ist "Petrarca" das vorzüglichste unter den gegebenen Stücken.
2.
Brief an einen Freund über die falschen Wander¬ jahre Wilhelm Meisters. Von Karl Immermann. Münster, 1823. -- Diese Erscheinung ist in einer Zeit, wo das Bedürfniß ächter Kritik auf allen Seiten so dringend gefühlt, und ihre Einwirkung in allen Zweigen der Litteratur doch so ängstlich vermißt wird, als kein geringer Gewinn zu rechnen. In der That ist der Man¬ gel an ächter Kritik auffallend, bei seltsamen Reich¬ thümern in allen übrigen, sind wir in diesem Fache verwaist und verarmt. Wenn wir die gelegentlichen Sprüche Goethe's -- die goldenen Worte z. B. über Calderon und Shakspeare, über Lukrez, Byron, Man¬ zoni, in den Heften von Kunst und Alterthum -- nicht ausdrücklich anrechnen, so bleibt im weiten Umfange deutscher Lande jetzt, nachdem die bedeutenden Stimmen von A. W. und Fr. Schlegel, von Tieck, von Hum¬ boldt, und einigen Andern dieses Ranges, verstummt sind, nur der einzige Börne zu nennen, welcher Ein¬ sicht, Geist, Witz und Kraft in dem Maße vereint, um ein Kritiker im höheren Sinne zu heißen. Als würdiger Genosse tritt jetzt Immermann auf. Aus dieser ersten kleinen Schrift ist sein ganzer Beruf zu erkennen. Auch hat er sich gleich einen Gegenstand von großem Inhalt
iſt „Petrarca“ das vorzuͤglichſte unter den gegebenen Stuͤcken.
2.
Brief an einen Freund uͤber die falſchen Wander¬ jahre Wilhelm Meiſters. Von Karl Immermann. Muͤnſter, 1823. — Dieſe Erſcheinung iſt in einer Zeit, wo das Beduͤrfniß aͤchter Kritik auf allen Seiten ſo dringend gefuͤhlt, und ihre Einwirkung in allen Zweigen der Litteratur doch ſo aͤngſtlich vermißt wird, als kein geringer Gewinn zu rechnen. In der That iſt der Man¬ gel an aͤchter Kritik auffallend, bei ſeltſamen Reich¬ thuͤmern in allen uͤbrigen, ſind wir in dieſem Fache verwaiſt und verarmt. Wenn wir die gelegentlichen Spruͤche Goethe’s — die goldenen Worte z. B. uͤber Calderon und Shakſpeare, uͤber Lukrez, Byron, Man¬ zoni, in den Heften von Kunſt und Alterthum — nicht ausdruͤcklich anrechnen, ſo bleibt im weiten Umfange deutſcher Lande jetzt, nachdem die bedeutenden Stimmen von A. W. und Fr. Schlegel, von Tieck, von Hum¬ boldt, und einigen Andern dieſes Ranges, verſtummt ſind, nur der einzige Boͤrne zu nennen, welcher Ein¬ ſicht, Geiſt, Witz und Kraft in dem Maße vereint, um ein Kritiker im hoͤheren Sinne zu heißen. Als wuͤrdiger Genoſſe tritt jetzt Immermann auf. Aus dieſer erſten kleinen Schrift iſt ſein ganzer Beruf zu erkennen. Auch hat er ſich gleich einen Gegenſtand von großem Inhalt
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iſt „Petrarca“ das vorzuͤglichſte unter den gegebenen
Stuͤcken.
2.
Brief an einen Freund uͤber die falſchen Wander¬
jahre Wilhelm Meiſters. Von Karl Immermann.
Muͤnſter, 1823. — Dieſe Erſcheinung iſt in einer Zeit,
wo das Beduͤrfniß aͤchter Kritik auf allen Seiten ſo
dringend gefuͤhlt, und ihre Einwirkung in allen Zweigen
der Litteratur doch ſo aͤngſtlich vermißt wird, als kein
geringer Gewinn zu rechnen. In der That iſt der Man¬
gel an aͤchter Kritik auffallend, bei ſeltſamen Reich¬
thuͤmern in allen uͤbrigen, ſind wir in dieſem Fache
verwaiſt und verarmt. Wenn wir die gelegentlichen
Spruͤche Goethe’s — die goldenen Worte z. B. uͤber
Calderon und Shakſpeare, uͤber Lukrez, Byron, Man¬
zoni, in den Heften von Kunſt und Alterthum — nicht
ausdruͤcklich anrechnen, ſo bleibt im weiten Umfange
deutſcher Lande jetzt, nachdem die bedeutenden Stimmen
von A. W. und Fr. Schlegel, von Tieck, von Hum¬
boldt, und einigen Andern dieſes Ranges, verſtummt
ſind, nur der einzige Boͤrne zu nennen, welcher Ein¬
ſicht, Geiſt, Witz und Kraft in dem Maße vereint, um
ein Kritiker im hoͤheren Sinne zu heißen. Als wuͤrdiger
Genoſſe tritt jetzt Immermann auf. Aus dieſer erſten
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/359>, abgerufen am 24.11.2024.
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