gelungen sie selbst. Hierin nun, glauben wir, hat Im¬ mermann durch das vorliegende Trauerspiel einen großen Erfolg dargethan; auf diesen gründet sich unser entschie¬ denes Lob; wo der Erfolg noch unvollständig erscheint, darf sich verhältnißmäßig unser Tadel anknüpfen. -- Der gewählte Stoff ist einer der schönsten und glücklich¬ sten für die tragische Behandlung. Wir können hier nicht in die Vergleichung eingehen, wiefern Immermann von seinen Vorgängern, die den nämlichen Stoff behan¬ delt haben, abweicht, oder mit ihnen zusammenstimmt. Andere Blätter haben hierüber bereits Einiges beige¬ bracht. Uns genüge hier im Ganzen die kraftvolle, sichere Haltung anzuerkennen, welche sowohl den Fort¬ schritt der Begebenheit als die Entwickelung der Karak¬ tere in dem Immermann'schen Werke vortheilhaft be¬ zeichnet. Durch eine weise Oekonomie, die von großer Selbstbeherrschung zeugt, ist in der Fülle hier ein selte¬ nes Maß beobachtet, dessen Gränzen in den meisten Fällen weder Ueppigkeit überschreitet, noch zu enge Zu¬ sammenziehung des Nothwendigen unerfüllt läßt. In der Handlung ist rascher Fortgang, nirgends müßige Hemmung, und die Karaktere bedürfen zu ihrer völligen Entwickelung keiner andern Hülfsmittel, als der in der Handlung begründeten Thätigkeit. Die Karakterzeich¬ nung Cardenio's, des dunkelglühenden Spaniers, ist meisterhaft; dann Celinde's, der reizenden Selbstständig¬ keit in Liebeshuld; ferner Olympia's und Lysander's,
gelungen ſie ſelbſt. Hierin nun, glauben wir, hat Im¬ mermann durch das vorliegende Trauerſpiel einen großen Erfolg dargethan; auf dieſen gruͤndet ſich unſer entſchie¬ denes Lob; wo der Erfolg noch unvollſtaͤndig erſcheint, darf ſich verhaͤltnißmaͤßig unſer Tadel anknuͤpfen. — Der gewaͤhlte Stoff iſt einer der ſchoͤnſten und gluͤcklich¬ ſten fuͤr die tragiſche Behandlung. Wir koͤnnen hier nicht in die Vergleichung eingehen, wiefern Immermann von ſeinen Vorgaͤngern, die den naͤmlichen Stoff behan¬ delt haben, abweicht, oder mit ihnen zuſammenſtimmt. Andere Blaͤtter haben hieruͤber bereits Einiges beige¬ bracht. Uns genuͤge hier im Ganzen die kraftvolle, ſichere Haltung anzuerkennen, welche ſowohl den Fort¬ ſchritt der Begebenheit als die Entwickelung der Karak¬ tere in dem Immermann’ſchen Werke vortheilhaft be¬ zeichnet. Durch eine weiſe Oekonomie, die von großer Selbſtbeherrſchung zeugt, iſt in der Fuͤlle hier ein ſelte¬ nes Maß beobachtet, deſſen Graͤnzen in den meiſten Faͤllen weder Ueppigkeit uͤberſchreitet, noch zu enge Zu¬ ſammenziehung des Nothwendigen unerfuͤllt laͤßt. In der Handlung iſt raſcher Fortgang, nirgends muͤßige Hemmung, und die Karaktere beduͤrfen zu ihrer voͤlligen Entwickelung keiner andern Huͤlfsmittel, als der in der Handlung begruͤndeten Thaͤtigkeit. Die Karakterzeich¬ nung Cardenio’s, des dunkelgluͤhenden Spaniers, iſt meiſterhaft; dann Celinde’s, der reizenden Selbſtſtaͤndig¬ keit in Liebeshuld; ferner Olympia’s und Lyſander’s,
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gelungen ſie ſelbſt. Hierin nun, glauben wir, hat Im¬
mermann durch das vorliegende Trauerſpiel einen großen
Erfolg dargethan; auf dieſen gruͤndet ſich unſer entſchie¬
denes Lob; wo der Erfolg noch unvollſtaͤndig erſcheint,
darf ſich verhaͤltnißmaͤßig unſer Tadel anknuͤpfen. —
Der gewaͤhlte Stoff iſt einer der ſchoͤnſten und gluͤcklich¬
ſten fuͤr die tragiſche Behandlung. Wir koͤnnen hier
nicht in die Vergleichung eingehen, wiefern Immermann
von ſeinen Vorgaͤngern, die den naͤmlichen Stoff behan¬
delt haben, abweicht, oder mit ihnen zuſammenſtimmt.
Andere Blaͤtter haben hieruͤber bereits Einiges beige¬
bracht. Uns genuͤge hier im Ganzen die kraftvolle,
ſichere Haltung anzuerkennen, welche ſowohl den Fort¬
ſchritt der Begebenheit als die Entwickelung der Karak¬
tere in dem Immermann’ſchen Werke vortheilhaft be¬
zeichnet. Durch eine weiſe Oekonomie, die von großer
Selbſtbeherrſchung zeugt, iſt in der Fuͤlle hier ein ſelte¬
nes Maß beobachtet, deſſen Graͤnzen in den meiſten
Faͤllen weder Ueppigkeit uͤberſchreitet, noch zu enge Zu¬
ſammenziehung des Nothwendigen unerfuͤllt laͤßt. In
der Handlung iſt raſcher Fortgang, nirgends muͤßige
Hemmung, und die Karaktere beduͤrfen zu ihrer voͤlligen
Entwickelung keiner andern Huͤlfsmittel, als der in der
Handlung begruͤndeten Thaͤtigkeit. Die Karakterzeich¬
nung Cardenio’s, des dunkelgluͤhenden Spaniers, iſt
meiſterhaft; dann Celinde’s, der reizenden Selbſtſtaͤndig¬
keit in Liebeshuld; ferner Olympia’s und Lyſander’s,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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