penetration in Herzen (nicht im Herzen, in
Herze mein’ ich); es kann alſo keine andere ſein: und eine
gewiſſe Ähnlichkeit haben wir, die noch über Alle erheben
muß. Es iſt nicht Stolz. Brinckmann, man iſt nicht ſtolz mit
Thränen in den Augen. Prof. Herz meint, das Moos könne
ſehr ſchädlich ſein. Wie in Acht müſſen Sie ſich neh-
men! Waſſerfenchel, meint Herz, ſollen Sie brauchen. Schik-
ken Sie die Relation; aber daß Sie ſie nur nicht ſchrei-
ben!!! Auch beim Diktiren, Nachrichtgeben, und beſonders
Erzählen vom alten Zuſtand in Paris, echauffiren Sie ſich
nicht! Schicken Sie die Relation ſobald als möglich zu mei-
nem Bruder; die Kaufleute ſchicken jetzt oft Eſtafetten, da
kann ſie mit gehen; wonicht, ſo legt er ſie auf die Poſt. Je
ehr ſie hier iſt, je ehr haben Sie Verhaltungsbefehl. Sehen
Sie ihn als einen ſolchen an. Vom Rezept meint Herz, es
ſei äußerſt, äußerſt gleichgültig. Wie hat mich dies ſchon be-
ruhigt. Wie lange gedenken Sie denn noch in Hamburg zu
bleiben? — Wiſſen Sie, daß ich jetzt ſehr liirt mit der Gräfin
Schlabrendorf bin, Graf Kalckreuths Schweſter? Sie iſt aber
ſeit einem Monat bei ihrem Bruder zu Siegersdorf. Sie ken-
nen ſie. Alſo nichts mehr. Ein Öl der Seele fehlt ihr: die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/213>, abgerufen am 28.11.2024.
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