ich einige Zeit mit dem Gedanken um, unter dem Na¬ men einer Pädodicee einige Blätter in die Welt zu schicken, an denen sich vielleicht hin und wieder ein trübes Loos dieser Art etwas erhellte. Das Vorhaben war indeß zu unreif, um nicht gegen näher anliegende Thätigkeit und Beschäftigung zurückzustehen.
Wir hatten einen der schönen Herbsttage benutzt, um eine Fahrt nach Bentheim zu machen. In großen, schweren, aber je mit sechs Pferden bespannten Kut¬ schen legten wir die drittehalb Meilen schlechten Weges rasch genug zurück. Man fährt über die sogenannte Brechte, eine wüste Strecke, die noch während des dreißigjährigen Krieges ein schöner Wald war. Das Land wird in dieser Richtung hügelig und romantisch, man glaubt sich aus der westphälischen Ebene weit weg in ein Gebirgsland versetzt. Schon von fern sieht man das alte Schloß auf seiner ansehnlichen Höhe aus den großen, wohlhabenden Marktflecken hervorragen, der sich am Fuße des Abhangs hinzieht; dasselbe liegt auf einem weiten Felsenboden, der sich bald mehr bald weniger erhebt, und giebt mit seinen mächtigen Mauern und starken Thürmen ein Bild unbezwinglicher Festigkeit. Ganz glaublich hat schon Drusus hier ein römisches Kastell erbaut, um die in dieser Gegend woh¬ nenden Tubanter in Gehorsam zu erhalten, der Ort war zu einem festen Kriegsposten vorzüglich geschickt, und weit umher kein ähnlicher zu finden. Römische
ich einige Zeit mit dem Gedanken um, unter dem Na¬ men einer Paͤdodicee einige Blaͤtter in die Welt zu ſchicken, an denen ſich vielleicht hin und wieder ein truͤbes Loos dieſer Art etwas erhellte. Das Vorhaben war indeß zu unreif, um nicht gegen naͤher anliegende Thaͤtigkeit und Beſchaͤftigung zuruͤckzuſtehen.
Wir hatten einen der ſchoͤnen Herbſttage benutzt, um eine Fahrt nach Bentheim zu machen. In großen, ſchweren, aber je mit ſechs Pferden beſpannten Kut¬ ſchen legten wir die drittehalb Meilen ſchlechten Weges raſch genug zuruͤck. Man faͤhrt uͤber die ſogenannte Brechte, eine wuͤſte Strecke, die noch waͤhrend des dreißigjaͤhrigen Krieges ein ſchoͤner Wald war. Das Land wird in dieſer Richtung huͤgelig und romantiſch, man glaubt ſich aus der weſtphaͤliſchen Ebene weit weg in ein Gebirgsland verſetzt. Schon von fern ſieht man das alte Schloß auf ſeiner anſehnlichen Hoͤhe aus den großen, wohlhabenden Marktflecken hervorragen, der ſich am Fuße des Abhangs hinzieht; daſſelbe liegt auf einem weiten Felſenboden, der ſich bald mehr bald weniger erhebt, und giebt mit ſeinen maͤchtigen Mauern und ſtarken Thuͤrmen ein Bild unbezwinglicher Feſtigkeit. Ganz glaublich hat ſchon Druſus hier ein roͤmiſches Kaſtell erbaut, um die in dieſer Gegend woh¬ nenden Tubanter in Gehorſam zu erhalten, der Ort war zu einem feſten Kriegspoſten vorzuͤglich geſchickt, und weit umher kein aͤhnlicher zu finden. Roͤmiſche
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ich einige Zeit mit dem Gedanken um, unter dem Na¬
men einer Paͤdodicee einige Blaͤtter in die Welt zu
ſchicken, an denen ſich vielleicht hin und wieder ein
truͤbes Loos dieſer Art etwas erhellte. Das Vorhaben
war indeß zu unreif, um nicht gegen naͤher anliegende
Thaͤtigkeit und Beſchaͤftigung zuruͤckzuſtehen.
Wir hatten einen der ſchoͤnen Herbſttage benutzt,
um eine Fahrt nach Bentheim zu machen. In großen,
ſchweren, aber je mit ſechs Pferden beſpannten Kut¬
ſchen legten wir die drittehalb Meilen ſchlechten Weges
raſch genug zuruͤck. Man faͤhrt uͤber die ſogenannte
Brechte, eine wuͤſte Strecke, die noch waͤhrend des
dreißigjaͤhrigen Krieges ein ſchoͤner Wald war. Das
Land wird in dieſer Richtung huͤgelig und romantiſch,
man glaubt ſich aus der weſtphaͤliſchen Ebene weit weg
in ein Gebirgsland verſetzt. Schon von fern ſieht man
das alte Schloß auf ſeiner anſehnlichen Hoͤhe aus den
großen, wohlhabenden Marktflecken hervorragen, der
ſich am Fuße des Abhangs hinzieht; daſſelbe liegt auf
einem weiten Felſenboden, der ſich bald mehr bald
weniger erhebt, und giebt mit ſeinen maͤchtigen
Mauern und ſtarken Thuͤrmen ein Bild unbezwinglicher
Feſtigkeit. Ganz glaublich hat ſchon Druſus hier ein
roͤmiſches Kaſtell erbaut, um die in dieſer Gegend woh¬
nenden Tubanter in Gehorſam zu erhalten, der Ort
war zu einem feſten Kriegspoſten vorzuͤglich geſchickt,
und weit umher kein aͤhnlicher zu finden. Roͤmiſche
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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