von mystisch sein sollender Tändelei gesellt, wie solche wohl auf der untersten Stufe katholischer Bildung grob¬ sinnig dargeboten wird. Dies Beiwerk war ihm eigentlich die Hauptsache, die er nur noch nicht einge¬ stehen wollte, auf dem Theater aber galt vorzüglich die Rolle Luthers, oder vielmehr in ihr Iffland, der sie mit Meisterschaft darstellte. Jetzt kam er mit dem Manuscript nach Halle, und da hier keine theatralische Aufführung möglich war, so las er das ganze Stück gegen ein mäßiges Eintrittsgeld öffentlich vor. Alles war neugierig und drängte sich heran. Iffland las vortrefflich, und ärntete besonders in seiner eignen Rolle, die er aus dem Gedächtnisse hersagen konnte, und größtentheils wirklich spielte, lauten Beifall. Diesen Beifall auch dem Stücke selber anzueignen, waren im Anfang manche Stimmen sehr bemüht; Reichardt, der bei neuen Dingen stets voran war, und seine Unter¬ stützung seinem preußischen Landsmanne Werner, Iff¬ landen, und dem ganzen Vorgange schuldig glaubte, drängte sich umher, und munterte zur Bewunderung auf; Madame Elise Bürger, die eigends wegen dieser Vorlesung nach Halle gekommen war, sprach ihr Ent¬ zücken mit dem Nachdruck einer Kunstverwandten aus, welche sich nicht scheute, in solcher Versammlung ziemlich laut zu reden, da sie schon gewohnt war als Haupt¬ person selber einem ähnlichen Zuhörervolke muthig da¬ zustehen. Dergleichen Fürsprache und Bemühen gab
von myſtiſch ſein ſollender Taͤndelei geſellt, wie ſolche wohl auf der unterſten Stufe katholiſcher Bildung grob¬ ſinnig dargeboten wird. Dies Beiwerk war ihm eigentlich die Hauptſache, die er nur noch nicht einge¬ ſtehen wollte, auf dem Theater aber galt vorzuͤglich die Rolle Luthers, oder vielmehr in ihr Iffland, der ſie mit Meiſterſchaft darſtellte. Jetzt kam er mit dem Manuſcript nach Halle, und da hier keine theatraliſche Auffuͤhrung moͤglich war, ſo las er das ganze Stuͤck gegen ein maͤßiges Eintrittsgeld oͤffentlich vor. Alles war neugierig und draͤngte ſich heran. Iffland las vortrefflich, und aͤrntete beſonders in ſeiner eignen Rolle, die er aus dem Gedaͤchtniſſe herſagen konnte, und groͤßtentheils wirklich ſpielte, lauten Beifall. Dieſen Beifall auch dem Stuͤcke ſelber anzueignen, waren im Anfang manche Stimmen ſehr bemuͤht; Reichardt, der bei neuen Dingen ſtets voran war, und ſeine Unter¬ ſtuͤtzung ſeinem preußiſchen Landsmanne Werner, Iff¬ landen, und dem ganzen Vorgange ſchuldig glaubte, draͤngte ſich umher, und munterte zur Bewunderung auf; Madame Eliſe Buͤrger, die eigends wegen dieſer Vorleſung nach Halle gekommen war, ſprach ihr Ent¬ zuͤcken mit dem Nachdruck einer Kunſtverwandten aus, welche ſich nicht ſcheute, in ſolcher Verſammlung ziemlich laut zu reden, da ſie ſchon gewohnt war als Haupt¬ perſon ſelber einem aͤhnlichen Zuhoͤrervolke muthig da¬ zuſtehen. Dergleichen Fuͤrſprache und Bemuͤhen gab
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0133"n="119"/>
von myſtiſch ſein ſollender Taͤndelei geſellt, wie ſolche<lb/>
wohl auf der unterſten Stufe katholiſcher Bildung grob¬<lb/>ſinnig dargeboten wird. Dies Beiwerk war ihm<lb/>
