Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Tage vor meinem Aufbruch dahin. Jetzt fand ich hier
diese Uebersetzung, zugleich mit einer lateinischen und
französischen, einem neuen Abdrucke dieses griechischen
Originals beigefügt, und Müller in höchster Freude be¬
theuerte, ich müsse ohne Säumen mit ihm den General
Pardo besuchen, der über jene Zusendung aus Halle
ganz entzückt gewesen, der mich mit offenen Armen
empfangen würde, und der überhaupt ein höchst liebens¬
würdiger und vortrefflicher Mann, dazu sein ganz be¬
sonderer Freund sei. Ich versäumte nicht, Müller'n
auch alsbald das Anliegen Neumann's zu eröffnen, und
fand ihn bereitwillig genug, das Unternehmen zu för¬
dern. Mit Innigkeit nnd Ehrerbietung sprach er von
Alexander von der Marwitz, den er selbst früher an
Wolf nach Halle empfohlen hatte. Eifrig und dringend
begehrte er von meinen Studien und Absichten das
Nähere zu wissen, bot mir alle seine Bücher an, und
als ich ein Wort von der griechischen Anthologie hatte
fallen lassen, freute er sich über die Maßen, holte gleich
Brunck's Analekten herbei, schlug mehreres auf, fragte
mit Hast und Unruhe, wie ich denn die vielen bedenk¬
lichen Sachen in meinen Uebersetzungen zu behandeln
dächte, und als ich erwiederte, ich gäbe sie unbefangen
so wieder, wie sie dastünden, lobte er diese Vorurtheils¬
losigkeit übermäßig, und hielt der ganzen Richtung, in
Betreff ihrer Wirkungen auf die Freundschaft und Bil¬
dung der Jünglinge, eine überschwängliche Lobrede, die

Tage vor meinem Aufbruch dahin. Jetzt fand ich hier
dieſe Ueberſetzung, zugleich mit einer lateiniſchen und
franzoͤſiſchen, einem neuen Abdrucke dieſes griechiſchen
Originals beigefuͤgt, und Muͤller in hoͤchſter Freude be¬
theuerte, ich muͤſſe ohne Saͤumen mit ihm den General
Pardo beſuchen, der uͤber jene Zuſendung aus Halle
ganz entzuͤckt geweſen, der mich mit offenen Armen
empfangen wuͤrde, und der uͤberhaupt ein hoͤchſt liebens¬
wuͤrdiger und vortrefflicher Mann, dazu ſein ganz be¬
ſonderer Freund ſei. Ich verſaͤumte nicht, Muͤller'n
auch alsbald das Anliegen Neumann's zu eroͤffnen, und
fand ihn bereitwillig genug, das Unternehmen zu foͤr¬
dern. Mit Innigkeit nnd Ehrerbietung ſprach er von
Alexander von der Marwitz, den er ſelbſt fruͤher an
Wolf nach Halle empfohlen hatte. Eifrig und dringend
begehrte er von meinen Studien und Abſichten das
Naͤhere zu wiſſen, bot mir alle ſeine Buͤcher an, und
als ich ein Wort von der griechiſchen Anthologie hatte
fallen laſſen, freute er ſich uͤber die Maßen, holte gleich
Brunck's Analekten herbei, ſchlug mehreres auf, fragte
mit Haſt und Unruhe, wie ich denn die vielen bedenk¬
lichen Sachen in meinen Ueberſetzungen zu behandeln
daͤchte, und als ich erwiederte, ich gaͤbe ſie unbefangen
ſo wieder, wie ſie daſtuͤnden, lobte er dieſe Vorurtheils¬
loſigkeit uͤbermaͤßig, und hielt der ganzen Richtung, in
Betreff ihrer Wirkungen auf die Freundſchaft und Bil¬
dung der Juͤnglinge, eine uͤberſchwaͤngliche Lobrede, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0018" n="6"/>
Tage vor meinem Aufbruch dahin. Jetzt fand ich hier<lb/>
die&#x017F;e Ueber&#x017F;etzung, zugleich mit einer lateini&#x017F;chen und<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen, einem neuen Abdrucke die&#x017F;es griechi&#x017F;chen<lb/>
Originals beigefu&#x0364;gt, und Mu&#x0364;ller in ho&#x0364;ch&#x017F;ter Freude be¬<lb/>
