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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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bloß lyrische Dichter in unsrer modernen Zeit nicht
mehr der Dichter par excellence sein kann, sondern
nur eine einseitige, untergeordnete Stellung in der
Poesie und eine kurze Blüthezeit hat, der wahre Dichter
aber in universeller Aufnahme und Schilderung des
Lebens nie des Stoffes noch der Formen entbehren
wird, sondern in stetem Wechsel immer neue Blüthen
und Früchte bringt!

3.

Einigemal sind in Eckermann's Buche Sternchen
angebracht, wo wir gerne den Namen sähen. Zum
Beispiel, wenn es heißt: "Noch in diesen Tagen habe
ich Gedichte von *** gelesen, und sein reiches Talent
nicht verkennen können. Allein, wie gesagt, die Liebe
fehlt ihm, und so wird er auch nie so wirken, als er
hätte müssen. Man wird ihn fürchten, und er wird
der Gott derer sein, die gern wir er negativ wären,
aber nicht wie er das Talent haben." Hier ist der
prosaische Kommentar zu dem vortrefflichen Xenien¬
spruch:

"Ich läugne die Talente nicht,
Wenn sie mir auch mißfallen."
Dieser Spruch sei allen Kritikern und Urtheilern, denen
das Objekt in ihrer Subjektivität zu verschwinden droht,
zur Beherzigung empfohlen! Heine, der doch mit
obigen Sternchen ohne Zweifel gemeint ist, kann mit

bloß lyriſche Dichter in unſrer modernen Zeit nicht
mehr der Dichter par excellence ſein kann, ſondern
nur eine einſeitige, untergeordnete Stellung in der
Poeſie und eine kurze Bluͤthezeit hat, der wahre Dichter
aber in univerſeller Aufnahme und Schilderung des
Lebens nie des Stoffes noch der Formen entbehren
wird, ſondern in ſtetem Wechſel immer neue Bluͤthen
und Fruͤchte bringt!

3.

Einigemal ſind in Eckermann's Buche Sternchen
angebracht, wo wir gerne den Namen ſaͤhen. Zum
Beiſpiel, wenn es heißt: „Noch in dieſen Tagen habe
ich Gedichte von *** geleſen, und ſein reiches Talent
nicht verkennen koͤnnen. Allein, wie geſagt, die Liebe
fehlt ihm, und ſo wird er auch nie ſo wirken, als er
haͤtte muͤſſen. Man wird ihn fuͤrchten, und er wird
der Gott derer ſein, die gern wir er negativ waͤren,
aber nicht wie er das Talent haben.“ Hier iſt der
proſaiſche Kommentar zu dem vortrefflichen Xenien¬
ſpruch:

„Ich laͤugne die Talente nicht,
Wenn ſie mir auch mißfallen.“
Dieſer Spruch ſei allen Kritikern und Urtheilern, denen
das Objekt in ihrer Subjektivitaͤt zu verſchwinden droht,
zur Beherzigung empfohlen! Heine, der doch mit
obigen Sternchen ohne Zweifel gemeint iſt, kann mit

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[479/0493] bloß lyriſche Dichter in unſrer modernen Zeit nicht mehr der Dichter par excellence ſein kann, ſondern nur eine einſeitige, untergeordnete Stellung in der Poeſie und eine kurze Bluͤthezeit hat, der wahre Dichter aber in univerſeller Aufnahme und Schilderung des Lebens nie des Stoffes noch der Formen entbehren wird, ſondern in ſtetem Wechſel immer neue Bluͤthen und Fruͤchte bringt! 3. Einigemal ſind in Eckermann's Buche Sternchen angebracht, wo wir gerne den Namen ſaͤhen. Zum Beiſpiel, wenn es heißt: „Noch in dieſen Tagen habe ich Gedichte von *** geleſen, und ſein reiches Talent nicht verkennen koͤnnen. Allein, wie geſagt, die Liebe fehlt ihm, und ſo wird er auch nie ſo wirken, als er haͤtte muͤſſen. Man wird ihn fuͤrchten, und er wird der Gott derer ſein, die gern wir er negativ waͤren, aber nicht wie er das Talent haben.“ Hier iſt der proſaiſche Kommentar zu dem vortrefflichen Xenien¬ ſpruch: „Ich laͤugne die Talente nicht, Wenn ſie mir auch mißfallen.“ Dieſer Spruch ſei allen Kritikern und Urtheilern, denen das Objekt in ihrer Subjektivitaͤt zu verſchwinden droht, zur Beherzigung empfohlen! Heine, der doch mit obigen Sternchen ohne Zweifel gemeint iſt, kann mit

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/493>, abgerufen am 23.11.2024.