haltung, und die Herzens- und Liebes-Geschichten wußte er in ein romanenhaftes Bild angenehm zusammenzu¬ fassen, in dem berühmten Buche, das unter dem Titel la Saxe galante unsere Vorfahren einst allgemein anzog und bezauberte, und noch bis in die späte Zeit hinein gern gelesen wurde. Die Geliebte des Kurfürsten von Sachsen, Augusts des Starken, die schöne und geistreiche Gräfin Aurora von Königsmarck, trat in dieser Darstel¬ lung besonders anmuthig und bedeutend hervor, weit über den Kreis der gewöhnlichen Maitressen hervor, und gab ein Gegenbild zu den berühmten französischen Frauen dieser Art, denen der Historiker nicht umhin kann, wie sehr es ihn auch verdrießen möge, eine große und an¬ haltende Aufmerksamkeit zu widmen. In Auroren schien sogar die zweifache Rolle einer la Valliere und einer Maintenon einigermaßen verbunden zu sein, und die Mutter des tapfern Grafen von Sachsen schien auch den Ruhm einer Montespan sich aneignen zu dürfen, so daß die drei Hauptmaitressen Ludwigs XIV. gleichsam hier in Einem Bilde vereinigt scheinen dürften. Dieses Bild fand ungemeine Gunst, und selbst unter den Deutschen, wo die Sittenstrenge, auch wenn die That ihr gar oft wie anderwärts entschlüpft, doch öffentlich gern und stark das Wort führt, ist Aurora fast immer mit besonderer Milde und Nachsicht beurtheilt worden; man glaubte für sie fast eine Ausnahme zulässig. -- Indeß hat diese Gunst ihr bisher keinen eignen Geschichtsschreiber wecken
II. 26
haltung, und die Herzens- und Liebes-Geſchichten wußte er in ein romanenhaftes Bild angenehm zuſammenzu¬ faſſen, in dem beruͤhmten Buche, das unter dem Titel la Saxe galante unſere Vorfahren einſt allgemein anzog und bezauberte, und noch bis in die ſpaͤte Zeit hinein gern geleſen wurde. Die Geliebte des Kurfuͤrſten von Sachſen, Auguſts des Starken, die ſchoͤne und geiſtreiche Graͤfin Aurora von Koͤnigsmarck, trat in dieſer Darſtel¬ lung beſonders anmuthig und bedeutend hervor, weit uͤber den Kreis der gewoͤhnlichen Maitreſſen hervor, und gab ein Gegenbild zu den beruͤhmten franzoͤſiſchen Frauen dieſer Art, denen der Hiſtoriker nicht umhin kann, wie ſehr es ihn auch verdrießen moͤge, eine große und an¬ haltende Aufmerkſamkeit zu widmen. In Auroren ſchien ſogar die zweifache Rolle einer la Vallière und einer Maintenon einigermaßen verbunden zu ſein, und die Mutter des tapfern Grafen von Sachſen ſchien auch den Ruhm einer Monteſpan ſich aneignen zu duͤrfen, ſo daß die drei Hauptmaitreſſen Ludwigs XIV. gleichſam hier in Einem Bilde vereinigt ſcheinen duͤrften. Dieſes Bild fand ungemeine Gunſt, und ſelbſt unter den Deutſchen, wo die Sittenſtrenge, auch wenn die That ihr gar oft wie anderwaͤrts entſchluͤpft, doch oͤffentlich gern und ſtark das Wort fuͤhrt, iſt Aurora faſt immer mit beſonderer Milde und Nachſicht beurtheilt worden; man glaubte fuͤr ſie faſt eine Ausnahme zulaͤſſig. — Indeß hat dieſe Gunſt ihr bisher keinen eignen Geſchichtsſchreiber wecken
II. 26
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0415"n="401"/>
haltung, und die Herzens- und Liebes-Geſchichten wußte<lb/>
er in ein romanenhaftes Bild angenehm zuſammenzu¬<lb/>
faſſen, in dem beruͤhmten Buche, das unter dem Titel<lb/><hirendition="#aq">la Saxe galante</hi> unſere Vorfahren einſt allgemein anzog<lb/>