eigentlich die Hauptſache, die er nur noch nicht einge¬<lb/>ſtehen wollte, auf dem Theater aber galt vorzuͤglich<lb/>
die Rolle Luthers, oder vielmehr in ihr Iffland, der<lb/>ſie mit Meiſterſchaft darſtellte. Jetzt kam er mit dem<lb/>
Manuſcript nach Halle, und da hier keine theatraliſche<lb/>
Auffuͤhrung moͤglich war, ſo las er das ganze Stuͤck<lb/>
gegen ein maͤßiges Eintrittsgeld oͤffentlich vor. Alles<lb/>
war neugierig und draͤngte ſich heran. Iffland las<lb/>
vortrefflich, und aͤrntete beſonders in ſeiner eignen<lb/>
Rolle, die er aus dem Gedaͤchtniſſe herſagen konnte,<lb/>
und groͤßtentheils wirklich ſpielte, lauten Beifall. Dieſen<lb/>
Beifall auch dem Stuͤcke ſelber anzueignen, waren im<lb/>
Anfang manche Stimmen ſehr bemuͤht; Reichardt, der<lb/>
bei neuen Dingen ſtets voran war, und ſeine Unter¬<lb/>ſtuͤtzung ſeinem preußiſchen Landsmanne Werner, Iff¬<lb/>
landen, und dem ganzen Vorgange ſchuldig glaubte,<lb/>
draͤngte ſich umher, und munterte zur Bewunderung<lb/>
auf; Madame Eliſe Buͤrger, die eigends wegen dieſer<lb/>
Vorleſung nach Halle gekommen war, ſprach ihr Ent¬<lb/>
zuͤcken mit dem Nachdruck einer Kunſtverwandten aus,<lb/>
welche ſich nicht ſcheute, in ſolcher Verſammlung ziemlich<lb/>
laut zu reden, da ſie ſchon gewohnt war als Haupt¬<lb/>
perſon ſelber einem aͤhnlichen Zuhoͤrervolke muthig da¬<lb/>
zuſtehen. Dergleichen Fuͤrſprache und Bemuͤhen gab<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[119/0133]
von myſtiſch ſein ſollender Taͤndelei geſellt, wie ſolche
wohl auf der unterſten Stufe katholiſcher Bildung grob¬
ſinnig dargeboten wird. Dies Beiwerk war ihm
eigentlich die Hauptſache, die er nur noch nicht einge¬
ſtehen wollte, auf dem Theater aber galt vorzuͤglich
die Rolle Luthers, oder vielmehr in ihr Iffland, der
ſie mit Meiſterſchaft darſtellte. Jetzt kam er mit dem
Manuſcript nach Halle, und da hier keine theatraliſche
Auffuͤhrung moͤglich war, ſo las er das ganze Stuͤck
gegen ein maͤßiges Eintrittsgeld oͤffentlich vor. Alles
war neugierig und draͤngte ſich heran. Iffland las
vortrefflich, und aͤrntete beſonders in ſeiner eignen
Rolle, die er aus dem Gedaͤchtniſſe herſagen konnte,
und groͤßtentheils wirklich ſpielte, lauten Beifall. Dieſen
Beifall auch dem Stuͤcke ſelber anzueignen, waren im
Anfang manche Stimmen ſehr bemuͤht; Reichardt, der
bei neuen Dingen ſtets voran war, und ſeine Unter¬
ſtuͤtzung ſeinem preußiſchen Landsmanne Werner, Iff¬
landen, und dem ganzen Vorgange ſchuldig glaubte,
draͤngte ſich umher, und munterte zur Bewunderung
auf; Madame Eliſe Buͤrger, die eigends wegen dieſer
Vorleſung nach Halle gekommen war, ſprach ihr Ent¬
zuͤcken mit dem Nachdruck einer Kunſtverwandten aus,
welche ſich nicht ſcheute, in ſolcher Verſammlung ziemlich
laut zu reden, da ſie ſchon gewohnt war als Haupt¬
perſon ſelber einem aͤhnlichen Zuhoͤrervolke muthig da¬
zuſtehen. Dergleichen Fuͤrſprache und Bemuͤhen gab
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/133>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.