sah ich ihn, den zweiten schenkt er mit einen Ring, vorgestern ich ihm einen, gestern schickt er mir sein Bild: muß er mich nun nicht den Sonntag heirathen? Umarme mich! -- Jeder Brief von dir ist mir eine ächte Freude. Du denkst es dir in deiner biedern Seele gewiß gar nicht so. Wir wollen auch recht gesund werden! Philosophinnen sind wir doch schon; dazu Geld, und man riskirt bei der etwanigen Unsterblichkeit nichts. Meine Gesundheit ist artig seit vier Tagen. -- --
An Gustav von Brinckmann, in Paris.
Berlin, den 28. September 1799.
Kein Brief, lieber Brinckmann! Bitten, Bestellungen, kurz eine Art von Geschäften; folglich Ennui. Vor ein paar Mo- naten wollt' ich Ihnen einen Brief von Mad. Unzelmann schicken; man ließ mir aber sagen; Sie seien auf der Reise von Paris nach Stockholm. Da gab ich ihn wieder zurück. In diesen kann ich ihn nun nicht einlegen. Vor einem Mo- nat ungefähr war Mariane Pollet hier, die von Karlsbad kam, sie kam unvermuthet mit Boye's zu mir. Gleich wa- ren wir intim. Ich hab' ihr so gut gefallen, als sie mir. Sie versteht das Leben: und das ist alles was man fordern kann; fehle ihr auch übrigens was da wolle. Sie macht es einem leicht und angenehm, ist voller Verstand; was red' ich! Sie kennen sie. Ich lieb' sie ordentlich. So voll Leben, das ganze Wesen voll Physionomie! und kein störendes Vorurtheil. Kurz, recht liebenswürdig. Sie schickt Ihnen einliegenden Zettel. Sie war nur drei Tage hier; wir sahen uns beständig; und
ſah ich ihn, den zweiten ſchenkt er mit einen Ring, vorgeſtern ich ihm einen, geſtern ſchickt er mir ſein Bild: muß er mich nun nicht den Sonntag heirathen? Umarme mich! — Jeder Brief von dir iſt mir eine ächte Freude. Du denkſt es dir in deiner biedern Seele gewiß gar nicht ſo. Wir wollen auch recht geſund werden! Philoſophinnen ſind wir doch ſchon; dazu Geld, und man riskirt bei der etwanigen Unſterblichkeit nichts. Meine Geſundheit iſt artig ſeit vier Tagen. — —
An Guſtav von Brinckmann, in Paris.
Berlin, den 28. September 1799.
Kein Brief, lieber Brinckmann! Bitten, Beſtellungen, kurz eine Art von Geſchäften; folglich Ennui. Vor ein paar Mo- naten wollt’ ich Ihnen einen Brief von Mad. Unzelmann ſchicken; man ließ mir aber ſagen; Sie ſeien auf der Reiſe von Paris nach Stockholm. Da gab ich ihn wieder zurück. In dieſen kann ich ihn nun nicht einlegen. Vor einem Mo- nat ungefähr war Mariane Pollet hier, die von Karlsbad kam, ſie kam unvermuthet mit Boye’s zu mir. Gleich wa- ren wir intim. Ich hab’ ihr ſo gut gefallen, als ſie mir. Sie verſteht das Leben: und das iſt alles was man fordern kann; fehle ihr auch übrigens was da wolle. Sie macht es einem leicht und angenehm, iſt voller Verſtand; was red’ ich! Sie kennen ſie. Ich lieb’ ſie ordentlich. So voll Leben, das ganze Weſen voll Phyſionomie! und kein ſtörendes Vorurtheil. Kurz, recht liebenswürdig. Sie ſchickt Ihnen einliegenden Zettel. Sie war nur drei Tage hier; wir ſahen uns beſtändig; und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="189"/>ſah ich ihn, den zweiten ſchenkt er mit einen Ring, vorgeſtern<lb/>
ich ihm einen, geſtern ſchickt er mir ſein Bild: <hirendition="#g">muß</hi> er mich<lb/>
nun nicht den Sonntag heirathen? Umarme mich! — Jeder<lb/>
