Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

gern verbindet. Mir hat er sehr gefallen, und ich
konnte die Meinung, welche schon damals ihm alle
höhere Fähigkeiten absprechen wollte, gar nicht gelten
lassen. Kraft, Sicherheit und Erfahrung sprachen aus
seinem ernsten Gesicht, und was er sagte, war lebendig
und klar. General Neipperg nöthigte ihn zu einem
ziemlich ausführlichen Gespräch über die Schlacht von
Marengo, und einige Einzelheiten derselben wurden
eifrig durchgesprochen. Berthier hatte diese Schlacht in
einer besondern Druckschrift geschildert, aber mit großen
Irrthümern, sowohl in Verschweigungen als in falschen
Angaben, welche man fast nur als absichtliche anspre¬
chen konnte, die Vorgänge waren so gestellt, wie die
spätere Willensmeinung des Kaisers sie forderte; haupt¬
sächlich ging die Sage, dem in der Schlacht gebliebenen
General Desaix sei manches Verdienstliche beigelegt
worden, welches noch Lebenden gebühre, aber in diesen
anzuerkennen und zu belohnen dem Sinne des Kaisers
nicht genehm sei. Dem kundigen Neipperg gegenüber
hatte Berthier einen harten Stand, doch führte er seine
Sache gut, wußte immer neue Thatsachen und Gründe
anzuführen, und wie damals, ungeachtet der Vortheile
der Oesterreicher, der Sieg dennoch den Franzosen zufiel,
so blieb hier auch im Gespräch Berthier, ungeachtet der
Gegner gewiß größeres Recht hatte, im Vortheil. Als
darauf hingedeutet wurde, wie zweifelhaft noch ganz
zuletzt, da Desaix schon gefallen war, die Sachen gestan¬

gern verbindet. Mir hat er ſehr gefallen, und ich
konnte die Meinung, welche ſchon damals ihm alle
hoͤhere Faͤhigkeiten abſprechen wollte, gar nicht gelten
laſſen. Kraft, Sicherheit und Erfahrung ſprachen aus
ſeinem ernſten Geſicht, und was er ſagte, war lebendig
und klar. General Neipperg noͤthigte ihn zu einem
ziemlich ausfuͤhrlichen Geſpraͤch uͤber die Schlacht von
Marengo, und einige Einzelheiten derſelben wurden
eifrig durchgeſprochen. Berthier hatte dieſe Schlacht in
einer beſondern Druckſchrift geſchildert, aber mit großen
Irrthuͤmern, ſowohl in Verſchweigungen als in falſchen
Angaben, welche man faſt nur als abſichtliche anſpre¬
chen konnte, die Vorgaͤnge waren ſo geſtellt, wie die
ſpaͤtere Willensmeinung des Kaiſers ſie forderte; haupt¬
ſaͤchlich ging die Sage, dem in der Schlacht gebliebenen
General Deſaix ſei manches Verdienſtliche beigelegt
worden, welches noch Lebenden gebuͤhre, aber in dieſen
anzuerkennen und zu belohnen dem Sinne des Kaiſers
nicht genehm ſei. Dem kundigen Neipperg gegenuͤber
hatte Berthier einen harten Stand, doch fuͤhrte er ſeine
Sache gut, wußte immer neue Thatſachen und Gruͤnde
anzufuͤhren, und wie damals, ungeachtet der Vortheile
der Oeſterreicher, der Sieg dennoch den Franzoſen zufiel,
ſo blieb hier auch im Geſpraͤch Berthier, ungeachtet der
Gegner gewiß groͤßeres Recht hatte, im Vortheil. Als
darauf hingedeutet wurde, wie zweifelhaft noch ganz
zuletzt, da Deſaix ſchon gefallen war, die Sachen geſtan¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0307" n="293"/>
gern verbindet. Mir hat er &#x017F;ehr gefallen, und ich<lb/>
konnte die Meinung, welche &#x017F;chon damals ihm alle<lb/>
ho&#x0364;here Fa&#x0364;higkeiten ab&#x017F;prechen wollte, gar nicht gelten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Kraft, Sicherheit und Erfahrung &#x017F;prachen aus<lb/>
&#x017F;einem ern&#x017F;ten Ge&#x017F;icht, und was er &#x017F;agte, war lebendig<lb/>