theuerte, ich mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ohne Sa&#x0364;umen mit ihm den General<lb/>
Pardo be&#x017F;uchen, der u&#x0364;ber jene Zu&#x017F;endung aus Halle<lb/>
ganz entzu&#x0364;ckt gewe&#x017F;en, der mich mit offenen Armen<lb/>
empfangen wu&#x0364;rde, und der u&#x0364;berhaupt ein ho&#x0364;ch&#x017F;t liebens¬<lb/>
wu&#x0364;rdiger und vortrefflicher Mann, dazu &#x017F;ein ganz be¬<lb/>
&#x017F;onderer Freund &#x017F;ei. Ich ver&#x017F;a&#x0364;umte nicht, Mu&#x0364;ller'n<lb/>
auch alsbald das Anliegen Neumann's zu ero&#x0364;ffnen, und<lb/>
fand ihn bereitwillig genug, das Unternehmen zu fo&#x0364;<lb/>
dern. Mit Innigkeit nnd Ehrerbietung &#x017F;prach er von<lb/>
Alexander von der Marwitz, den er &#x017F;elb&#x017F;t fru&#x0364;her an<lb/>
Wolf nach Halle empfohlen hatte. Eifrig und dringend<lb/>
begehrte er von meinen Studien und Ab&#x017F;ichten das<lb/>
Na&#x0364;here zu wi&#x017F;&#x017F;en, bot mir alle &#x017F;eine Bu&#x0364;cher an, und<lb/>
als ich ein Wort von der griechi&#x017F;chen Anthologie hatte<lb/>
fallen la&#x017F;&#x017F;en, freute er &#x017F;ich u&#x0364;ber die Maßen, holte gleich<lb/>
Brunck's Analekten herbei, &#x017F;chlug mehreres auf, fragte<lb/>
mit Ha&#x017F;t und Unruhe, wie ich denn die vielen bedenk¬<lb/>
lichen Sachen in meinen Ueber&#x017F;etzungen zu behandeln<lb/>
da&#x0364;chte, und als ich erwiederte, ich ga&#x0364;be &#x017F;ie unbefangen<lb/>
&#x017F;o wieder, wie &#x017F;ie da&#x017F;tu&#x0364;nden, lobte er die&#x017F;e Vorurtheils¬<lb/>
lo&#x017F;igkeit u&#x0364;berma&#x0364;ßig, und hielt der ganzen Richtung, in<lb/>
Betreff ihrer Wirkungen auf die Freund&#x017F;chaft und Bil¬<lb/>
dung der Ju&#x0364;nglinge, eine u&#x0364;ber&#x017F;chwa&#x0364;ngliche Lobrede, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0018] Tage vor meinem Aufbruch dahin. Jetzt fand ich hier dieſe Ueberſetzung, zugleich mit einer lateiniſchen und franzoͤſiſchen, einem neuen Abdrucke dieſes griechiſchen Originals beigefuͤgt, und Muͤller in hoͤchſter Freude be¬ theuerte, ich muͤſſe ohne Saͤumen mit ihm den General Pardo beſuchen, der uͤber jene Zuſendung aus Halle ganz entzuͤckt geweſen, der mich mit offenen Armen empfangen wuͤrde, und der uͤberhaupt ein hoͤchſt liebens¬ wuͤrdiger und vortrefflicher Mann, dazu ſein ganz be¬ ſonderer Freund ſei. Ich verſaͤumte nicht, Muͤller'n auch alsbald das Anliegen Neumann's zu eroͤffnen, und fand ihn bereitwillig genug, das Unternehmen zu foͤr¬ dern. Mit Innigkeit nnd Ehrerbietung ſprach er von Alexander von der Marwitz, den er ſelbſt fruͤher an Wolf nach Halle empfohlen hatte. Eifrig und dringend begehrte er von meinen Studien und Abſichten das Naͤhere zu wiſſen, bot mir alle ſeine Buͤcher an, und als ich ein Wort von der griechiſchen Anthologie hatte fallen laſſen, freute er ſich uͤber die Maßen, holte gleich Brunck's Analekten herbei, ſchlug mehreres auf, fragte mit Haſt und Unruhe, wie ich denn die vielen bedenk¬ lichen Sachen in meinen Ueberſetzungen zu behandeln daͤchte, und als ich erwiederte, ich gaͤbe ſie unbefangen ſo wieder, wie ſie daſtuͤnden, lobte er dieſe Vorurtheils¬ loſigkeit uͤbermaͤßig, und hielt der ganzen Richtung, in Betreff ihrer Wirkungen auf die Freundſchaft und Bil¬ dung der Juͤnglinge, eine uͤberſchwaͤngliche Lobrede, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/18
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/18>, abgerufen am 24.11.2024.