und bezauberte, und noch bis in die ſpaͤte Zeit hinein<lb/>
gern geleſen wurde. Die Geliebte des Kurfuͤrſten von<lb/>
Sachſen, Auguſts des Starken, die ſchoͤne und geiſtreiche<lb/>
Graͤfin Aurora von Koͤnigsmarck, trat in dieſer Darſtel¬<lb/>
lung beſonders anmuthig und bedeutend hervor, weit<lb/>
uͤber den Kreis der gewoͤhnlichen Maitreſſen hervor, und<lb/>
gab ein Gegenbild zu den beruͤhmten franzoͤſiſchen Frauen<lb/>
dieſer Art, denen der Hiſtoriker nicht umhin kann, wie<lb/>ſehr es ihn auch verdrießen moͤge, eine große und an¬<lb/>
haltende Aufmerkſamkeit zu widmen. In Auroren ſchien<lb/>ſogar die zweifache Rolle einer la Valli<hirendition="#aq">è</hi>re und einer<lb/>
Maintenon einigermaßen verbunden zu ſein, und die<lb/>
Mutter des tapfern Grafen von Sachſen ſchien auch den<lb/>
Ruhm einer Monteſpan ſich aneignen zu duͤrfen, ſo daß<lb/>
die drei Hauptmaitreſſen Ludwigs <hirendition="#aq">XIV</hi>. gleichſam hier<lb/>
in Einem Bilde vereinigt ſcheinen duͤrften. Dieſes Bild<lb/>
fand ungemeine Gunſt, und ſelbſt unter den Deutſchen,<lb/>
wo die Sittenſtrenge, auch wenn die That ihr gar oft<lb/>
wie anderwaͤrts entſchluͤpft, doch oͤffentlich gern und ſtark<lb/>
das Wort fuͤhrt, iſt Aurora faſt immer mit beſonderer<lb/>
Milde und Nachſicht beurtheilt worden; man glaubte<lb/>
fuͤr ſie faſt eine Ausnahme zulaͤſſig. — Indeß hat dieſe<lb/>
Gunſt ihr bisher keinen eignen Geſchichtsſchreiber wecken<lb/><fwplace="bottom"type="sig">II. <hirendition="#b">26</hi><lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[401/0415]
haltung, und die Herzens- und Liebes-Geſchichten wußte
er in ein romanenhaftes Bild angenehm zuſammenzu¬
faſſen, in dem beruͤhmten Buche, das unter dem Titel
la Saxe galante unſere Vorfahren einſt allgemein anzog
und bezauberte, und noch bis in die ſpaͤte Zeit hinein
gern geleſen wurde. Die Geliebte des Kurfuͤrſten von
Sachſen, Auguſts des Starken, die ſchoͤne und geiſtreiche
Graͤfin Aurora von Koͤnigsmarck, trat in dieſer Darſtel¬
lung beſonders anmuthig und bedeutend hervor, weit
uͤber den Kreis der gewoͤhnlichen Maitreſſen hervor, und
gab ein Gegenbild zu den beruͤhmten franzoͤſiſchen Frauen
dieſer Art, denen der Hiſtoriker nicht umhin kann, wie
ſehr es ihn auch verdrießen moͤge, eine große und an¬
haltende Aufmerkſamkeit zu widmen. In Auroren ſchien
ſogar die zweifache Rolle einer la Vallière und einer
Maintenon einigermaßen verbunden zu ſein, und die
Mutter des tapfern Grafen von Sachſen ſchien auch den
Ruhm einer Monteſpan ſich aneignen zu duͤrfen, ſo daß
die drei Hauptmaitreſſen Ludwigs XIV. gleichſam hier
in Einem Bilde vereinigt ſcheinen duͤrften. Dieſes Bild
fand ungemeine Gunſt, und ſelbſt unter den Deutſchen,
wo die Sittenſtrenge, auch wenn die That ihr gar oft
wie anderwaͤrts entſchluͤpft, doch oͤffentlich gern und ſtark
das Wort fuͤhrt, iſt Aurora faſt immer mit beſonderer
Milde und Nachſicht beurtheilt worden; man glaubte
fuͤr ſie faſt eine Ausnahme zulaͤſſig. — Indeß hat dieſe
Gunſt ihr bisher keinen eignen Geſchichtsſchreiber wecken
II. 26
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/415>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.