Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Witzeleien, die geistreich und unerschöpflich aus ihm her¬
vorgingen, wären schon damals kaum zu behalten ge¬
wesen, geschweige denn jetzt wiederzugeben. Als Hoff¬
bauer endlich mit Flaschen beladen taumelnd emporstieg,
wandte sich die Verhöhnung auch gegen ihn, seinen köst¬
lichsten und theuersten Wein fand man bei weitem nicht
gut genug, ja ganz abscheulich, und Wolf, der unge¬
achtet der lustigen Stimmung sich durchaus nicht betrinken
wollte, wußte alles Aufnöthigen des beeiferten Wirthes,
der grad jenes zu bewirken wünschte, durch das einfache
Hülfsmittel zu täuschen und zu vereiteln, daß er die
erneuten vollen Gläser stets willig annahm, aber jedes¬
mal vor unsern Augen den Inhalt hinterrücks ausgoß;
indem er laut versicherte, es fehle an Feuchtigkeit, die
Pflanzen verdorrten und müßten begossen werden. Ich
deute natürlich nur den äußerlichen Umriß dieser Sachen
an, die geistige Belebung derselben mag sich jeder nach
dem Bilde hinzudenken, welches er von Wolfs aufge¬
regtem und völlig freigelassenen Genius zu fassen im
Stande ist. Aber auch Bernhardi's muntere Gesellig¬
keit muß dabei in Anschlag kommen, so wie der liebens¬
würdige Eifer des tauben Hoffbauer, der schon des Zu¬
standes genoß, in welchen die Andern gleichfalls zu
versetzen er weder Kosten noch Bemühen sparte. Mir
wenigstens blieb dieser Abend als Maßstab und Bei¬
spiel für so manches dieser Art, was erlebt oder berich¬
tet wird, zum steten Rückblick unzerstörbar im Andenken.

Witzeleien, die geiſtreich und unerſchoͤpflich aus ihm her¬
vorgingen, waͤren ſchon damals kaum zu behalten ge¬
weſen, geſchweige denn jetzt wiederzugeben. Als Hoff¬
bauer endlich mit Flaſchen beladen taumelnd emporſtieg,
wandte ſich die Verhoͤhnung auch gegen ihn, ſeinen koͤſt¬
lichſten und theuerſten Wein fand man bei weitem nicht
gut genug, ja ganz abſcheulich, und Wolf, der unge¬
achtet der luſtigen Stimmung ſich durchaus nicht betrinken
wollte, wußte alles Aufnoͤthigen des beeiferten Wirthes,
der grad jenes zu bewirken wuͤnſchte, durch das einfache
Huͤlfsmittel zu taͤuſchen und zu vereiteln, daß er die
erneuten vollen Glaͤſer ſtets willig annahm, aber jedes¬
mal vor unſern Augen den Inhalt hinterruͤcks ausgoß;
indem er laut verſicherte, es fehle an Feuchtigkeit, die
Pflanzen verdorrten und muͤßten begoſſen werden. Ich
deute natuͤrlich nur den aͤußerlichen Umriß dieſer Sachen
an, die geiſtige Belebung derſelben mag ſich jeder nach
dem Bilde hinzudenken, welches er von Wolfs aufge¬
regtem und voͤllig freigelaſſenen Genius zu faſſen im
Stande iſt. Aber auch Bernhardi’s muntere Geſellig¬
keit muß dabei in Anſchlag kommen, ſo wie der liebens¬
wuͤrdige Eifer des tauben Hoffbauer, der ſchon des Zu¬
ſtandes genoß, in welchen die Andern gleichfalls zu
verſetzen er weder Koſten noch Bemuͤhen ſparte. Mir
wenigſtens blieb dieſer Abend als Maßſtab und Bei¬
ſpiel fuͤr ſo manches dieſer Art, was erlebt oder berich¬
tet wird, zum ſteten Ruͤckblick unzerſtoͤrbar im Andenken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="104"/>
Witzeleien, die gei&#x017F;treich und uner&#x017F;cho&#x0364;pflich aus ihm her¬<lb/>
vorgingen, wa&#x0364;ren &#x017F;chon damals kaum zu behalten ge¬<lb/>
we&#x017F;en, ge&#x017F;chweige denn jetzt wiederzugeben. Als Hoff¬<lb/>
bauer endlich mit Fla&#x017F;chen beladen taumelnd empor&#x017F;tieg,<lb/>
