vorbereitet hatte; seine herzliche Achtung für Gurlitt that uns wohl, über Bernhardi und Nolte hatten wir auch nur Erwünschtes zu vernehmen, und als wir nicht ohne Absicht uns rühmten, von letzterem auch an Nie¬ meyer empfohlen zu fein, der uns längst als Zielscheibe der scharfen und neckenden Pfeile des fernhintreffenden Helden bekannt war, hatten wir uns des heitersten Scherzes zu freuen, der höchst anmuthig den Gegen¬ stand gleichsam durch die Finger gleiten ließ, ohne ihn halten zu wollen, noch geradezu wegzuwerfen. Später fand ich bei Niemeyer denn doch einen wohlmeinenden Sinn, der an seiner Stelle viel Gutes gewirkt haben mag, aber freilich im Wissenschaftlichen einer eitlen Mittelmäßigkeit fröhnte, die sich auch im Geselligen nicht verläugnen konnte, und mich, ungeachtet der eifrigsten Einladungen, nur abschreckte, ihn und sein Haus öfters zu besuchen.
Von Hamburg her war ich dem Kapellmeister Rei¬ chardt empfohlen, der in Gibichenstein mit zahlreicher Familie ein eignes Haus bewohnte und einen schönen Garten mit glücklichen Anlagen und Pflanzungen hügelauf erweiterte. Kunstübend und gastfrei, dabei litterarisch und nach Umständen politisch vielfältig, mit Gelehrten und Vornehmen weit und breit verbunden oder bekannt, führte Reichardt in Halle gleichsam das Ansehn und Wort des gebildeten Weltmanns, und wenn auch seine vermittelnde und beschützende Vornehmheit heimlich
vorbereitet hatte; ſeine herzliche Achtung fuͤr Gurlitt that uns wohl, uͤber Bernhardi und Nolte hatten wir auch nur Erwuͤnſchtes zu vernehmen, und als wir nicht ohne Abſicht uns ruͤhmten, von letzterem auch an Nie¬ meyer empfohlen zu fein, der uns laͤngſt als Zielſcheibe der ſcharfen und neckenden Pfeile des fernhintreffenden Helden bekannt war, hatten wir uns des heiterſten Scherzes zu freuen, der hoͤchſt anmuthig den Gegen¬ ſtand gleichſam durch die Finger gleiten ließ, ohne ihn halten zu wollen, noch geradezu wegzuwerfen. Spaͤter fand ich bei Niemeyer denn doch einen wohlmeinenden Sinn, der an ſeiner Stelle viel Gutes gewirkt haben mag, aber freilich im Wiſſenſchaftlichen einer eitlen Mittelmaͤßigkeit froͤhnte, die ſich auch im Geſelligen nicht verlaͤugnen konnte, und mich, ungeachtet der eifrigſten Einladungen, nur abſchreckte, ihn und ſein Haus oͤfters zu beſuchen.
Von Hamburg her war ich dem Kapellmeiſter Rei¬ chardt empfohlen, der in Gibichenſtein mit zahlreicher Familie ein eignes Haus bewohnte und einen ſchoͤnen Garten mit gluͤcklichen Anlagen und Pflanzungen huͤgelauf erweiterte. Kunſtuͤbend und gaſtfrei, dabei litterariſch und nach Umſtaͤnden politiſch vielfaͤltig, mit Gelehrten und Vornehmen weit und breit verbunden oder bekannt, fuͤhrte Reichardt in Halle gleichſam das Anſehn und Wort des gebildeten Weltmanns, und wenn auch ſeine vermittelnde und beſchuͤtzende Vornehmheit heimlich
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vorbereitet hatte; ſeine herzliche Achtung fuͤr Gurlitt
that uns wohl, uͤber Bernhardi und Nolte hatten wir
auch nur Erwuͤnſchtes zu vernehmen, und als wir nicht
ohne Abſicht uns ruͤhmten, von letzterem auch an Nie¬
meyer empfohlen zu fein, der uns laͤngſt als Zielſcheibe
der ſcharfen und neckenden Pfeile des fernhintreffenden
Helden bekannt war, hatten wir uns des heiterſten
Scherzes zu freuen, der hoͤchſt anmuthig den Gegen¬
ſtand gleichſam durch die Finger gleiten ließ, ohne ihn
halten zu wollen, noch geradezu wegzuwerfen. Spaͤter
fand ich bei Niemeyer denn doch einen wohlmeinenden
Sinn, der an ſeiner Stelle viel Gutes gewirkt haben
mag, aber freilich im Wiſſenſchaftlichen einer eitlen
Mittelmaͤßigkeit froͤhnte, die ſich auch im Geſelligen nicht
verlaͤugnen konnte, und mich, ungeachtet der eifrigſten
Einladungen, nur abſchreckte, ihn und ſein Haus oͤfters
zu beſuchen.
Von Hamburg her war ich dem Kapellmeiſter Rei¬
chardt empfohlen, der in Gibichenſtein mit zahlreicher
Familie ein eignes Haus bewohnte und einen ſchoͤnen
Garten mit gluͤcklichen Anlagen und Pflanzungen huͤgelauf
erweiterte. Kunſtuͤbend und gaſtfrei, dabei litterariſch
und nach Umſtaͤnden politiſch vielfaͤltig, mit Gelehrten
und Vornehmen weit und breit verbunden oder bekannt,
fuͤhrte Reichardt in Halle gleichſam das Anſehn und
Wort des gebildeten Weltmanns, und wenn auch ſeine
vermittelnde und beſchuͤtzende Vornehmheit heimlich
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 2. Mannheim, 1837, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten02_1837/105>, abgerufen am 22.11.2024.
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