von Schlözer und Ewers kennt. Der Ausspruch, Karam¬ sin's Werk sei mehr ein historischer Roman, ist dadurch noch nicht begründet, daß in demselben einige politische Rücksichten beobachtet worden, von welchen, auch ohne den Einfluß einer nöthigenden Behörde, selbst ein Hume und Johannes Müller nicht frei sind, deren Schriften unter die Romane deßhalb zu versetzen niemand berech¬ tigt ist.
Die absprechend rauhe Behandlungsart, welche in dieser ersten Abtheilung auffällt, schimmert auch in den folgenden durch, wo die innere Staatsverwaltung, die verschiedenen Stände, der Adel, der Bürger, die Geist¬ lichkeit, der Bauer, darauf die Juden, dann noch ins¬ besondere Esthland und Liefland, und seltsam genug auch die Moldau und Wallachei, durch allerlei Aussprüche und beispielartige Histörchen beleuchtet werden sollen. Ueber das Heer werden die einseitigsten Aeußerungen vorgebracht. Manches über neuere Ereignisse Gesagte ist durch die Zeitungen bekannt, andres entschieden falsch, z. B. daß der Kaiser Alexander dem Grafen Rostop¬ schin die Vernichtung Moskau's anbefohlen habe. Eini¬ ger Vorgänge und Verhältnisse, die allerdings für den Geschichtforscher des Stoffes und Reizes überviel haben, gedenkt der Verfasser auf eine Weise, die freimüthig sein soll, bei der aber in Ermanglung hinreichender Auf¬ schlüsse doch nichts herauskommt, als bei dem ernsten
von Schloͤzer und Ewers kennt. Der Ausſpruch, Karam¬ ſin's Werk ſei mehr ein hiſtoriſcher Roman, iſt dadurch noch nicht begruͤndet, daß in demſelben einige politiſche Ruͤckſichten beobachtet worden, von welchen, auch ohne den Einfluß einer noͤthigenden Behoͤrde, ſelbſt ein Hume und Johannes Muͤller nicht frei ſind, deren Schriften unter die Romane deßhalb zu verſetzen niemand berech¬ tigt iſt.
Die abſprechend rauhe Behandlungsart, welche in dieſer erſten Abtheilung auffaͤllt, ſchimmert auch in den folgenden durch, wo die innere Staatsverwaltung, die verſchiedenen Staͤnde, der Adel, der Buͤrger, die Geiſt¬ lichkeit, der Bauer, darauf die Juden, dann noch ins¬ beſondere Eſthland und Liefland, und ſeltſam genug auch die Moldau und Wallachei, durch allerlei Ausſpruͤche und beiſpielartige Hiſtoͤrchen beleuchtet werden ſollen. Ueber das Heer werden die einſeitigſten Aeußerungen vorgebracht. Manches uͤber neuere Ereigniſſe Geſagte iſt durch die Zeitungen bekannt, andres entſchieden falſch, z. B. daß der Kaiſer Alexander dem Grafen Roſtop¬ ſchin die Vernichtung Moskau's anbefohlen habe. Eini¬ ger Vorgaͤnge und Verhaͤltniſſe, die allerdings fuͤr den Geſchichtforſcher des Stoffes und Reizes uͤberviel haben, gedenkt der Verfaſſer auf eine Weiſe, die freimuͤthig ſein ſoll, bei der aber in Ermanglung hinreichender Auf¬ ſchluͤſſe doch nichts herauskommt, als bei dem ernſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0390"n="376"/>
von Schloͤzer und Ewers kennt. Der Ausſpruch, Karam¬<lb/>ſin's Werk ſei mehr ein hiſtoriſcher Roman, iſt dadurch<lb/>
noch nicht begruͤndet, daß in demſelben einige politiſche<lb/>
Ruͤckſichten beobachtet worden, von welchen, auch ohne<lb/>
den Einfluß einer noͤthigenden Behoͤrde, ſelbſt ein Hume<lb/>
und Johannes Muͤller nicht frei ſind, deren Schriften<lb/>
unter die Romane deßhalb zu verſetzen niemand berech¬<lb/>
tigt iſt.</p><lb/><p>Die abſprechend rauhe Behandlungsart, welche in<lb/>
dieſer erſten Abtheilung auffaͤllt, ſchimmert auch in den<lb/>
folgenden durch, wo die innere Staatsverwaltung, die<lb/>
verſchiedenen Staͤnde, der Adel, der Buͤrger, die Geiſt¬<lb/>
lichkeit, der Bauer, darauf die Juden, dann noch ins¬<lb/>
beſondere Eſthland und Liefland, und ſeltſam genug<lb/>
auch die Moldau und Wallachei, durch allerlei Ausſpruͤche<lb/>
und beiſpielartige Hiſtoͤrchen beleuchtet werden ſollen.<lb/>
Ueber das Heer werden die einſeitigſten Aeußerungen<lb/>
vorgebracht. Manches uͤber neuere Ereigniſſe Geſagte<lb/>
iſt durch die Zeitungen bekannt, andres entſchieden falſch,<lb/>
z. B. daß der Kaiſer Alexander dem Grafen Roſtop¬<lb/>ſchin die Vernichtung Moskau's anbefohlen habe. Eini¬<lb/>
ger Vorgaͤnge und Verhaͤltniſſe, die allerdings fuͤr den<lb/>
Geſchichtforſcher des Stoffes und Reizes uͤberviel haben,<lb/>
gedenkt der Verfaſſer auf eine Weiſe, die freimuͤthig<lb/>ſein ſoll, bei der aber in Ermanglung hinreichender Auf¬<lb/>ſchluͤſſe doch nichts herauskommt, als bei dem ernſten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[376/0390]
von Schloͤzer und Ewers kennt. Der Ausſpruch, Karam¬
ſin's Werk ſei mehr ein hiſtoriſcher Roman, iſt dadurch
noch nicht begruͤndet, daß in demſelben einige politiſche
Ruͤckſichten beobachtet worden, von welchen, auch ohne
den Einfluß einer noͤthigenden Behoͤrde, ſelbſt ein Hume
und Johannes Muͤller nicht frei ſind, deren Schriften
unter die Romane deßhalb zu verſetzen niemand berech¬
tigt iſt.
Die abſprechend rauhe Behandlungsart, welche in
dieſer erſten Abtheilung auffaͤllt, ſchimmert auch in den
folgenden durch, wo die innere Staatsverwaltung, die
verſchiedenen Staͤnde, der Adel, der Buͤrger, die Geiſt¬
lichkeit, der Bauer, darauf die Juden, dann noch ins¬
beſondere Eſthland und Liefland, und ſeltſam genug
auch die Moldau und Wallachei, durch allerlei Ausſpruͤche
und beiſpielartige Hiſtoͤrchen beleuchtet werden ſollen.
Ueber das Heer werden die einſeitigſten Aeußerungen
vorgebracht. Manches uͤber neuere Ereigniſſe Geſagte
iſt durch die Zeitungen bekannt, andres entſchieden falſch,
z. B. daß der Kaiſer Alexander dem Grafen Roſtop¬
ſchin die Vernichtung Moskau's anbefohlen habe. Eini¬
ger Vorgaͤnge und Verhaͤltniſſe, die allerdings fuͤr den
Geſchichtforſcher des Stoffes und Reizes uͤberviel haben,
gedenkt der Verfaſſer auf eine Weiſe, die freimuͤthig
ſein ſoll, bei der aber in Ermanglung hinreichender Auf¬
ſchluͤſſe doch nichts herauskommt, als bei dem ernſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/390>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.