in rechten Ehren und guter Uebung bleibt. Der Werth der unsterblichen Hervorbringungen des Alterthums be¬ ruht, außer den Vorzügen einer in sich selbst vollendeten, ihrer Art unerreichbaren Meisterschaft, für uns noch besonders auch darauf, daß sie uns eine andere, eine abgeschlossene Welt darbieten, eine Vergleichung für die unsrige, einen neuen Standpunkt für dieselbe, und somit alle die Beziehungen und Verbindungen, Anregungen und Thätigkeiten, durch welche zu wahrhafter, freier Bildung der Geist emporringt. Dieses Vortheils wird schon jeder inne, der nur zwei oder mehre Sprach- und Litteraturgebiete, wenn auch nur moderner und nahver¬ wandter, verbindet und umfaßt, um wie viel mehr aber derjenige, dem die ganze Macht und Herrlichkeit der antiken Welt in die moderne herüberstrahlt! Wir Deutsche haben es uns von jeher angelegen sein lassen, die klas¬ sische Litteratur ämsig zu pflegen, ihren Geist und ihre Werke uns treulichst anzueignen, und die ausgezeichnet¬ sten, fruchtbarsten Erfolge haben diese Bemühungen gekrönt. Der eigentlichen philologischen Arbeiten zu geschweigen, so sind in unsrer eignen Litteratur, binnen etwa siebenzig Jahren, in jener Richtung Ergebnisse hervorgebracht worden, dergleichen in so kurzem Zeit¬ raum die ganze Litteraturgeschichte kaum noch ein Bei¬ spiel aufweisen kann. Unsre Sprache ist eine andere geworden, eine ganz neue Dichtung hat sich erhoben, eine neue Uebersetzungskunst, die sich auch für moderne
in rechten Ehren und guter Uebung bleibt. Der Werth der unſterblichen Hervorbringungen des Alterthums be¬ ruht, außer den Vorzuͤgen einer in ſich ſelbſt vollendeten, ihrer Art unerreichbaren Meiſterſchaft, fuͤr uns noch beſonders auch darauf, daß ſie uns eine andere, eine abgeſchloſſene Welt darbieten, eine Vergleichung fuͤr die unſrige, einen neuen Standpunkt fuͤr dieſelbe, und ſomit alle die Beziehungen und Verbindungen, Anregungen und Thaͤtigkeiten, durch welche zu wahrhafter, freier Bildung der Geiſt emporringt. Dieſes Vortheils wird ſchon jeder inne, der nur zwei oder mehre Sprach- und Litteraturgebiete, wenn auch nur moderner und nahver¬ wandter, verbindet und umfaßt, um wie viel mehr aber derjenige, dem die ganze Macht und Herrlichkeit der antiken Welt in die moderne heruͤberſtrahlt! Wir Deutſche haben es uns von jeher angelegen ſein laſſen, die klaſ¬ ſiſche Litteratur aͤmſig zu pflegen, ihren Geiſt und ihre Werke uns treulichſt anzueignen, und die ausgezeichnet¬ ſten, fruchtbarſten Erfolge haben dieſe Bemuͤhungen gekroͤnt. Der eigentlichen philologiſchen Arbeiten zu geſchweigen, ſo ſind in unſrer eignen Litteratur, binnen etwa ſiebenzig Jahren, in jener Richtung Ergebniſſe hervorgebracht worden, dergleichen in ſo kurzem Zeit¬ raum die ganze Litteraturgeſchichte kaum noch ein Bei¬ ſpiel aufweiſen kann. Unſre Sprache iſt eine andere geworden, eine ganz neue Dichtung hat ſich erhoben, eine neue Ueberſetzungskunſt, die ſich auch fuͤr moderne
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in rechten Ehren und guter Uebung bleibt. Der Werth
der unſterblichen Hervorbringungen des Alterthums be¬
ruht, außer den Vorzuͤgen einer in ſich ſelbſt vollendeten,
ihrer Art unerreichbaren Meiſterſchaft, fuͤr uns noch
beſonders auch darauf, daß ſie uns eine andere, eine
abgeſchloſſene Welt darbieten, eine Vergleichung fuͤr die
unſrige, einen neuen Standpunkt fuͤr dieſelbe, und ſomit
alle die Beziehungen und Verbindungen, Anregungen
und Thaͤtigkeiten, durch welche zu wahrhafter, freier
Bildung der Geiſt emporringt. Dieſes Vortheils wird
ſchon jeder inne, der nur zwei oder mehre Sprach- und
Litteraturgebiete, wenn auch nur moderner und nahver¬
wandter, verbindet und umfaßt, um wie viel mehr aber
derjenige, dem die ganze Macht und Herrlichkeit der
antiken Welt in die moderne heruͤberſtrahlt! Wir Deutſche
haben es uns von jeher angelegen ſein laſſen, die klaſ¬
ſiſche Litteratur aͤmſig zu pflegen, ihren Geiſt und ihre
Werke uns treulichſt anzueignen, und die ausgezeichnet¬
ſten, fruchtbarſten Erfolge haben dieſe Bemuͤhungen
gekroͤnt. Der eigentlichen philologiſchen Arbeiten zu
geſchweigen, ſo ſind in unſrer eignen Litteratur, binnen
etwa ſiebenzig Jahren, in jener Richtung Ergebniſſe
hervorgebracht worden, dergleichen in ſo kurzem Zeit¬
raum die ganze Litteraturgeſchichte kaum noch ein Bei¬
ſpiel aufweiſen kann. Unſre Sprache iſt eine andere
geworden, eine ganz neue Dichtung hat ſich erhoben,
eine neue Ueberſetzungskunſt, die ſich auch fuͤr moderne
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/375>, abgerufen am 24.11.2024.
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