vor Freunden und Aeltern weder Zwang noch Arg finden. Zwar bleibt auch hier, sobald erst Aufmerk¬ samkeit oder gar Neid erregt wird, die schlimme Nach¬ rede nicht aus, und stiftet Verdruß und Hinderniß, aber die Neigungen gewinnen in solchen Störungen oft nicht weniger, als sie verlieren können, und ein tüch¬ tiger Karakter weiß auch zu trotzen. Der junge Phi¬ losoph, im Gedränge dieser mannigfachen, theils wirk¬ lichen, theils nur als möglich gedachten Liebeshändel, nimmt sich übrigens wunderlich genug aus, und man erachtet leicht, wie bei dem ungemeinen Erfolg und herrschenden Ansehn, die ihn begleiten, manche üble Verwicklung eintreten könnte, wäre nicht sein Sinn rein und stark vor allem auf Sittliches und Edles gestellt.
II.
Wir gelangen zu dem Zeitpunkt, wo die Kantische Philosophie dem Jüngling aufgeht und ihn mit allen Entzückungen überströmt, welche die kundige Sehnsucht in ihrer vollen Gewährung finden mag. Nicht auf eine fremde Bahn fühlt Erhard sich gerufen durch das neue Licht, vielmehr auf der bisherigen selbsteignen nur glück¬ licher an's Ziel gefördert. Alles wird ihm nun gewiß und fest, für das ganze Leben sind seine Ueberzeugungen entschieden, fast könnte man sagen erstarrt, durch dialek¬ tisches Bemühen nicht mehr aufzulösen. Alsbald wen¬ det sich nun die Macht der mit der Fackel der Kritik
vor Freunden und Aeltern weder Zwang noch Arg finden. Zwar bleibt auch hier, ſobald erſt Aufmerk¬ ſamkeit oder gar Neid erregt wird, die ſchlimme Nach¬ rede nicht aus, und ſtiftet Verdruß und Hinderniß, aber die Neigungen gewinnen in ſolchen Stoͤrungen oft nicht weniger, als ſie verlieren koͤnnen, und ein tuͤch¬ tiger Karakter weiß auch zu trotzen. Der junge Phi¬ loſoph, im Gedraͤnge dieſer mannigfachen, theils wirk¬ lichen, theils nur als moͤglich gedachten Liebeshaͤndel, nimmt ſich uͤbrigens wunderlich genug aus, und man erachtet leicht, wie bei dem ungemeinen Erfolg und herrſchenden Anſehn, die ihn begleiten, manche uͤble Verwicklung eintreten koͤnnte, waͤre nicht ſein Sinn rein und ſtark vor allem auf Sittliches und Edles geſtellt.
II.
Wir gelangen zu dem Zeitpunkt, wo die Kantiſche Philoſophie dem Juͤngling aufgeht und ihn mit allen Entzuͤckungen uͤberſtroͤmt, welche die kundige Sehnſucht in ihrer vollen Gewaͤhrung finden mag. Nicht auf eine fremde Bahn fuͤhlt Erhard ſich gerufen durch das neue Licht, vielmehr auf der bisherigen ſelbſteignen nur gluͤck¬ licher an’s Ziel gefoͤrdert. Alles wird ihm nun gewiß und feſt, fuͤr das ganze Leben ſind ſeine Ueberzeugungen entſchieden, faſt koͤnnte man ſagen erſtarrt, durch dialek¬ tiſches Bemuͤhen nicht mehr aufzuloͤſen. Alsbald wen¬ det ſich nun die Macht der mit der Fackel der Kritik
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vor Freunden und Aeltern weder Zwang noch Arg
finden. Zwar bleibt auch hier, ſobald erſt Aufmerk¬
ſamkeit oder gar Neid erregt wird, die ſchlimme Nach¬
rede nicht aus, und ſtiftet Verdruß und Hinderniß,
aber die Neigungen gewinnen in ſolchen Stoͤrungen oft
nicht weniger, als ſie verlieren koͤnnen, und ein tuͤch¬
tiger Karakter weiß auch zu trotzen. Der junge Phi¬
loſoph, im Gedraͤnge dieſer mannigfachen, theils wirk¬
lichen, theils nur als moͤglich gedachten Liebeshaͤndel,
nimmt ſich uͤbrigens wunderlich genug aus, und man
erachtet leicht, wie bei dem ungemeinen Erfolg und
herrſchenden Anſehn, die ihn begleiten, manche uͤble
Verwicklung eintreten koͤnnte, waͤre nicht ſein Sinn
rein und ſtark vor allem auf Sittliches und Edles geſtellt.
II.
Wir gelangen zu dem Zeitpunkt, wo die Kantiſche
Philoſophie dem Juͤngling aufgeht und ihn mit allen
Entzuͤckungen uͤberſtroͤmt, welche die kundige Sehnſucht
in ihrer vollen Gewaͤhrung finden mag. Nicht auf eine
fremde Bahn fuͤhlt Erhard ſich gerufen durch das neue
Licht, vielmehr auf der bisherigen ſelbſteignen nur gluͤck¬
licher an’s Ziel gefoͤrdert. Alles wird ihm nun gewiß
und feſt, fuͤr das ganze Leben ſind ſeine Ueberzeugungen
entſchieden, faſt koͤnnte man ſagen erſtarrt, durch dialek¬
tiſches Bemuͤhen nicht mehr aufzuloͤſen. Alsbald wen¬
det ſich nun die Macht der mit der Fackel der Kritik
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/295>, abgerufen am 21.11.2024.
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