wandte &#x017F;ich die Verho&#x0364;hnung auch gegen ihn, &#x017F;einen ko&#x0364;&#x017F;<lb/>
lich&#x017F;ten und theuer&#x017F;ten Wein fand man bei weitem nicht<lb/>
gut genug, ja ganz ab&#x017F;cheulich, und Wolf, der unge¬<lb/>
achtet der lu&#x017F;tigen Stimmung &#x017F;ich durchaus nicht betrinken<lb/>
wollte, wußte alles Aufno&#x0364;thigen des beeiferten Wirthes,<lb/>
der grad jenes zu bewirken wu&#x0364;n&#x017F;chte, durch das einfache<lb/>
Hu&#x0364;lfsmittel zu ta&#x0364;u&#x017F;chen und zu vereiteln, daß er die<lb/>
erneuten vollen Gla&#x0364;&#x017F;er &#x017F;tets willig annahm, aber jedes¬<lb/>
mal vor un&#x017F;ern Augen den Inhalt hinterru&#x0364;cks ausgoß;<lb/>
indem er laut ver&#x017F;icherte, es fehle an Feuchtigkeit, die<lb/>
Pflanzen verdorrten und mu&#x0364;ßten bego&#x017F;&#x017F;en werden. Ich<lb/>
deute natu&#x0364;rlich nur den a&#x0364;ußerlichen Umriß die&#x017F;er Sachen<lb/>
an, die gei&#x017F;tige Belebung der&#x017F;elben mag &#x017F;ich jeder nach<lb/>
dem Bilde hinzudenken, welches er von Wolfs aufge¬<lb/>
regtem und vo&#x0364;llig freigela&#x017F;&#x017F;enen Genius zu fa&#x017F;&#x017F;en im<lb/>
Stande i&#x017F;t. Aber auch Bernhardi&#x2019;s muntere Ge&#x017F;ellig¬<lb/>
keit muß dabei in An&#x017F;chlag kommen, &#x017F;o wie der liebens¬<lb/>
wu&#x0364;rdige Eifer des tauben Hoffbauer, der &#x017F;chon des Zu¬<lb/>
&#x017F;tandes genoß, in welchen die Andern gleichfalls zu<lb/>
ver&#x017F;etzen er weder Ko&#x017F;ten noch Bemu&#x0364;hen &#x017F;parte. Mir<lb/>
wenig&#x017F;tens blieb die&#x017F;er Abend als Maß&#x017F;tab und Bei¬<lb/>
&#x017F;piel fu&#x0364;r &#x017F;o manches die&#x017F;er Art, was erlebt oder berich¬<lb/>
tet wird, zum &#x017F;teten Ru&#x0364;ckblick unzer&#x017F;to&#x0364;rbar im Andenken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0118] Witzeleien, die geiſtreich und unerſchoͤpflich aus ihm her¬ vorgingen, waͤren ſchon damals kaum zu behalten ge¬ weſen, geſchweige denn jetzt wiederzugeben. Als Hoff¬ bauer endlich mit Flaſchen beladen taumelnd emporſtieg, wandte ſich die Verhoͤhnung auch gegen ihn, ſeinen koͤſt¬ lichſten und theuerſten Wein fand man bei weitem nicht gut genug, ja ganz abſcheulich, und Wolf, der unge¬ achtet der luſtigen Stimmung ſich durchaus nicht betrinken wollte, wußte alles Aufnoͤthigen des beeiferten Wirthes, der grad jenes zu bewirken wuͤnſchte, durch das einfache Huͤlfsmittel zu taͤuſchen und zu vereiteln, daß er die erneuten vollen Glaͤſer ſtets willig annahm, aber jedes¬ mal vor unſern Augen den Inhalt hinterruͤcks ausgoß; indem er laut verſicherte, es fehle an Feuchtigkeit, die Pflanzen verdorrten und muͤßten begoſſen werden. Ich deute natuͤrlich nur den aͤußerlichen Umriß dieſer Sachen an, die geiſtige Belebung derſelben mag ſich jeder nach dem Bilde hinzudenken, welches er von Wolfs aufge¬ regtem und voͤllig freigelaſſenen Genius zu faſſen im Stande iſt. Aber auch Bernhardi’s muntere Geſellig¬ keit muß dabei in Anſchlag kommen, ſo wie der liebens¬ wuͤrdige Eifer des tauben Hoffbauer, der ſchon des Zu¬ ſtandes genoß, in welchen die Andern gleichfalls zu verſetzen er weder Koſten noch Bemuͤhen ſparte. Mir wenigſtens blieb dieſer Abend als Maßſtab und Bei¬ ſpiel fuͤr ſo manches dieſer Art, was erlebt oder berich¬ tet wird, zum ſteten Ruͤckblick unzerſtoͤrbar im Andenken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/118
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/118>, abgerufen am 22.11.2024.