Dieser zugleich glänzenden und angenehmen Welt als österreichischer Offizier schon vollkommen angehörig, noch besonders aber durch günstige Bezüge und Umstände ihrem Innern vertraut geworden, durfte ich bald die glückliche Entdeckung machen, daß, ungeachtet der mit den Franzosen befreundeten Außenseite, in diesem gan¬ zen Kreise durchgängig eine wahrhaft deutsche Gesinnung lebe, ein unzweideutiger Widerwille gegen die neuge¬ knüpften Bande, ein festes Halten an dem Vaterländi¬ schen, daß man den Kaiser Napoleon noch immer als verhaßten Feind ansehe, und sich in dem Andenken an die vergangenen Waffenthaten mehr als in diesem Frie¬ densglanze gefalle, ja im voraus an der Aussicht auf künftig zu erneuernden Krieg schon jetzt sich labe. Diese Empfindungen nach Erfodern des politischen Verhältnis¬ ses zu verbergen, konnte nicht schwer fallen, da hier blos Formen zu erfüllen waren, an deren leichten Aus¬ tausch, sowie an die Unsicherheit ihres Inhalts, die Hof- und Staatswelt längst gewöhnt war, und Napo¬ leon nährte jenen Sinn fast gewaltsam, indem sein Verfahren es nicht hehl hatte, daß er auf die österrei¬ chische Verbindung zwar den höchsten Werth lege, sofern sie ihm schmeichle und ihn den Augen der Welt auf dem Gipfel der Größe zeige, daß er selbst aber dadurch in nichts gebunden, noch zu irgend einer Rücksicht bewo¬ gen sein wolle; und wirklich war er nur in den Formen minder schroff, in den Sachen aber nach wie vor hart
II. 17
Dieſer zugleich glaͤnzenden und angenehmen Welt als oͤſterreichiſcher Offizier ſchon vollkommen angehoͤrig, noch beſonders aber durch guͤnſtige Bezuͤge und Umſtaͤnde ihrem Innern vertraut geworden, durfte ich bald die gluͤckliche Entdeckung machen, daß, ungeachtet der mit den Franzoſen befreundeten Außenſeite, in dieſem gan¬ zen Kreiſe durchgaͤngig eine wahrhaft deutſche Geſinnung lebe, ein unzweideutiger Widerwille gegen die neuge¬ knuͤpften Bande, ein feſtes Halten an dem Vaterlaͤndi¬ ſchen, daß man den Kaiſer Napoleon noch immer als verhaßten Feind anſehe, und ſich in dem Andenken an die vergangenen Waffenthaten mehr als in dieſem Frie¬ densglanze gefalle, ja im voraus an der Ausſicht auf kuͤnftig zu erneuernden Krieg ſchon jetzt ſich labe. Dieſe Empfindungen nach Erfodern des politiſchen Verhaͤltniſ¬ ſes zu verbergen, konnte nicht ſchwer fallen, da hier blos Formen zu erfuͤllen waren, an deren leichten Aus¬ tauſch, ſowie an die Unſicherheit ihres Inhalts, die Hof- und Staatswelt laͤngſt gewoͤhnt war, und Napo¬ leon naͤhrte jenen Sinn faſt gewaltſam, indem ſein Verfahren es nicht hehl hatte, daß er auf die oͤſterrei¬ chiſche Verbindung zwar den hoͤchſten Werth lege, ſofern ſie ihm ſchmeichle und ihn den Augen der Welt auf dem Gipfel der Groͤße zeige, daß er ſelbſt aber dadurch in nichts gebunden, noch zu irgend einer Ruͤckſicht bewo¬ gen ſein wolle; und wirklich war er nur in den Formen minder ſchroff, in den Sachen aber nach wie vor hart
II. 17
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Dieſer zugleich glaͤnzenden und angenehmen Welt
als oͤſterreichiſcher Offizier ſchon vollkommen angehoͤrig,
noch beſonders aber durch guͤnſtige Bezuͤge und Umſtaͤnde
ihrem Innern vertraut geworden, durfte ich bald die
gluͤckliche Entdeckung machen, daß, ungeachtet der mit
den Franzoſen befreundeten Außenſeite, in dieſem gan¬
zen Kreiſe durchgaͤngig eine wahrhaft deutſche Geſinnung
lebe, ein unzweideutiger Widerwille gegen die neuge¬
knuͤpften Bande, ein feſtes Halten an dem Vaterlaͤndi¬
ſchen, daß man den Kaiſer Napoleon noch immer als
verhaßten Feind anſehe, und ſich in dem Andenken an
die vergangenen Waffenthaten mehr als in dieſem Frie¬
densglanze gefalle, ja im voraus an der Ausſicht auf
kuͤnftig zu erneuernden Krieg ſchon jetzt ſich labe. Dieſe
Empfindungen nach Erfodern des politiſchen Verhaͤltniſ¬
ſes zu verbergen, konnte nicht ſchwer fallen, da hier
blos Formen zu erfuͤllen waren, an deren leichten Aus¬
tauſch, ſowie an die Unſicherheit ihres Inhalts, die
Hof- und Staatswelt laͤngſt gewoͤhnt war, und Napo¬
leon naͤhrte jenen Sinn faſt gewaltſam, indem ſein
Verfahren es nicht hehl hatte, daß er auf die oͤſterrei¬
chiſche Verbindung zwar den hoͤchſten Werth lege, ſofern
ſie ihm ſchmeichle und ihn den Augen der Welt auf dem
Gipfel der Groͤße zeige, daß er ſelbſt aber dadurch in
nichts gebunden, noch zu irgend einer Ruͤckſicht bewo¬
gen ſein wolle; und wirklich war er nur in den Formen
minder ſchroff, in den Sachen aber nach wie vor hart
II. 17
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/271>, abgerufen am 25.11.2024.
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