bekümmert; wär' er jünger, so machte er Sonette, wüßte von Assonanzen, ließe Schelling'sche Formeln in seinen Dichtungen durchschimmern. Conz ist hier der eigent¬ liche Philolog an der Universität, und wirklich ein gründ¬ licher, auch geschmackvoller Alterthumskenner, eifrig in seinem Fach, und überhaupt für Schönes und Hohes leicht entzündbar. Da er aber als Anempfinder wenig Festigkeit und Schärfe besitzt, sich theils aus Gutmüthig¬ keit, theils aus Schwäche, leicht einschüchtern läßt, so kann er seine Sachen nicht mit dem nöthigen Ansehn durchsetzen, die Kollegen necken ihn, die Studenten be¬ zeigen sich leichtfertig, zu Hause giebt es auch wohl Schelte, da bleibt denn die Litteratur die einzige Zu¬ flucht, -- aber in der herrscht ein neuer Geist, der von ihm und all dem Seinen nichts wissen will! So lebt der Mann hier seit Jahren gedrückt und gehemmt, und seufzt nach Menschen, die seine Gegenstände kennen, seine Richtungen einsehen, sein Streben würdigen. Un¬ vermuthet findet er mich, mich, liebe Freunde, und nun erwägt, was das heißt! Muß ich es euch Hartsinnigen doch umständlich erörtern? Nun, so hört! Er findet einen jungen Mann, der kein Philolog vom Fach ist, aber den Homer und Platon liest, der mit Wolf und und Gurlitt bekannt ist, der den Dichter und Uebersetzer Voß hochschätzt, der die Verdienste metrischer Ueber¬ setzungen würdigt, dem die Oden Klopstocks vertraut sind, der zum Erstaunen der Anwesenden ganze Reihen
bekuͤmmert; waͤr' er juͤnger, ſo machte er Sonette, wuͤßte von Aſſonanzen, ließe Schelling'ſche Formeln in ſeinen Dichtungen durchſchimmern. Conz iſt hier der eigent¬ liche Philolog an der Univerſitaͤt, und wirklich ein gruͤnd¬ licher, auch geſchmackvoller Alterthumskenner, eifrig in ſeinem Fach, und uͤberhaupt fuͤr Schoͤnes und Hohes leicht entzuͤndbar. Da er aber als Anempfinder wenig Feſtigkeit und Schaͤrfe beſitzt, ſich theils aus Gutmuͤthig¬ keit, theils aus Schwaͤche, leicht einſchuͤchtern laͤßt, ſo kann er ſeine Sachen nicht mit dem noͤthigen Anſehn durchſetzen, die Kollegen necken ihn, die Studenten be¬ zeigen ſich leichtfertig, zu Hauſe giebt es auch wohl Schelte, da bleibt denn die Litteratur die einzige Zu¬ flucht, — aber in der herrſcht ein neuer Geiſt, der von ihm und all dem Seinen nichts wiſſen will! So lebt der Mann hier ſeit Jahren gedruͤckt und gehemmt, und ſeufzt nach Menſchen, die ſeine Gegenſtaͤnde kennen, ſeine Richtungen einſehen, ſein Streben wuͤrdigen. Un¬ vermuthet findet er mich, mich, liebe Freunde, und nun erwaͤgt, was das heißt! Muß ich es euch Hartſinnigen doch umſtaͤndlich eroͤrtern? Nun, ſo hoͤrt! Er findet einen jungen Mann, der kein Philolog vom Fach iſt, aber den Homer und Platon lieſt, der mit Wolf und und Gurlitt bekannt iſt, der den Dichter und Ueberſetzer Voß hochſchaͤtzt, der die Verdienſte metriſcher Ueber¬ ſetzungen wuͤrdigt, dem die Oden Klopſtocks vertraut ſind, der zum Erſtaunen der Anweſenden ganze Reihen
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bekuͤmmert; waͤr' er juͤnger, ſo machte er Sonette, wuͤßte
von Aſſonanzen, ließe Schelling'ſche Formeln in ſeinen
Dichtungen durchſchimmern. Conz iſt hier der eigent¬
liche Philolog an der Univerſitaͤt, und wirklich ein gruͤnd¬
licher, auch geſchmackvoller Alterthumskenner, eifrig in
ſeinem Fach, und uͤberhaupt fuͤr Schoͤnes und Hohes
leicht entzuͤndbar. Da er aber als Anempfinder wenig
Feſtigkeit und Schaͤrfe beſitzt, ſich theils aus Gutmuͤthig¬
keit, theils aus Schwaͤche, leicht einſchuͤchtern laͤßt, ſo
kann er ſeine Sachen nicht mit dem noͤthigen Anſehn
durchſetzen, die Kollegen necken ihn, die Studenten be¬
zeigen ſich leichtfertig, zu Hauſe giebt es auch wohl
Schelte, da bleibt denn die Litteratur die einzige Zu¬
flucht, — aber in der herrſcht ein neuer Geiſt, der von
ihm und all dem Seinen nichts wiſſen will! So lebt
der Mann hier ſeit Jahren gedruͤckt und gehemmt, und
ſeufzt nach Menſchen, die ſeine Gegenſtaͤnde kennen,
ſeine Richtungen einſehen, ſein Streben wuͤrdigen. Un¬
vermuthet findet er mich, mich, liebe Freunde, und nun
erwaͤgt, was das heißt! Muß ich es euch Hartſinnigen
doch umſtaͤndlich eroͤrtern? Nun, ſo hoͤrt! Er findet
einen jungen Mann, der kein Philolog vom Fach iſt,
aber den Homer und Platon lieſt, der mit Wolf und
und Gurlitt bekannt iſt, der den Dichter und Ueberſetzer
Voß hochſchaͤtzt, der die Verdienſte metriſcher Ueber¬
ſetzungen wuͤrdigt, dem die Oden Klopſtocks vertraut
ſind, der zum Erſtaunen der Anweſenden ganze Reihen
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/134>, abgerufen am 05.12.2024.
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