Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Volke wiederholt wurde. Unter tausend verschie¬
denen Ausbrüchen berauschten Entzückens gelangte er
bis zu seiner Wohnung, wo der Jubel ununterbrochen
fortwährte. Ungemein erhöhte den Eindruck, daß keine
große Kriegsmacht, sondern eine kleine Schaar, kein
fremder Fürst oder Feldherr, sondern ein Deutscher,
ein ritterlicher Anführer wunderbarlicher, niegesehener
Reiter, die mehr seinem Heldenmuth als seinem Befehl
anzugehören schienen, diesen Strom des überwogenden,
unerschöpflichen Willkommens empfing; es schien die
Zeit wiedergekehrt, wo von Wenigen, wo von Einem
die größten Dinge vollbracht wurden. Die Stadt war
Abends erleuchtet; auch hier erfand der Eifer des begei¬
sterten Volks alle nur ersinnlichen Mannigfaltigkeiten,
um den Antheil an dem allgemeinen Entzücken, jeder
auf besondere Art, darzuthun. Im Schauspiel wieder¬
holte sich das rauschende Getümmel des Beifalls, sobald
Tettenborn mit seinen Offizieren in der ihm bereiteten
Loge erschien; alle Zuschauer, auch die Frauen, stan¬
den auf, und sangen feierlichst das Lied: "Auf Ham¬
burgs Wohlergehn", worauf nun erst das Schauspiel
beginnen konnte; es war ein Gelegenheitsstück, das
unzähligemal bei jeder leisen Anspielung durch unge¬
heuern Beifall unterbrochen wurde. Die berühmte,
und in Hamburg besonders beliebte Schauspielerin So¬
phie Schröder trat mit der russischen Kokarde auf und
wurde stürmisch beklatscht. Als Tettenborn das Schau¬

dem Volke wiederholt wurde. Unter tauſend verſchie¬
denen Ausbruͤchen berauſchten Entzuͤckens gelangte er
bis zu ſeiner Wohnung, wo der Jubel ununterbrochen
fortwaͤhrte. Ungemein erhoͤhte den Eindruck, daß keine
große Kriegsmacht, ſondern eine kleine Schaar, kein
fremder Fuͤrſt oder Feldherr, ſondern ein Deutſcher,
ein ritterlicher Anfuͤhrer wunderbarlicher, niegeſehener
Reiter, die mehr ſeinem Heldenmuth als ſeinem Befehl
anzugehoͤren ſchienen, dieſen Strom des uͤberwogenden,
unerſchoͤpflichen Willkommens empfing; es ſchien die
Zeit wiedergekehrt, wo von Wenigen, wo von Einem
die groͤßten Dinge vollbracht wurden. Die Stadt war
Abends erleuchtet; auch hier erfand der Eifer des begei¬
ſterten Volks alle nur erſinnlichen Mannigfaltigkeiten,
um den Antheil an dem allgemeinen Entzuͤcken, jeder
auf beſondere Art, darzuthun. Im Schauſpiel wieder¬
holte ſich das rauſchende Getuͤmmel des Beifalls, ſobald
Tettenborn mit ſeinen Offizieren in der ihm bereiteten
Loge erſchien; alle Zuſchauer, auch die Frauen, ſtan¬
den auf, und ſangen feierlichſt das Lied: „Auf Ham¬
burgs Wohlergehn“, worauf nun erſt das Schauſpiel
beginnen konnte; es war ein Gelegenheitsſtuͤck, das
unzaͤhligemal bei jeder leiſen Anſpielung durch unge¬
heuern Beifall unterbrochen wurde. Die beruͤhmte,
und in Hamburg beſonders beliebte Schauſpielerin So¬
phie Schroͤder trat mit der ruſſiſchen Kokarde auf und
wurde ſtuͤrmiſch beklatſcht. Als Tettenborn das Schau¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0277" n="265"/>
dem Volke wiederholt wurde. Unter tau&#x017F;end ver&#x017F;chie¬<lb/>
denen Ausbru&#x0364;chen berau&#x017F;chten Entzu&#x0364;ckens gelangte er<lb/>
bis zu &#x017F;einer Wohnung, wo der Jubel ununterbrochen<lb/>
fortwa&#x0364;hrte. Ungemein erho&#x0364;hte den Eindruck, daß keine<lb/>
große Kriegsmacht, &#x017F;ondern eine kleine Schaar, kein<lb/>
