nicht immer genau richtig seien, doch ein im Ganzen richtiges Bild entstehen könne.-- Seine Schwieger¬ tochter erinnerte ihn, er habe ihr etwas versprochen.-- "Ja, das ist bei mir sehr leicht, fiel er mit liebens¬ würdiger Laune ein, ich kann sehr gut versprechen, da ich nicht Wort halte"-- als ob dies so eine zufällige Eigenschaft wäre, für die er nicht könne!-- Von Achim von Arnim's Schriften und Dichtungen sagte er: "Er ist leider wie ein Faß, wo der Böttcher vergessen hat die Reifen fest zu schlagen, da läuft's denn auf allen Seiten heraus!"
11.
Im Sommer 1823 machte die Geheimräthin K. aus Berlin in den böhmischen Bädern die Bekannt¬ schaft Goethe's, wozu die Fürstin von Hohenzollern ihr die ersehnte Gelegenheit bot. Sie fand Goethe'n schöner von Gesicht, als alle seine Abbildungen, sein herrliches braunes Auge nur am Rande der Iris durch einen bläulichen schmalen Streif geschwächt; übrigens erschien er ganz rüstig, gesund, heiter, wie ein jüngerer Mann. Sein Lieblingswort, das bei vielen Gelegenheiten vor¬ kam, war in dieser Zeit: "Wunderlich genug!" und die Abwechslungen im Tone und in der Anwendung sollen von ungemeiner Laune und anmuthigstem Reize gewesen sein. Die Fürstin fragte ihn, ob er denn noch nicht in Berlin gewesen sei? Er verneinte es. Nach¬
nicht immer genau richtig ſeien, doch ein im Ganzen richtiges Bild entſtehen koͤnne.— Seine Schwieger¬ tochter erinnerte ihn, er habe ihr etwas verſprochen.— „Ja, das iſt bei mir ſehr leicht, fiel er mit liebens¬ wuͤrdiger Laune ein, ich kann ſehr gut verſprechen, da ich nicht Wort halte“— als ob dies ſo eine zufaͤllige Eigenſchaft waͤre, fuͤr die er nicht koͤnne!— Von Achim von Arnim's Schriften und Dichtungen ſagte er: „Er iſt leider wie ein Faß, wo der Boͤttcher vergeſſen hat die Reifen feſt zu ſchlagen, da laͤuft's denn auf allen Seiten heraus!“
11.
Im Sommer 1823 machte die Geheimraͤthin K. aus Berlin in den boͤhmiſchen Baͤdern die Bekannt¬ ſchaft Goethe's, wozu die Fuͤrſtin von Hohenzollern ihr die erſehnte Gelegenheit bot. Sie fand Goethe'n ſchoͤner von Geſicht, als alle ſeine Abbildungen, ſein herrliches braunes Auge nur am Rande der Iris durch einen blaͤulichen ſchmalen Streif geſchwaͤcht; uͤbrigens erſchien er ganz ruͤſtig, geſund, heiter, wie ein juͤngerer Mann. Sein Lieblingswort, das bei vielen Gelegenheiten vor¬ kam, war in dieſer Zeit: „Wunderlich genug!“ und die Abwechslungen im Tone und in der Anwendung ſollen von ungemeiner Laune und anmuthigſtem Reize geweſen ſein. Die Fuͤrſtin fragte ihn, ob er denn noch nicht in Berlin geweſen ſei? Er verneinte es. Nach¬
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nicht immer genau richtig ſeien, doch ein im Ganzen
richtiges Bild entſtehen koͤnne.— Seine Schwieger¬
tochter erinnerte ihn, er habe ihr etwas verſprochen.—
„Ja, das iſt bei mir ſehr leicht, fiel er mit liebens¬
wuͤrdiger Laune ein, ich kann ſehr gut verſprechen, da
ich nicht Wort halte“— als ob dies ſo eine zufaͤllige
Eigenſchaft waͤre, fuͤr die er nicht koͤnne!— Von Achim
von Arnim's Schriften und Dichtungen ſagte er: „Er
iſt leider wie ein Faß, wo der Boͤttcher vergeſſen hat
die Reifen feſt zu ſchlagen, da laͤuft's denn auf allen
Seiten heraus!“
11.
Im Sommer 1823 machte die Geheimraͤthin K.
aus Berlin in den boͤhmiſchen Baͤdern die Bekannt¬
ſchaft Goethe's, wozu die Fuͤrſtin von Hohenzollern ihr
die erſehnte Gelegenheit bot. Sie fand Goethe'n ſchoͤner
von Geſicht, als alle ſeine Abbildungen, ſein herrliches
braunes Auge nur am Rande der Iris durch einen
blaͤulichen ſchmalen Streif geſchwaͤcht; uͤbrigens erſchien
er ganz ruͤſtig, geſund, heiter, wie ein juͤngerer Mann.
Sein Lieblingswort, das bei vielen Gelegenheiten vor¬
kam, war in dieſer Zeit: „Wunderlich genug!“ und
die Abwechslungen im Tone und in der Anwendung
ſollen von ungemeiner Laune und anmuthigſtem Reize
geweſen ſein. Die Fuͤrſtin fragte ihn, ob er denn noch
nicht in Berlin geweſen ſei? Er verneinte es. Nach¬
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/509>, abgerufen am 24.11.2024.
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