und klar. General Neipperg no&#x0364;thigte ihn zu einem<lb/>
ziemlich ausfu&#x0364;hrlichen Ge&#x017F;pra&#x0364;ch u&#x0364;ber die Schlacht von<lb/>
Marengo, und einige Einzelheiten der&#x017F;elben wurden<lb/>
eifrig durchge&#x017F;prochen. Berthier hatte die&#x017F;e Schlacht in<lb/>
einer be&#x017F;ondern Druck&#x017F;chrift ge&#x017F;childert, aber mit großen<lb/>
Irrthu&#x0364;mern, &#x017F;owohl in Ver&#x017F;chweigungen als in fal&#x017F;chen<lb/>
Angaben, welche man fa&#x017F;t nur als ab&#x017F;ichtliche an&#x017F;pre¬<lb/>
chen konnte, die Vorga&#x0364;nge waren &#x017F;o ge&#x017F;tellt, wie die<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;tere Willensmeinung des Kai&#x017F;ers &#x017F;ie forderte; haupt¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich ging die Sage, dem in der Schlacht gebliebenen<lb/>
General De&#x017F;aix &#x017F;ei manches Verdien&#x017F;tliche beigelegt<lb/>
worden, welches noch Lebenden gebu&#x0364;hre, aber in die&#x017F;en<lb/>
anzuerkennen und zu belohnen dem Sinne des Kai&#x017F;ers<lb/>
nicht genehm &#x017F;ei. Dem kundigen Neipperg gegenu&#x0364;ber<lb/>
hatte Berthier einen harten Stand, doch fu&#x0364;hrte er &#x017F;eine<lb/>
Sache gut, wußte immer neue That&#x017F;achen und Gru&#x0364;nde<lb/>
anzufu&#x0364;hren, und wie damals, ungeachtet der Vortheile<lb/>
der Oe&#x017F;terreicher, der Sieg dennoch den Franzo&#x017F;en zufiel,<lb/>
&#x017F;o blieb hier auch im Ge&#x017F;pra&#x0364;ch Berthier, ungeachtet der<lb/>
Gegner gewiß gro&#x0364;ßeres Recht hatte, im Vortheil. Als<lb/>
darauf hingedeutet wurde, wie zweifelhaft noch ganz<lb/>
zuletzt, da De&#x017F;aix &#x017F;chon gefallen war, die Sachen ge&#x017F;tan¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0307] gern verbindet. Mir hat er ſehr gefallen, und ich konnte die Meinung, welche ſchon damals ihm alle hoͤhere Faͤhigkeiten abſprechen wollte, gar nicht gelten laſſen. Kraft, Sicherheit und Erfahrung ſprachen aus ſeinem ernſten Geſicht, und was er ſagte, war lebendig und klar. General Neipperg noͤthigte ihn zu einem ziemlich ausfuͤhrlichen Geſpraͤch uͤber die Schlacht von Marengo, und einige Einzelheiten derſelben wurden eifrig durchgeſprochen. Berthier hatte dieſe Schlacht in einer beſondern Druckſchrift geſchildert, aber mit großen Irrthuͤmern, ſowohl in Verſchweigungen als in falſchen Angaben, welche man faſt nur als abſichtliche anſpre¬ chen konnte, die Vorgaͤnge waren ſo geſtellt, wie die ſpaͤtere Willensmeinung des Kaiſers ſie forderte; haupt¬ ſaͤchlich ging die Sage, dem in der Schlacht gebliebenen General Deſaix ſei manches Verdienſtliche beigelegt worden, welches noch Lebenden gebuͤhre, aber in dieſen anzuerkennen und zu belohnen dem Sinne des Kaiſers nicht genehm ſei. Dem kundigen Neipperg gegenuͤber hatte Berthier einen harten Stand, doch fuͤhrte er ſeine Sache gut, wußte immer neue Thatſachen und Gruͤnde anzufuͤhren, und wie damals, ungeachtet der Vortheile der Oeſterreicher, der Sieg dennoch den Franzoſen zufiel, ſo blieb hier auch im Geſpraͤch Berthier, ungeachtet der Gegner gewiß groͤßeres Recht hatte, im Vortheil. Als darauf hingedeutet wurde, wie zweifelhaft noch ganz zuletzt, da Deſaix ſchon gefallen war, die Sachen geſtan¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/307
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/307>, abgerufen am 21.11.2024.