müssen wir als vorläufige Aufschlüsse, die uns auf wei¬ tere vorbereiten, sehr willkommen heißen. Eben so die merkwürdigen Aeußerungen über Mirabeau's angefoch¬ tene Selbstgröße und Ursprünglichkeit, auf Anlaß der neuerlich von Dumont herausgegebenen Erinnerungen an diesen Revolutionshelden; sagar ein Streiflicht aus den Memoiren des Fürsten von Talleyrand blitzt hier auf, wodurch zum erstenmal das bisher zweifelhafte Dasein ächter Denkschriften des Erzdiplomaten unsrer Zeit durch ein unbestreitbares Zeugniß erwiesen wird. Die noch sonst aus Goethe's Gesprächen beigebrachten Urtheile und Bemerkungen sind wichtig und anmuthig, und regen, wie alles von ihm, das eigne Nachdenken still und mächtig auf. Ueberhaupt wird Goethe's Wort, wie sehr sich die Menge der theils schon alten verstock¬ ten, theils noch jungen verwahrlosten Kinder der Zeit dagegen sträubt, noch weithinaus das wirksamste und mächtigste in unsrer Nation verbleiben, und auch die Gegner werden sich wider Willen vorzugsweise mit ihm beschäftigen müssen, und grade an ihm ihre gefährlichsten Proben bestehen. Sind doch diejenigen, welche so sehr über Mangel an Religion in ihm klagen, durch den lieblosen Eifer, den sie bei dieser Gelegenheit zeigen, mit ihrer eignen Frömmigkeit schon im zweideutigsten Lichte! und machen doch ebenso diejenigen, welche wohl noch den früheren Goethe gelten lassen, aber den spä¬ teren für schwach geworden erklären, nur gefährlich auf¬
muͤſſen wir als vorlaͤufige Aufſchluͤſſe, die uns auf wei¬ tere vorbereiten, ſehr willkommen heißen. Eben ſo die merkwuͤrdigen Aeußerungen uͤber Mirabeau’s angefoch¬ tene Selbſtgroͤße und Urſpruͤnglichkeit, auf Anlaß der neuerlich von Dumont herausgegebenen Erinnerungen an dieſen Revolutionshelden; ſagar ein Streiflicht aus den Memoiren des Fuͤrſten von Talleyrand blitzt hier auf, wodurch zum erſtenmal das bisher zweifelhafte Daſein aͤchter Denkſchriften des Erzdiplomaten unſrer Zeit durch ein unbeſtreitbares Zeugniß erwieſen wird. Die noch ſonſt aus Goethe’s Geſpraͤchen beigebrachten Urtheile und Bemerkungen ſind wichtig und anmuthig, und regen, wie alles von ihm, das eigne Nachdenken ſtill und maͤchtig auf. Ueberhaupt wird Goethe’s Wort, wie ſehr ſich die Menge der theils ſchon alten verſtock¬ ten, theils noch jungen verwahrloſten Kinder der Zeit dagegen ſtraͤubt, noch weithinaus das wirkſamſte und maͤchtigſte in unſrer Nation verbleiben, und auch die Gegner werden ſich wider Willen vorzugsweiſe mit ihm beſchaͤftigen muͤſſen, und grade an ihm ihre gefaͤhrlichſten Proben beſtehen. Sind doch diejenigen, welche ſo ſehr uͤber Mangel an Religion in ihm klagen, durch den liebloſen Eifer, den ſie bei dieſer Gelegenheit zeigen, mit ihrer eignen Froͤmmigkeit ſchon im zweideutigſten Lichte! und machen doch ebenſo diejenigen, welche wohl noch den fruͤheren Goethe gelten laſſen, aber den ſpaͤ¬ teren fuͤr ſchwach geworden erklaͤren, nur gefaͤhrlich auf¬
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muͤſſen wir als vorlaͤufige Aufſchluͤſſe, die uns auf wei¬
tere vorbereiten, ſehr willkommen heißen. Eben ſo die
merkwuͤrdigen Aeußerungen uͤber Mirabeau’s angefoch¬
tene Selbſtgroͤße und Urſpruͤnglichkeit, auf Anlaß der
neuerlich von Dumont herausgegebenen Erinnerungen
an dieſen Revolutionshelden; ſagar ein Streiflicht aus
den Memoiren des Fuͤrſten von Talleyrand blitzt hier
auf, wodurch zum erſtenmal das bisher zweifelhafte
Daſein aͤchter Denkſchriften des Erzdiplomaten unſrer
Zeit durch ein unbeſtreitbares Zeugniß erwieſen wird.
Die noch ſonſt aus Goethe’s Geſpraͤchen beigebrachten
Urtheile und Bemerkungen ſind wichtig und anmuthig,
und regen, wie alles von ihm, das eigne Nachdenken
ſtill und maͤchtig auf. Ueberhaupt wird Goethe’s Wort,
wie ſehr ſich die Menge der theils ſchon alten verſtock¬
ten, theils noch jungen verwahrloſten Kinder der Zeit
dagegen ſtraͤubt, noch weithinaus das wirkſamſte und
maͤchtigſte in unſrer Nation verbleiben, und auch die
Gegner werden ſich wider Willen vorzugsweiſe mit ihm
beſchaͤftigen muͤſſen, und grade an ihm ihre gefaͤhrlichſten
Proben beſtehen. Sind doch diejenigen, welche ſo ſehr
uͤber Mangel an Religion in ihm klagen, durch den
liebloſen Eifer, den ſie bei dieſer Gelegenheit zeigen,
mit ihrer eignen Froͤmmigkeit ſchon im zweideutigſten
Lichte! und machen doch ebenſo diejenigen, welche wohl
noch den fruͤheren Goethe gelten laſſen, aber den ſpaͤ¬
teren fuͤr ſchwach geworden erklaͤren, nur gefaͤhrlich auf¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/398>, abgerufen am 23.11.2024.
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