der überraschten Franzosen und zum Jubel der Ein¬ wohner durch die Straßen sogar der Friedrichsstadt, und obgleich die Franzosen in Berlin noch gegen 8000 Mann stark waren, einzelne Truppenabtheilungen schon vorher unter dem Gewehr, und auf mehreren Plätzen und Brücken Kanonen aufgepflanzt standen, so war doch die Bestürzung des Feindes so groß, daß diese Anstalten nutzlos blieben; ganze Salven aus dem Kleingewehr gingen in die Luft und wenn das Geschütz losgebrannt wurde, war gewiß kein Kosak mehr in der Richtung desselben. Die Unruhe des Volks brach auf mehreren Punkten unverhohlen aus, und konnte jeden Augenblick den Franzosen verderblich werden; jedoch fehlte ein entschlossener Anführer, der die Gesinnung zur That gemacht hätte. Weil nun den eingedrunge¬ nen Kosaken von den russischen Truppen, die vor der Stadt geblieben waren, keine Unterstützung kam, so gewann der Marschall Augerau die nöthige Zeit, seine Truppen in der Wilhelmsstraße zusammenzuziehen, und rückte mit zahlreichem Fußvolk und Geschütz heran, wodurch Tettenborn, nachdem er drei Stunden sich in der Stadt behauptet hatte, endlich zum Weichen ge¬ zwungen wurde. Er zog fast ohne Verlust wieder auf das freie Feld, wohin der Feind, ungeachtet seiner Uebermacht, nicht zu folgen wagte.
Der kühne Handstreich war in der Hauptsache zwar nicht gelungen, machte aber für die russischen Waffen
der uͤberraſchten Franzoſen und zum Jubel der Ein¬ wohner durch die Straßen ſogar der Friedrichsſtadt, und obgleich die Franzoſen in Berlin noch gegen 8000 Mann ſtark waren, einzelne Truppenabtheilungen ſchon vorher unter dem Gewehr, und auf mehreren Plaͤtzen und Bruͤcken Kanonen aufgepflanzt ſtanden, ſo war doch die Beſtuͤrzung des Feindes ſo groß, daß dieſe Anſtalten nutzlos blieben; ganze Salven aus dem Kleingewehr gingen in die Luft und wenn das Geſchuͤtz losgebrannt wurde, war gewiß kein Koſak mehr in der Richtung deſſelben. Die Unruhe des Volks brach auf mehreren Punkten unverhohlen aus, und konnte jeden Augenblick den Franzoſen verderblich werden; jedoch fehlte ein entſchloſſener Anfuͤhrer, der die Geſinnung zur That gemacht haͤtte. Weil nun den eingedrunge¬ nen Koſaken von den ruſſiſchen Truppen, die vor der Stadt geblieben waren, keine Unterſtuͤtzung kam, ſo gewann der Marſchall Augerau die noͤthige Zeit, ſeine Truppen in der Wilhelmsſtraße zuſammenzuziehen, und ruͤckte mit zahlreichem Fußvolk und Geſchuͤtz heran, wodurch Tettenborn, nachdem er drei Stunden ſich in der Stadt behauptet hatte, endlich zum Weichen ge¬ zwungen wurde. Er zog faſt ohne Verluſt wieder auf das freie Feld, wohin der Feind, ungeachtet ſeiner Uebermacht, nicht zu folgen wagte.
Der kuͤhne Handſtreich war in der Hauptſache zwar nicht gelungen, machte aber fuͤr die ruſſiſchen Waffen
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der uͤberraſchten Franzoſen und zum Jubel der Ein¬
wohner durch die Straßen ſogar der Friedrichsſtadt,
und obgleich die Franzoſen in Berlin noch gegen
8000 Mann ſtark waren, einzelne Truppenabtheilungen
ſchon vorher unter dem Gewehr, und auf mehreren
Plaͤtzen und Bruͤcken Kanonen aufgepflanzt ſtanden, ſo
war doch die Beſtuͤrzung des Feindes ſo groß, daß
dieſe Anſtalten nutzlos blieben; ganze Salven aus dem
Kleingewehr gingen in die Luft und wenn das Geſchuͤtz
losgebrannt wurde, war gewiß kein Koſak mehr in der
Richtung deſſelben. Die Unruhe des Volks brach auf
mehreren Punkten unverhohlen aus, und konnte jeden
Augenblick den Franzoſen verderblich werden; jedoch
fehlte ein entſchloſſener Anfuͤhrer, der die Geſinnung
zur That gemacht haͤtte. Weil nun den eingedrunge¬
nen Koſaken von den ruſſiſchen Truppen, die vor der
Stadt geblieben waren, keine Unterſtuͤtzung kam, ſo
gewann der Marſchall Augerau die noͤthige Zeit, ſeine
Truppen in der Wilhelmsſtraße zuſammenzuziehen, und
ruͤckte mit zahlreichem Fußvolk und Geſchuͤtz heran,
wodurch Tettenborn, nachdem er drei Stunden ſich in
der Stadt behauptet hatte, endlich zum Weichen ge¬
zwungen wurde. Er zog faſt ohne Verluſt wieder auf
das freie Feld, wohin der Feind, ungeachtet ſeiner
Uebermacht, nicht zu folgen wagte.
Der kuͤhne Handſtreich war in der Hauptſache zwar
nicht gelungen, machte aber fuͤr die ruſſiſchen Waffen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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