gewogen würde, sie wünsche dies zuerst von ihm zu hören, und würde ungern durch Andre damit über¬ rascht werden. Er war bestürzt, verlegen, und konnte und mochte doch den Ausspruch, der ihn freigab und jene Möglichkeit setzte, nicht ablehnen. Er versprach, den billigen Wunsch genau zu erfüllen, betheuerte, daß er jetzt noch keineswegs in dem vorausgesetzten Falle sei, und fügte unaufgefordert, durch sein böses Gewis¬ sen gereizt, die Verwünschung hinzu, wenn er falsch rede, solle sein erster Sohn taub und blind zur Welt kommen! Fräulein von Klettenberg schauderte, und verwies ihm den Frevel, den sie nicht hören wollte: zweifelte aber nun nicht an seiner Falschheit. Sie sah ihn nicht wieder. Nach einiger Zeit verheirathete sich Herr von Olenschlager, und traf eine seinem Sinn und seinen Verhältnissen sehr entsprechende Parthie. Weitere Umstände in Betreff seines Versprechens gegen Fräulein von Klettenberg sind nicht bekannt. Nur ergab sich die schreckliche Thatsache, daß Frau von Olenschlager in ihrem ersten Wochenbette mit einem Sohne nieder¬ kam, der taub und blind war!
Fräulein von Klettenberg hat sich in Gedichten ver¬ sucht. Man muß die Zeit, in welche ihre Jugendbil¬ dung und ihre Lebensblüthe fällt, in Anschlag bringen, die Zeit Gottsched's, und darauf Gellert's! In einer unreifen, abgeschwächten Sprache, und in beschränkten Versarten, wußte sie Zartheit ihres Sinnes und die
gewogen wuͤrde, ſie wuͤnſche dies zuerſt von ihm zu hoͤren, und wuͤrde ungern durch Andre damit uͤber¬ raſcht werden. Er war beſtuͤrzt, verlegen, und konnte und mochte doch den Ausſpruch, der ihn freigab und jene Moͤglichkeit ſetzte, nicht ablehnen. Er verſprach, den billigen Wunſch genau zu erfuͤllen, betheuerte, daß er jetzt noch keineswegs in dem vorausgeſetzten Falle ſei, und fuͤgte unaufgefordert, durch ſein boͤſes Gewiſ¬ ſen gereizt, die Verwuͤnſchung hinzu, wenn er falſch rede, ſolle ſein erſter Sohn taub und blind zur Welt kommen! Fraͤulein von Klettenberg ſchauderte, und verwies ihm den Frevel, den ſie nicht hoͤren wollte: zweifelte aber nun nicht an ſeiner Falſchheit. Sie ſah ihn nicht wieder. Nach einiger Zeit verheirathete ſich Herr von Olenſchlager, und traf eine ſeinem Sinn und ſeinen Verhaͤltniſſen ſehr entſprechende Parthie. Weitere Umſtaͤnde in Betreff ſeines Verſprechens gegen Fraͤulein von Klettenberg ſind nicht bekannt. Nur ergab ſich die ſchreckliche Thatſache, daß Frau von Olenſchlager in ihrem erſten Wochenbette mit einem Sohne nieder¬ kam, der taub und blind war!
Fraͤulein von Klettenberg hat ſich in Gedichten ver¬ ſucht. Man muß die Zeit, in welche ihre Jugendbil¬ dung und ihre Lebensbluͤthe faͤllt, in Anſchlag bringen, die Zeit Gottſched's, und darauf Gellert's! In einer unreifen, abgeſchwaͤchten Sprache, und in beſchraͤnkten Versarten, wußte ſie Zartheit ihres Sinnes und die
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raſcht werden. Er war beſtuͤrzt, verlegen, und konnte
und mochte doch den Ausſpruch, der ihn freigab und
jene Moͤglichkeit ſetzte, nicht ablehnen. Er verſprach,
den billigen Wunſch genau zu erfuͤllen, betheuerte, daß
er jetzt noch keineswegs in dem vorausgeſetzten Falle
ſei, und fuͤgte unaufgefordert, durch ſein boͤſes Gewiſ¬
ſen gereizt, die Verwuͤnſchung hinzu, wenn er falſch
rede, ſolle ſein erſter Sohn taub und blind zur Welt
kommen! Fraͤulein von Klettenberg ſchauderte, und
verwies ihm den Frevel, den ſie nicht hoͤren wollte:
zweifelte aber nun nicht an ſeiner Falſchheit. Sie ſah
ihn nicht wieder. Nach einiger Zeit verheirathete ſich
Herr von Olenſchlager, und traf eine ſeinem Sinn und
ſeinen Verhaͤltniſſen ſehr entſprechende Parthie. Weitere
Umſtaͤnde in Betreff ſeines Verſprechens gegen Fraͤulein
von Klettenberg ſind nicht bekannt. Nur ergab ſich
die ſchreckliche Thatſache, daß Frau von Olenſchlager
in ihrem erſten Wochenbette mit einem Sohne nieder¬
kam, der taub und blind war!
Fraͤulein von Klettenberg hat ſich in Gedichten ver¬
ſucht. Man muß die Zeit, in welche ihre Jugendbil¬
dung und ihre Lebensbluͤthe faͤllt, in Anſchlag bringen,
die Zeit Gottſched's, und darauf Gellert's! In einer
unreifen, abgeſchwaͤchten Sprache, und in beſchraͤnkten
Versarten, wußte ſie Zartheit ihres Sinnes und die
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/473>, abgerufen am 24.11.2024.
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