hatte den freundlichsten Sinn zu herzlichster Erwiederung aufgefordert, und ich sah mich auf den besten Fuß zu dem ansehnlichen jungen Mann gestellt. Gleichwohl ent¬ stand keine eigentliche Vertraulichkeit, und sowohl das Reichardt'sche Wesen, als auch unsre sehr abweichenden Beschäftigungen, hielten uns auseinander. Eine zweite ausgezeichnete Erscheinung war Karl von Raumer, der Freund Koreff's, und auch schon unser Genosse durch seine Almanachsbeiträge. Von mittlerer Gestalt, leicht und beweglich in Gliedern und Sinn, verband auch er Heiterkeit und Ernst in seinem jugendlichen Wesen, das neben kräftigem Uebermuth auch zarte Schwärmerei durch¬ blicken ließ. Er hatte mit beflügeltem Geiste die Kun¬ den der Natur und der Geschichte ausgebeutet, und alles Wissen zu den glänzendsten Ideen verarbeitet, die er reich gebildet und sanft in jeder Mittheilung lebhaft darbot. Steffens war mit ihm in traulicher Freund¬ schaft, Schleiermacher aber, der sich mit dem Jünglinge Du nannte, zeigte fast verehrende Liebe für ihn, und nahm seine nur oft flüchtigen Aeußerungen wie goldne Sprüche eines Begeisterten auf. Auch Raumer eilte uns mit Herzlichkeit zu empfangen, sprach mir von sei¬ nen großen Studien zur Begründung philosophischer Geschichtseinsicht, die nach Maßgabe der noch sehr dürf¬ tigen Mittel schon geradezu auf Indien und auf das Sanskrit losdrangen, nnd zeigte mir in seinen Auszü¬ gen und Sammlungen Früchte eines erstaunlichen Fleißes,
hatte den freundlichſten Sinn zu herzlichſter Erwiederung aufgefordert, und ich ſah mich auf den beſten Fuß zu dem anſehnlichen jungen Mann geſtellt. Gleichwohl ent¬ ſtand keine eigentliche Vertraulichkeit, und ſowohl das Reichardt'ſche Weſen, als auch unſre ſehr abweichenden Beſchaͤftigungen, hielten uns auseinander. Eine zweite ausgezeichnete Erſcheinung war Karl von Raumer, der Freund Koreff's, und auch ſchon unſer Genoſſe durch ſeine Almanachsbeitraͤge. Von mittlerer Geſtalt, leicht und beweglich in Gliedern und Sinn, verband auch er Heiterkeit und Ernſt in ſeinem jugendlichen Weſen, das neben kraͤftigem Uebermuth auch zarte Schwaͤrmerei durch¬ blicken ließ. Er hatte mit befluͤgeltem Geiſte die Kun¬ den der Natur und der Geſchichte ausgebeutet, und alles Wiſſen zu den glaͤnzendſten Ideen verarbeitet, die er reich gebildet und ſanft in jeder Mittheilung lebhaft darbot. Steffens war mit ihm in traulicher Freund¬ ſchaft, Schleiermacher aber, der ſich mit dem Juͤnglinge Du nannte, zeigte faſt verehrende Liebe fuͤr ihn, und nahm ſeine nur oft fluͤchtigen Aeußerungen wie goldne Spruͤche eines Begeiſterten auf. Auch Raumer eilte uns mit Herzlichkeit zu empfangen, ſprach mir von ſei¬ nen großen Studien zur Begruͤndung philoſophiſcher Geſchichtseinſicht, die nach Maßgabe der noch ſehr duͤrf¬ tigen Mittel ſchon geradezu auf Indien und auf das Sanskrit losdrangen, nnd zeigte mir in ſeinen Auszuͤ¬ gen und Sammlungen Fruͤchte eines erſtaunlichen Fleißes,
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hatte den freundlichſten Sinn zu herzlichſter Erwiederung
aufgefordert, und ich ſah mich auf den beſten Fuß zu
dem anſehnlichen jungen Mann geſtellt. Gleichwohl ent¬
ſtand keine eigentliche Vertraulichkeit, und ſowohl das
Reichardt'ſche Weſen, als auch unſre ſehr abweichenden
Beſchaͤftigungen, hielten uns auseinander. Eine zweite
ausgezeichnete Erſcheinung war Karl von Raumer, der
Freund Koreff's, und auch ſchon unſer Genoſſe durch
ſeine Almanachsbeitraͤge. Von mittlerer Geſtalt, leicht
und beweglich in Gliedern und Sinn, verband auch er
Heiterkeit und Ernſt in ſeinem jugendlichen Weſen, das
neben kraͤftigem Uebermuth auch zarte Schwaͤrmerei durch¬
blicken ließ. Er hatte mit befluͤgeltem Geiſte die Kun¬
den der Natur und der Geſchichte ausgebeutet, und
alles Wiſſen zu den glaͤnzendſten Ideen verarbeitet, die
er reich gebildet und ſanft in jeder Mittheilung lebhaft
darbot. Steffens war mit ihm in traulicher Freund¬
ſchaft, Schleiermacher aber, der ſich mit dem Juͤnglinge
Du nannte, zeigte faſt verehrende Liebe fuͤr ihn, und
nahm ſeine nur oft fluͤchtigen Aeußerungen wie goldne
Spruͤche eines Begeiſterten auf. Auch Raumer eilte
uns mit Herzlichkeit zu empfangen, ſprach mir von ſei¬
nen großen Studien zur Begruͤndung philoſophiſcher
Geſchichtseinſicht, die nach Maßgabe der noch ſehr duͤrf¬
tigen Mittel ſchon geradezu auf Indien und auf das
Sanskrit losdrangen, nnd zeigte mir in ſeinen Auszuͤ¬
gen und Sammlungen Fruͤchte eines erſtaunlichen Fleißes,
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/120>, abgerufen am 22.11.2024.
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