zu gerathen, folgen aber mit richtigem Takte nur dem Gebot ihres wahren Verhältnisses. Die Republikaner bedürfen der trockenen Denkart und Verstandesaufklä¬ rung, die vor der Revolution herrschend waren; die Freunde des Königthums und der Kirche wenden sich zu den Wunderkräften des Mittelalters. Die legitimi¬ stische Richtung ist in der Politik zwar geschlagen, aber in der Litteratur ist sie die Herrscherin des Tages; sie nimmt Theil an dem Sturme der Zerstörung, den auch sie nur fortsetzen muß, wenn sie zu einem ihr gemäßen Ziele gelangen will; aber sie darf auch schon den Geist und die Richtung zeigen, in denen sie das wahre Leben zu finden hofft, ja zu besitzen meint. Nach den letzten Stürmen mag es in Frankreich unmöglich sein, das gefallene Königthum als Mitte eines höheren Lebens wiederaufzunehmen und anzupreisen; die entschiedensten Anhänger versuchen es nicht, diese politische Seite ihrer Denkart durch ästhetische Behandlung geltend zu ma¬ chen. Anders aber steht die religiöse Seite, für diese ist kein wesentlicher Halt verloren, sie hat vielleicht durch Scheidung manches Unreinen nur gewonnen, sie kann noch als ein fester Mittelpunkt geschildert und angeboten werden, und mit Eifer wird dieses Element, die katho¬ lische Religion und Kirche, in den Kreis der ästhetischen Gebilde gezogen, die bisher eines solchen Bestandtheiles meist entbehrten. Könnte es gelingen, dieses Element in seiner Wesenheit wirklich zum Geiste der dichterischen
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zu gerathen, folgen aber mit richtigem Takte nur dem Gebot ihres wahren Verhaͤltniſſes. Die Republikaner beduͤrfen der trockenen Denkart und Verſtandesaufklaͤ¬ rung, die vor der Revolution herrſchend waren; die Freunde des Koͤnigthums und der Kirche wenden ſich zu den Wunderkraͤften des Mittelalters. Die legitimi¬ ſtiſche Richtung iſt in der Politik zwar geſchlagen, aber in der Litteratur iſt ſie die Herrſcherin des Tages; ſie nimmt Theil an dem Sturme der Zerſtoͤrung, den auch ſie nur fortſetzen muß, wenn ſie zu einem ihr gemaͤßen Ziele gelangen will; aber ſie darf auch ſchon den Geiſt und die Richtung zeigen, in denen ſie das wahre Leben zu finden hofft, ja zu beſitzen meint. Nach den letzten Stuͤrmen mag es in Frankreich unmoͤglich ſein, das gefallene Koͤnigthum als Mitte eines hoͤheren Lebens wiederaufzunehmen und anzupreiſen; die entſchiedenſten Anhaͤnger verſuchen es nicht, dieſe politiſche Seite ihrer Denkart durch aͤſthetiſche Behandlung geltend zu ma¬ chen. Anders aber ſteht die religioͤſe Seite, fuͤr dieſe iſt kein weſentlicher Halt verloren, ſie hat vielleicht durch Scheidung manches Unreinen nur gewonnen, ſie kann noch als ein feſter Mittelpunkt geſchildert und angeboten werden, und mit Eifer wird dieſes Element, die katho¬ liſche Religion und Kirche, in den Kreis der aͤſthetiſchen Gebilde gezogen, die bisher eines ſolchen Beſtandtheiles meiſt entbehrten. Koͤnnte es gelingen, dieſes Element in ſeiner Weſenheit wirklich zum Geiſte der dichteriſchen
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zu gerathen, folgen aber mit richtigem Takte nur dem
Gebot ihres wahren Verhaͤltniſſes. Die Republikaner
beduͤrfen der trockenen Denkart und Verſtandesaufklaͤ¬
rung, die vor der Revolution herrſchend waren; die
Freunde des Koͤnigthums und der Kirche wenden ſich
zu den Wunderkraͤften des Mittelalters. Die legitimi¬
ſtiſche Richtung iſt in der Politik zwar geſchlagen, aber
in der Litteratur iſt ſie die Herrſcherin des Tages; ſie
nimmt Theil an dem Sturme der Zerſtoͤrung, den auch
ſie nur fortſetzen muß, wenn ſie zu einem ihr gemaͤßen
Ziele gelangen will; aber ſie darf auch ſchon den Geiſt
und die Richtung zeigen, in denen ſie das wahre Leben
zu finden hofft, ja zu beſitzen meint. Nach den letzten
Stuͤrmen mag es in Frankreich unmoͤglich ſein, das
gefallene Koͤnigthum als Mitte eines hoͤheren Lebens
wiederaufzunehmen und anzupreiſen; die entſchiedenſten
Anhaͤnger verſuchen es nicht, dieſe politiſche Seite ihrer
Denkart durch aͤſthetiſche Behandlung geltend zu ma¬
chen. Anders aber ſteht die religioͤſe Seite, fuͤr dieſe
iſt kein weſentlicher Halt verloren, ſie hat vielleicht durch
Scheidung manches Unreinen nur gewonnen, ſie kann
noch als ein feſter Mittelpunkt geſchildert und angeboten
werden, und mit Eifer wird dieſes Element, die katho¬
liſche Religion und Kirche, in den Kreis der aͤſthetiſchen
Gebilde gezogen, die bisher eines ſolchen Beſtandtheiles
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/463>, abgerufen am 22.11.2024.
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