den Erfahrung so vieler Kriege und auch dieses letzten, eine militairisch-vornehme Abneigung gegen Landwehren und neue Bewaffnungen, welche sich doch, wenn ein großer Antrieb sie zu ächtem Eifer entflammt, noch immer mit Erfolg den besten altgeübten Heeren ent¬ gegenstellt haben. Freilich gehört Zeit zur Bildung und Uebung des Soldaten, und beide dürfen ihm nicht fehlen; allein Begeisterung und Volkssinn kürzen die Lehrzeit bis auf ein oft erstaunenswürdiges Minimum ab, wie sich dies ehemals bei den Franzosen, und jetzt neuerdings eben so bei den Preußen, erwiesen hat. Mit diesen letztern jedoch war der größte Theil der Truppen Wallmoden's nicht zu vergleichen, als deren Neuheit schwerer zu vernichten und deren Unzusammen¬ hang kaum aufzuheben war.
Früh am 3. September erhielt Tettenborn in Orth¬ krug die Meldung, daß der Feind um Mitternacht Schwerin gänzlich verlassen und der Marschall Davoust mit allen Truppen den Weg über Gadebusch rückwärts nach der Stecknitz eingeschlagen habe. Die Posten, die er hatte stehen lassen, um seine Bewegung zu ver¬ decken, wurden sogleich angegriffen, über den Haufen geworfen, und größtentheils gefangen gemacht. Wall¬ moden, der auf der entgegengesetzten Seite des Schwe¬ riner Sees nach Warin in Marsch war, wurde durch Eilboten von dem Vorgegangenen benachrichtigt, in¬ zwischen aber alle einzelnen Abtheilungen der Truppen
den Erfahrung ſo vieler Kriege und auch dieſes letzten, eine militairiſch-vornehme Abneigung gegen Landwehren und neue Bewaffnungen, welche ſich doch, wenn ein großer Antrieb ſie zu aͤchtem Eifer entflammt, noch immer mit Erfolg den beſten altgeuͤbten Heeren ent¬ gegenſtellt haben. Freilich gehoͤrt Zeit zur Bildung und Uebung des Soldaten, und beide duͤrfen ihm nicht fehlen; allein Begeiſterung und Volksſinn kuͤrzen die Lehrzeit bis auf ein oft erſtaunenswuͤrdiges Minimum ab, wie ſich dies ehemals bei den Franzoſen, und jetzt neuerdings eben ſo bei den Preußen, erwieſen hat. Mit dieſen letztern jedoch war der groͤßte Theil der Truppen Wallmoden's nicht zu vergleichen, als deren Neuheit ſchwerer zu vernichten und deren Unzuſammen¬ hang kaum aufzuheben war.
Fruͤh am 3. September erhielt Tettenborn in Orth¬ krug die Meldung, daß der Feind um Mitternacht Schwerin gaͤnzlich verlaſſen und der Marſchall Davouſt mit allen Truppen den Weg uͤber Gadebuſch ruͤckwaͤrts nach der Stecknitz eingeſchlagen habe. Die Poſten, die er hatte ſtehen laſſen, um ſeine Bewegung zu ver¬ decken, wurden ſogleich angegriffen, uͤber den Haufen geworfen, und groͤßtentheils gefangen gemacht. Wall¬ moden, der auf der entgegengeſetzten Seite des Schwe¬ riner Sees nach Warin in Marſch war, wurde durch Eilboten von dem Vorgegangenen benachrichtigt, in¬ zwiſchen aber alle einzelnen Abtheilungen der Truppen
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den Erfahrung ſo vieler Kriege und auch dieſes letzten,
eine militairiſch-vornehme Abneigung gegen Landwehren
und neue Bewaffnungen, welche ſich doch, wenn ein
großer Antrieb ſie zu aͤchtem Eifer entflammt, noch
immer mit Erfolg den beſten altgeuͤbten Heeren ent¬
gegenſtellt haben. Freilich gehoͤrt Zeit zur Bildung
und Uebung des Soldaten, und beide duͤrfen ihm nicht
fehlen; allein Begeiſterung und Volksſinn kuͤrzen die
Lehrzeit bis auf ein oft erſtaunenswuͤrdiges Minimum
ab, wie ſich dies ehemals bei den Franzoſen, und jetzt
neuerdings eben ſo bei den Preußen, erwieſen hat.
Mit dieſen letztern jedoch war der groͤßte Theil der
Truppen Wallmoden's nicht zu vergleichen, als deren
Neuheit ſchwerer zu vernichten und deren Unzuſammen¬
hang kaum aufzuheben war.
Fruͤh am 3. September erhielt Tettenborn in Orth¬
krug die Meldung, daß der Feind um Mitternacht
Schwerin gaͤnzlich verlaſſen und der Marſchall Davouſt
mit allen Truppen den Weg uͤber Gadebuſch ruͤckwaͤrts
nach der Stecknitz eingeſchlagen habe. Die Poſten, die
er hatte ſtehen laſſen, um ſeine Bewegung zu ver¬
decken, wurden ſogleich angegriffen, uͤber den Haufen
geworfen, und groͤßtentheils gefangen gemacht. Wall¬
moden, der auf der entgegengeſetzten Seite des Schwe¬
riner Sees nach Warin in Marſch war, wurde durch
Eilboten von dem Vorgegangenen benachrichtigt, in¬
zwiſchen aber alle einzelnen Abtheilungen der Truppen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/434>, abgerufen am 24.11.2024.
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