nicht geschmeichelt fühlen oder freuen, wenn ich lache, weil ich viel lache: es ist ein großer Unterschied in diesem Lachen; und so weiß ich ihn auch in Ihrem Schreiben zu machen. Ich lache, weil ich einmal gutmüthig, richtig -- episch gestimmt bin (hab' ich von Humboldt gelernt) -- weil ich reizbar bin, und nie auf meine momentane Stimmung versessen -- wie man sehr gewöhnlich spricht -- bin. Sie schreiben, weil Sie gutmüthig, voller Egards, Einfälle, und in tausend Rapports mit den Menschen sind, die alle Faulheit überwiegen, die Sie auch noch, wenn's auf's Rühmen und Messen ankömmt, mit der Horde von Letzten gemein haben; und worauf sie sich etwas einbilden. Genug von ihnen! aber nicht zu viel: denn das wollt' ich Ihnen sagen. Es liegen sechs Briefe von Ih- nen auf meinem Tische. Ich distingire ganz allein den großen, wo von Mad. Stael die Rede ist. Was in dem steht, schrei- ben Sie nur mir! Mein lieber Freund! geht es Ihnen schlecht? Mir auch! (Ich wollte Ihre Briefe wieder durchlesen, aber ich habe die Kraft nicht; sie liegen alle neben mir.) Ich werde aus dem Gedächtniß schreiben. Es geht mir schlecht! und ich weiß nicht, wie es mir ohne den Gedanken gehen würde, daß die Humboldt wiederkommt. Rasend werde ich nicht, und umbringen thu' ich mich auch nicht; aber ich sterbe aus lan- gueur und das thu' ich jetzt auch. Heirathen sagen Sie. Ich kann nicht heirathen; denn ich kann nicht lügen. (Denken Sie nicht, daß ich mir etwas darauf einbilde: ich kann nicht, wie man die Flöte nicht spielen kann.) Sonst thät' ich's jetzt. Ich würde mir zur tache und zum Lebensplan machen, einen Mann glücklich zu machen, der mich aus allen seinen Kräften
nicht geſchmeichelt fühlen oder freuen, wenn ich lache, weil ich viel lache: es iſt ein großer Unterſchied in dieſem Lachen; und ſo weiß ich ihn auch in Ihrem Schreiben zu machen. Ich lache, weil ich einmal gutmüthig, richtig — epiſch geſtimmt bin (hab’ ich von Humboldt gelernt) — weil ich reizbar bin, und nie auf meine momentane Stimmung verſeſſen — wie man ſehr gewöhnlich ſpricht — bin. Sie ſchreiben, weil Sie gutmüthig, voller Egards, Einfälle, und in tauſend Rapports mit den Menſchen ſind, die alle Faulheit überwiegen, die Sie auch noch, wenn’s auf’s Rühmen und Meſſen ankömmt, mit der Horde von Letzten gemein haben; und worauf ſie ſich etwas einbilden. Genug von ihnen! aber nicht zu viel: denn das wollt’ ich Ihnen ſagen. Es liegen ſechs Briefe von Ih- nen auf meinem Tiſche. Ich diſtingire ganz allein den großen, wo von Mad. Staël die Rede iſt. Was in dem ſteht, ſchrei- ben Sie nur mir! Mein lieber Freund! geht es Ihnen ſchlecht? Mir auch! (Ich wollte Ihre Briefe wieder durchleſen, aber ich habe die Kraft nicht; ſie liegen alle neben mir.) Ich werde aus dem Gedächtniß ſchreiben. Es geht mir ſchlecht! und ich weiß nicht, wie es mir ohne den Gedanken gehen würde, daß die Humboldt wiederkommt. Raſend werde ich nicht, und umbringen thu’ ich mich auch nicht; aber ich ſterbe aus lan- gueur und das thu’ ich jetzt auch. Heirathen ſagen Sie. Ich kann nicht heirathen; denn ich kann nicht lügen. (Denken Sie nicht, daß ich mir etwas darauf einbilde: ich kann nicht, wie man die Flöte nicht ſpielen kann.) Sonſt thät’ ich’s jetzt. Ich würde mir zur tâche und zum Lebensplan machen, einen Mann glücklich zu machen, der mich aus allen ſeinen Kräften
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nicht geſchmeichelt fühlen oder freuen, wenn ich lache, weil ich
viel lache: es iſt ein großer Unterſchied in dieſem Lachen; und
ſo weiß ich ihn auch in Ihrem Schreiben zu machen. Ich
lache, weil ich einmal gutmüthig, richtig — epiſch geſtimmt
bin (hab’ ich von Humboldt gelernt) — weil ich reizbar bin,
und nie auf meine momentane Stimmung verſeſſen — wie
man ſehr gewöhnlich ſpricht — bin. Sie ſchreiben, weil Sie
gutmüthig, voller Egards, Einfälle, und in tauſend Rapports
mit den Menſchen ſind, die alle Faulheit überwiegen, die Sie
auch noch, wenn’s auf’s Rühmen und Meſſen ankömmt, mit
der Horde von Letzten gemein haben; und worauf ſie ſich
etwas einbilden. Genug von ihnen! aber nicht zu viel: denn
das wollt’ ich Ihnen ſagen. Es liegen ſechs Briefe von Ih-
nen auf meinem Tiſche. Ich diſtingire ganz allein den großen,
wo von Mad. Staël die Rede iſt. Was in dem ſteht, ſchrei-
ben Sie nur mir! Mein lieber Freund! geht es Ihnen ſchlecht?
Mir auch! (Ich wollte Ihre Briefe wieder durchleſen, aber
ich habe die Kraft nicht; ſie liegen alle neben mir.) Ich werde
aus dem Gedächtniß ſchreiben. Es geht mir ſchlecht! und ich
weiß nicht, wie es mir ohne den Gedanken gehen würde,
daß die Humboldt wiederkommt. Raſend werde ich nicht, und
umbringen thu’ ich mich auch nicht; aber ich ſterbe aus lan-
gueur und das thu’ ich jetzt auch. Heirathen ſagen Sie. Ich
kann nicht heirathen; denn ich kann nicht lügen. (Denken
Sie nicht, daß ich mir etwas darauf einbilde: ich kann nicht,
wie man die Flöte nicht ſpielen kann.) Sonſt thät’ ich’s jetzt.
Ich würde mir zur tâche und zum Lebensplan machen, einen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/194>, abgerufen am 30.11.2024.
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