Musik, Vorlesungen, und selbst kleine dramatische Er¬ götzlichkeiten nicht fehlen, welche letztere, ganz aus dem Stegreif und nur als Spiel des Augenblicks behandelt, gerade hierin ihren Werth hatten.
Eine Fahrt nach Münster gab Gelegenheit, sich in dieser merkwürdigen Stadt wiederholt umzusehen. Die Geschichte der Wiedertäufer, die ich so eben, zum Theil nach Handschriften, mit Unmuth und Widerwillen bis in ihre Einzelheiten verfolgt hatte, ist hier durch Denk¬ male erhalten, welche jener wahnsinnigen und gräßlichen Ereignisse würdig sind, durch die schrecklichen eisernen Käfige am St. Lambertsthurm, in denen die gemarter¬ ten und verstümmelten Körper der drei Hauptwüthriche zur Schau aufgehängt worden. Angenehmer weilt die Betrachtung auf den Bildnissen der Gesandten, die einst am westphälischen Frieden hier und in Osnabrück arbei¬ teten; es sind darunter die bedeutendsten Physiognomieen, mit denen mancher Geschichtszug sich verwebt. Diese Sammlung sollte durch treue und sorgfältige Nachbil¬ dung vervielfacht werden, damit sie dem Geschichtsfreund überall zu Gebote stünde; ein Wunsch, der sich auch lebhaft bei der von Gleim hinterlassenen Sammlung in Halberstadt aufdrängt, wo die zum Theil vortrefflichen Bildnisse seiner Freunde uns die theuersten litterarischen Namen gleichsam persönlich vorführen. Wir besuchten in Münster den französischen Präfekten Freiherrn von Mylius, der es in seiner Stellung beklagen mußte,
Muſik, Vorleſungen, und ſelbſt kleine dramatiſche Er¬ goͤtzlichkeiten nicht fehlen, welche letztere, ganz aus dem Stegreif und nur als Spiel des Augenblicks behandelt, gerade hierin ihren Werth hatten.
Eine Fahrt nach Muͤnſter gab Gelegenheit, ſich in dieſer merkwuͤrdigen Stadt wiederholt umzuſehen. Die Geſchichte der Wiedertaͤufer, die ich ſo eben, zum Theil nach Handſchriften, mit Unmuth und Widerwillen bis in ihre Einzelheiten verfolgt hatte, iſt hier durch Denk¬ male erhalten, welche jener wahnſinnigen und graͤßlichen Ereigniſſe wuͤrdig ſind, durch die ſchrecklichen eiſernen Kaͤfige am St. Lambertsthurm, in denen die gemarter¬ ten und verſtuͤmmelten Koͤrper der drei Hauptwuͤthriche zur Schau aufgehaͤngt worden. Angenehmer weilt die Betrachtung auf den Bildniſſen der Geſandten, die einſt am weſtphaͤliſchen Frieden hier und in Osnabruͤck arbei¬ teten; es ſind darunter die bedeutendſten Phyſiognomieen, mit denen mancher Geſchichtszug ſich verwebt. Dieſe Sammlung ſollte durch treue und ſorgfaͤltige Nachbil¬ dung vervielfacht werden, damit ſie dem Geſchichtsfreund uͤberall zu Gebote ſtuͤnde; ein Wunſch, der ſich auch lebhaft bei der von Gleim hinterlaſſenen Sammlung in Halberſtadt aufdraͤngt, wo die zum Theil vortrefflichen Bildniſſe ſeiner Freunde uns die theuerſten litterariſchen Namen gleichſam perſoͤnlich vorfuͤhren. Wir beſuchten in Muͤnſter den franzoͤſiſchen Praͤfekten Freiherrn von Mylius, der es in ſeiner Stellung beklagen mußte,
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Muſik, Vorleſungen, und ſelbſt kleine dramatiſche Er¬
goͤtzlichkeiten nicht fehlen, welche letztere, ganz aus dem
Stegreif und nur als Spiel des Augenblicks behandelt,
gerade hierin ihren Werth hatten.
Eine Fahrt nach Muͤnſter gab Gelegenheit, ſich in
dieſer merkwuͤrdigen Stadt wiederholt umzuſehen. Die
Geſchichte der Wiedertaͤufer, die ich ſo eben, zum Theil
nach Handſchriften, mit Unmuth und Widerwillen bis
in ihre Einzelheiten verfolgt hatte, iſt hier durch Denk¬
male erhalten, welche jener wahnſinnigen und graͤßlichen
Ereigniſſe wuͤrdig ſind, durch die ſchrecklichen eiſernen
Kaͤfige am St. Lambertsthurm, in denen die gemarter¬
ten und verſtuͤmmelten Koͤrper der drei Hauptwuͤthriche
zur Schau aufgehaͤngt worden. Angenehmer weilt die
Betrachtung auf den Bildniſſen der Geſandten, die einſt
am weſtphaͤliſchen Frieden hier und in Osnabruͤck arbei¬
teten; es ſind darunter die bedeutendſten Phyſiognomieen,
mit denen mancher Geſchichtszug ſich verwebt. Dieſe
Sammlung ſollte durch treue und ſorgfaͤltige Nachbil¬
dung vervielfacht werden, damit ſie dem Geſchichtsfreund
uͤberall zu Gebote ſtuͤnde; ein Wunſch, der ſich auch
lebhaft bei der von Gleim hinterlaſſenen Sammlung in
Halberſtadt aufdraͤngt, wo die zum Theil vortrefflichen
Bildniſſe ſeiner Freunde uns die theuerſten litterariſchen
Namen gleichſam perſoͤnlich vorfuͤhren. Wir beſuchten
in Muͤnſter den franzoͤſiſchen Praͤfekten Freiherrn von
Mylius, der es in ſeiner Stellung beklagen mußte,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/165>, abgerufen am 22.11.2024.
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