Sie suchte mir nützlich zu sein, und machte mir verschiedene Bekanntschaften. Unter andern die eines gewissen Herrn Lox, eines reichen Güterbesitzers, eines Mannes voll Geist und Kennt¬ niß, welcher seiner schwächlichen Gesundheit halber von allen öffentlichen Geschäften entfernt, zwanzig englische Meilen von London auf einem Gute, das Norbury heißt, sich selbst und sei¬ ner Familie lebt. Er ist allgemein geschätzt, und hat zwei er¬ wachsene Söhn' und zwei Töchter, wovon die jüngste Emilie heißt. Ich hatt' ihn hier anführen wollen, weil er in einer Fortsetzung dieser Geschichte wieder vorkommen dürfte.
Sie lehrte mich auch den berühmten Grafen de Lally-To¬ lendal und eine gewisse Prinzessin von d'Henin kennen. Beide aus Frankreich, aber die jetzt in England leben.
Ungefähr nach sechs Wochen verließ Madam de Stael Eng¬ land. Ich habe seitdem wieder einen Brief von ihr erhalten. Narbonne betrug sich während ihrer Anwesenheit und auch nach¬ her so äußerst freundschaftlich, daß wir vollkommen gut zusam¬ men geworden sind. Ich habe sogar in einer kleinen Verlegenheit einmal Geld von ihm gefordert, welches ihn entzückt hat. -- Er ist nicht bös, aber so äußerst leichtsinnig, daß er seine Stael selbst vergessen könnte. Ueberdies gewohnt, viel Einfluß zu ha¬ ben, großmüthig, verschwenderisch zu sein, und alles zu können, war ihm nicht ganz wohl in England, wo er nichts konnte, und er hatte mir zu mancherlei versprochen, um mich nicht zu meiden. Ich hatt' ihn überdies gleich anfangs in Verlegenheit gesetzt, indem er mir nicht genugzuthun wußte. Auch konnt' er mir nicht genugthun, denn ich wollte Herzlichkeit, und das ist gerade das Einzige, was er nicht hat. --
Tolendal und d'Henin fingen an, sich für mich zu interes¬ siren. Die letztere, eine Dame von vierzig Jahren, eine nahe Verwandte und vertraute Freundin von Lafayette, ist was man
Sie ſuchte mir nuͤtzlich zu ſein, und machte mir verſchiedene Bekanntſchaften. Unter andern die eines gewiſſen Herrn Lox, eines reichen Guͤterbeſitzers, eines Mannes voll Geiſt und Kennt¬ niß, welcher ſeiner ſchwaͤchlichen Geſundheit halber von allen oͤffentlichen Geſchaͤften entfernt, zwanzig engliſche Meilen von London auf einem Gute, das Norbury heißt, ſich ſelbſt und ſei¬ ner Familie lebt. Er iſt allgemein geſchaͤtzt, und hat zwei er¬ wachſene Soͤhn' und zwei Toͤchter, wovon die juͤngſte Emilie heißt. Ich hatt' ihn hier anfuͤhren wollen, weil er in einer Fortſetzung dieſer Geſchichte wieder vorkommen duͤrfte.
Sie lehrte mich auch den beruͤhmten Grafen de Lally-To¬ lendal und eine gewiſſe Prinzeſſin von d'Hénin kennen. Beide aus Frankreich, aber die jetzt in England leben.
Ungefaͤhr nach ſechs Wochen verließ Madam de Staël Eng¬ land. Ich habe ſeitdem wieder einen Brief von ihr erhalten. Narbonne betrug ſich waͤhrend ihrer Anweſenheit und auch nach¬ her ſo aͤußerſt freundſchaftlich, daß wir vollkommen gut zuſam¬ men geworden ſind. Ich habe ſogar in einer kleinen Verlegenheit einmal Geld von ihm gefordert, welches ihn entzuͤckt hat. — Er iſt nicht boͤs, aber ſo aͤußerſt leichtſinnig, daß er ſeine Staël ſelbſt vergeſſen koͤnnte. Ueberdies gewohnt, viel Einfluß zu ha¬ ben, großmuͤthig, verſchwenderiſch zu ſein, und alles zu koͤnnen, war ihm nicht ganz wohl in England, wo er nichts konnte, und er hatte mir zu mancherlei verſprochen, um mich nicht zu meiden. Ich hatt' ihn uͤberdies gleich anfangs in Verlegenheit geſetzt, indem er mir nicht genugzuthun wußte. Auch konnt' er mir nicht genugthun, denn ich wollte Herzlichkeit, und das iſt gerade das Einzige, was er nicht hat. —
Tolendal und d'Hénin fingen an, ſich fuͤr mich zu intereſ¬ ſiren. Die letztere, eine Dame von vierzig Jahren, eine nahe Verwandte und vertraute Freundin von Lafayette, iſt was man
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Sie ſuchte mir nuͤtzlich zu ſein, und machte mir verſchiedene
Bekanntſchaften. Unter andern die eines gewiſſen Herrn Lox,
eines reichen Guͤterbeſitzers, eines Mannes voll Geiſt und Kennt¬
niß, welcher ſeiner ſchwaͤchlichen Geſundheit halber von allen
oͤffentlichen Geſchaͤften entfernt, zwanzig engliſche Meilen von
London auf einem Gute, das Norbury heißt, ſich ſelbſt und ſei¬
ner Familie lebt. Er iſt allgemein geſchaͤtzt, und hat zwei er¬
wachſene Soͤhn' und zwei Toͤchter, wovon die juͤngſte Emilie heißt.
Ich hatt' ihn hier anfuͤhren wollen, weil er in einer Fortſetzung
dieſer Geſchichte wieder vorkommen duͤrfte.
Sie lehrte mich auch den beruͤhmten Grafen de Lally-To¬
lendal und eine gewiſſe Prinzeſſin von d'Hénin kennen. Beide
aus Frankreich, aber die jetzt in England leben.
Ungefaͤhr nach ſechs Wochen verließ Madam de Staël Eng¬
land. Ich habe ſeitdem wieder einen Brief von ihr erhalten.
Narbonne betrug ſich waͤhrend ihrer Anweſenheit und auch nach¬
her ſo aͤußerſt freundſchaftlich, daß wir vollkommen gut zuſam¬
men geworden ſind. Ich habe ſogar in einer kleinen Verlegenheit
einmal Geld von ihm gefordert, welches ihn entzuͤckt hat. —
Er iſt nicht boͤs, aber ſo aͤußerſt leichtſinnig, daß er ſeine Staël
ſelbſt vergeſſen koͤnnte. Ueberdies gewohnt, viel Einfluß zu ha¬
ben, großmuͤthig, verſchwenderiſch zu ſein, und alles zu koͤnnen,
war ihm nicht ganz wohl in England, wo er nichts konnte, und
er hatte mir zu mancherlei verſprochen, um mich nicht zu meiden.
Ich hatt' ihn uͤberdies gleich anfangs in Verlegenheit geſetzt,
indem er mir nicht genugzuthun wußte. Auch konnt' er mir
nicht genugthun, denn ich wollte Herzlichkeit, und das iſt gerade
das Einzige, was er nicht hat. —
Tolendal und d'Hénin fingen an, ſich fuͤr mich zu intereſ¬
ſiren. Die letztere, eine Dame von vierzig Jahren, eine nahe
Verwandte und vertraute Freundin von Lafayette, iſt was man
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/77>, abgerufen am 27.11.2024.
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