fremder Fu&#x0364;r&#x017F;t oder Feldherr, &#x017F;ondern ein Deut&#x017F;cher,<lb/>
ein ritterlicher Anfu&#x0364;hrer wunderbarlicher, niege&#x017F;ehener<lb/>
Reiter, die mehr &#x017F;einem Heldenmuth als &#x017F;einem Befehl<lb/>
anzugeho&#x0364;ren &#x017F;chienen, die&#x017F;en Strom des u&#x0364;berwogenden,<lb/>
uner&#x017F;cho&#x0364;pflichen Willkommens empfing; es &#x017F;chien die<lb/>
Zeit wiedergekehrt, wo von Wenigen, wo von Einem<lb/>
die gro&#x0364;ßten Dinge vollbracht wurden. Die Stadt war<lb/>
Abends erleuchtet; auch hier erfand der Eifer des begei¬<lb/>
&#x017F;terten Volks alle nur er&#x017F;innlichen Mannigfaltigkeiten,<lb/>
um den Antheil an dem allgemeinen Entzu&#x0364;cken, jeder<lb/>
auf be&#x017F;ondere Art, darzuthun. Im Schau&#x017F;piel wieder¬<lb/>
holte &#x017F;ich das rau&#x017F;chende Getu&#x0364;mmel des Beifalls, &#x017F;obald<lb/>
Tettenborn mit &#x017F;einen Offizieren in der ihm bereiteten<lb/>
Loge er&#x017F;chien; alle Zu&#x017F;chauer, auch die Frauen, &#x017F;tan¬<lb/>
den auf, und &#x017F;angen feierlich&#x017F;t das Lied: &#x201E;Auf Ham¬<lb/>
burgs Wohlergehn&#x201C;, worauf nun er&#x017F;t das Schau&#x017F;piel<lb/>
beginnen konnte; es war ein Gelegenheits&#x017F;tu&#x0364;ck, das<lb/>
unza&#x0364;hligemal bei jeder lei&#x017F;en An&#x017F;pielung durch unge¬<lb/>
heuern Beifall unterbrochen wurde. Die beru&#x0364;hmte,<lb/>
und in Hamburg be&#x017F;onders beliebte Schau&#x017F;pielerin So¬<lb/>
phie Schro&#x0364;der trat mit der ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Kokarde auf und<lb/>
wurde &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;ch beklat&#x017F;cht. Als Tettenborn das Schau¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0277] dem Volke wiederholt wurde. Unter tauſend verſchie¬ denen Ausbruͤchen berauſchten Entzuͤckens gelangte er bis zu ſeiner Wohnung, wo der Jubel ununterbrochen fortwaͤhrte. Ungemein erhoͤhte den Eindruck, daß keine große Kriegsmacht, ſondern eine kleine Schaar, kein fremder Fuͤrſt oder Feldherr, ſondern ein Deutſcher, ein ritterlicher Anfuͤhrer wunderbarlicher, niegeſehener Reiter, die mehr ſeinem Heldenmuth als ſeinem Befehl anzugehoͤren ſchienen, dieſen Strom des uͤberwogenden, unerſchoͤpflichen Willkommens empfing; es ſchien die Zeit wiedergekehrt, wo von Wenigen, wo von Einem die groͤßten Dinge vollbracht wurden. Die Stadt war Abends erleuchtet; auch hier erfand der Eifer des begei¬ ſterten Volks alle nur erſinnlichen Mannigfaltigkeiten, um den Antheil an dem allgemeinen Entzuͤcken, jeder auf beſondere Art, darzuthun. Im Schauſpiel wieder¬ holte ſich das rauſchende Getuͤmmel des Beifalls, ſobald Tettenborn mit ſeinen Offizieren in der ihm bereiteten Loge erſchien; alle Zuſchauer, auch die Frauen, ſtan¬ den auf, und ſangen feierlichſt das Lied: „Auf Ham¬ burgs Wohlergehn“, worauf nun erſt das Schauſpiel beginnen konnte; es war ein Gelegenheitsſtuͤck, das unzaͤhligemal bei jeder leiſen Anſpielung durch unge¬ heuern Beifall unterbrochen wurde. Die beruͤhmte, und in Hamburg beſonders beliebte Schauſpielerin So¬ phie Schroͤder trat mit der ruſſiſchen Kokarde auf und wurde ſtuͤrmiſch beklatſcht. Als Tettenborn das Schau¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/277
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/277>, abgerufen am 08.07.2024.