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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

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ziehung der außerordentlichen Gebilde, welche zum Aus¬
tausche sich vor mir ausbreiteten. Mir war vergönnt,
in das reichste Leben zu blicken, wie nur der Mund
der Wahrheit und die Hand der Darstellung dasselbe
aus der nahen Vergangenheit herauf zu beschwören
vermochten. Das Leben war reich in seinen äußern
Verhältnissen, unendlich reicher aber durch seinen innern
Gehalt, dem jene sich gänzlich unterordneten. Prinz
Louis Ferdinand, der geniale, heldische Mensch, den
sein hoher Standpunkt leider mehr für seine Fehler,
als für seine großen und schönen Eigenschaften, begün¬
stigte, hatte hier seine reinsten Empfindungen, sein
innigstes Streben und Denken, seine edelsten Erhebungen,
im Genuß einer geistesregen gemüthvollen Freundschaft
genährt, einer Freundschaft, deren starkem Vertrauen
ebenso sein politisches Sinnen wie seine verliebte Leiden¬
schaft und jede Wendung des bedrängten Geistes und
Herzens sich erschließen durfte, des Antheils gewiß, wie
sonst nur die mitergriffene Neigung ihn hervorzubringen
pflegt. Männer, wie Gentz und Friedrich Schlegel
und beide Humboldt, waren diesem Kreise beeifert zu¬
gethan, bald um Blüthen und Früchte von daher zu
sammeln, bald um deren zu bringen, und immer ihren
besten Beifall hier zu finden. Graf Tilly, Gustav
von Brinckmann, Hans Genelli, von Burgsdorf, Major
von Gualtieri, Ludwig und Friedrich Tieck, Fürst von
Ligne, Graf Casa-Valencia, Fürst Reuß, Navarro, und

ziehung der außerordentlichen Gebilde, welche zum Aus¬
tauſche ſich vor mir ausbreiteten. Mir war vergoͤnnt,
in das reichſte Leben zu blicken, wie nur der Mund
der Wahrheit und die Hand der Darſtellung daſſelbe
aus der nahen Vergangenheit herauf zu beſchwoͤren
vermochten. Das Leben war reich in ſeinen aͤußern
Verhaͤltniſſen, unendlich reicher aber durch ſeinen innern
Gehalt, dem jene ſich gaͤnzlich unterordneten. Prinz
Louis Ferdinand, der geniale, heldiſche Menſch, den
ſein hoher Standpunkt leider mehr fuͤr ſeine Fehler,
als fuͤr ſeine großen und ſchoͤnen Eigenſchaften, beguͤn¬
ſtigte, hatte hier ſeine reinſten Empfindungen, ſein
innigſtes Streben und Denken, ſeine edelſten Erhebungen,
im Genuß einer geiſtesregen gemuͤthvollen Freundſchaft
genaͤhrt, einer Freundſchaft, deren ſtarkem Vertrauen
ebenſo ſein politiſches Sinnen wie ſeine verliebte Leiden¬
ſchaft und jede Wendung des bedraͤngten Geiſtes und
Herzens ſich erſchließen durfte, des Antheils gewiß, wie
ſonſt nur die mitergriffene Neigung ihn hervorzubringen
pflegt. Maͤnner, wie Gentz und Friedrich Schlegel
und beide Humboldt, waren dieſem Kreiſe beeifert zu¬
gethan, bald um Bluͤthen und Fruͤchte von daher zu
ſammeln, bald um deren zu bringen, und immer ihren
beſten Beifall hier zu finden. Graf Tilly, Guſtav
von Brinckmann, Hans Genelli, von Burgsdorf, Major
von Gualtieri, Ludwig und Friedrich Tieck, Fuͤrſt von
Ligne, Graf Caſa-Valencia, Fuͤrſt Reuß, Navarro, und

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[166/0180] ziehung der außerordentlichen Gebilde, welche zum Aus¬ tauſche ſich vor mir ausbreiteten. Mir war vergoͤnnt, in das reichſte Leben zu blicken, wie nur der Mund der Wahrheit und die Hand der Darſtellung daſſelbe aus der nahen Vergangenheit herauf zu beſchwoͤren vermochten. Das Leben war reich in ſeinen aͤußern Verhaͤltniſſen, unendlich reicher aber durch ſeinen innern Gehalt, dem jene ſich gaͤnzlich unterordneten. Prinz Louis Ferdinand, der geniale, heldiſche Menſch, den ſein hoher Standpunkt leider mehr fuͤr ſeine Fehler, als fuͤr ſeine großen und ſchoͤnen Eigenſchaften, beguͤn¬ ſtigte, hatte hier ſeine reinſten Empfindungen, ſein innigſtes Streben und Denken, ſeine edelſten Erhebungen, im Genuß einer geiſtesregen gemuͤthvollen Freundſchaft genaͤhrt, einer Freundſchaft, deren ſtarkem Vertrauen ebenſo ſein politiſches Sinnen wie ſeine verliebte Leiden¬ ſchaft und jede Wendung des bedraͤngten Geiſtes und Herzens ſich erſchließen durfte, des Antheils gewiß, wie ſonſt nur die mitergriffene Neigung ihn hervorzubringen pflegt. Maͤnner, wie Gentz und Friedrich Schlegel und beide Humboldt, waren dieſem Kreiſe beeifert zu¬ gethan, bald um Bluͤthen und Fruͤchte von daher zu ſammeln, bald um deren zu bringen, und immer ihren beſten Beifall hier zu finden. Graf Tilly, Guſtav von Brinckmann, Hans Genelli, von Burgsdorf, Major von Gualtieri, Ludwig und Friedrich Tieck, Fuͤrſt von Ligne, Graf Caſa-Valencia, Fuͤrſt Reuß, Navarro, und

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/180>, abgerufen am 28.04.2024.