Brief von dir iſt mir eine ächte Freude. Du denkſt es dir<lb/>
in deiner biedern Seele gewiß gar nicht ſo. Wir wollen auch<lb/>
recht geſund werden! Philoſophinnen ſind wir doch ſchon;<lb/><hirendition="#g">dazu</hi> Geld, und man riskirt bei der etwanigen Unſterblichkeit<lb/>
nichts. Meine Geſundheit iſt artig ſeit vier Tagen. ——</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Guſtav von Brinckmann, in Paris.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Berlin, den 28. September 1799.</hi></dateline><lb/><p>Kein Brief, lieber Brinckmann! Bitten, Beſtellungen, kurz<lb/>
eine Art von Geſchäften; folglich Ennui. Vor ein paar Mo-<lb/>
naten wollt’ ich Ihnen einen Brief von Mad. Unzelmann<lb/>ſchicken; man ließ mir aber ſagen; Sie ſeien auf der Reiſe<lb/>
von Paris nach Stockholm. Da gab ich ihn wieder zurück.<lb/>
In dieſen kann ich ihn nun nicht einlegen. Vor einem Mo-<lb/>
nat ungefähr war Mariane Pollet hier, die von Karlsbad<lb/>
kam, ſie kam unvermuthet mit Boye’s zu mir. <hirendition="#g">Gleich</hi> wa-<lb/>
ren wir intim. Ich hab’ ihr ſo gut gefallen, als ſie mir. Sie<lb/>
verſteht das Leben: und das iſt alles was man fordern kann;<lb/>
fehle ihr auch übrigens was da wolle. Sie macht es einem<lb/>
leicht und angenehm, iſt voller Verſtand; was red’ ich! Sie<lb/>
kennen ſie. Ich lieb’ſie ordentlich. So voll Leben, das ganze<lb/>
Weſen voll Phyſionomie! und kein ſtörendes Vorurtheil. Kurz,<lb/>
recht liebenswürdig. Sie ſchickt Ihnen einliegenden Zettel.<lb/>
Sie war nur drei Tage hier; wir ſahen uns beſtändig; und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[189/0203]
ſah ich ihn, den zweiten ſchenkt er mit einen Ring, vorgeſtern
ich ihm einen, geſtern ſchickt er mir ſein Bild: muß er mich
nun nicht den Sonntag heirathen? Umarme mich! — Jeder
Brief von dir iſt mir eine ächte Freude. Du denkſt es dir
in deiner biedern Seele gewiß gar nicht ſo. Wir wollen auch
recht geſund werden! Philoſophinnen ſind wir doch ſchon;
dazu Geld, und man riskirt bei der etwanigen Unſterblichkeit
nichts. Meine Geſundheit iſt artig ſeit vier Tagen. — —
An Guſtav von Brinckmann, in Paris.
Berlin, den 28. September 1799.
Kein Brief, lieber Brinckmann! Bitten, Beſtellungen, kurz
eine Art von Geſchäften; folglich Ennui. Vor ein paar Mo-
naten wollt’ ich Ihnen einen Brief von Mad. Unzelmann
ſchicken; man ließ mir aber ſagen; Sie ſeien auf der Reiſe
von Paris nach Stockholm. Da gab ich ihn wieder zurück.
In dieſen kann ich ihn nun nicht einlegen. Vor einem Mo-
nat ungefähr war Mariane Pollet hier, die von Karlsbad
kam, ſie kam unvermuthet mit Boye’s zu mir. Gleich wa-
ren wir intim. Ich hab’ ihr ſo gut gefallen, als ſie mir. Sie
verſteht das Leben: und das iſt alles was man fordern kann;
fehle ihr auch übrigens was da wolle. Sie macht es einem
leicht und angenehm, iſt voller Verſtand; was red’ ich! Sie
kennen ſie. Ich lieb’ ſie ordentlich. So voll Leben, das ganze
Weſen voll Phyſionomie! und kein ſtörendes Vorurtheil. Kurz,
recht liebenswürdig. Sie ſchickt Ihnen einliegenden Zettel.
Sie war nur drei Tage hier; wir ſahen uns beſtändig; und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/203>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.