versehen war. Wie dieser Mensch zu diesen Urkunden kam, womit er sich auch in München und an der öster¬ reichischen Gränze legitimirte, kann ich mir noch nicht befriedigend erklären. Kurz dieser Mensch gewann durch seine Urkunden mein Zutrauen, ich glaubte ihm, daß er mir eine Regimentschirurgenstelle in amerikanischen Diensten verschaffen könnte, und war entschlossen, mit ihm nach den Vereinigten Staaten zu gehen. Mein Schwiegervater gab ihm auf ausgestellte Anweisungen Geld, ich reis'te mit ihm nach München und Salzburg, von wo er nach Linz und ich zu meinem Freund Her¬ bert, um Abschied zu nehmen, nach Klagenfurt reis'te. In Salzburg wollte er mich wieder erwarten. Bei meiner Ankunft in Salzburg fand ich nicht ihn, sondern einen Brief, in dem er mir sagte, daß er gleich nach München abgereist sei, und in München fand ich anstatt seiner die Gewißheit, daß er ein Betrüger war. Hier fand ich nun das erstemal in meinem Leben den Schmerz, sich in seinen Hoffnungen getäuscht und dem Spott preisgegeben zu sehen. Wo ich mich hinwenden, was ich beginnen sollte, das war mir im Anfang unmöglich zu entscheiden; endlich faßte ich den Entschluß, zu mei¬ nem Freund Herbert, der eine Reise nach Italien machte, zu stoßen und ihn in Verona zu erwarten. Dieser Ent¬ schluß rettete mein Leben, und ich lernte in den Armen meines Freundes mich über den Betrug trösten; der mich nur ärmer gemacht und dem Hohn meiner Feinde
verſehen war. Wie dieſer Menſch zu dieſen Urkunden kam, womit er ſich auch in Muͤnchen und an der oͤſter¬ reichiſchen Graͤnze legitimirte, kann ich mir noch nicht befriedigend erklaͤren. Kurz dieſer Menſch gewann durch ſeine Urkunden mein Zutrauen, ich glaubte ihm, daß er mir eine Regimentschirurgenſtelle in amerikaniſchen Dienſten verſchaffen koͤnnte, und war entſchloſſen, mit ihm nach den Vereinigten Staaten zu gehen. Mein Schwiegervater gab ihm auf ausgeſtellte Anweiſungen Geld, ich reiſ’te mit ihm nach Muͤnchen und Salzburg, von wo er nach Linz und ich zu meinem Freund Her¬ bert, um Abſchied zu nehmen, nach Klagenfurt reiſ’te. In Salzburg wollte er mich wieder erwarten. Bei meiner Ankunft in Salzburg fand ich nicht ihn, ſondern einen Brief, in dem er mir ſagte, daß er gleich nach Muͤnchen abgereist ſei, und in Muͤnchen fand ich anſtatt ſeiner die Gewißheit, daß er ein Betruͤger war. Hier fand ich nun das erſtemal in meinem Leben den Schmerz, ſich in ſeinen Hoffnungen getaͤuſcht und dem Spott preisgegeben zu ſehen. Wo ich mich hinwenden, was ich beginnen ſollte, das war mir im Anfang unmoͤglich zu entſcheiden; endlich faßte ich den Entſchluß, zu mei¬ nem Freund Herbert, der eine Reiſe nach Italien machte, zu ſtoßen und ihn in Verona zu erwarten. Dieſer Ent¬ ſchluß rettete mein Leben, und ich lernte in den Armen meines Freundes mich uͤber den Betrug troͤſten; der mich nur aͤrmer gemacht und dem Hohn meiner Feinde
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verſehen war. Wie dieſer Menſch zu dieſen Urkunden
kam, womit er ſich auch in Muͤnchen und an der oͤſter¬
reichiſchen Graͤnze legitimirte, kann ich mir noch nicht
befriedigend erklaͤren. Kurz dieſer Menſch gewann durch
ſeine Urkunden mein Zutrauen, ich glaubte ihm, daß
er mir eine Regimentschirurgenſtelle in amerikaniſchen
Dienſten verſchaffen koͤnnte, und war entſchloſſen, mit
ihm nach den Vereinigten Staaten zu gehen. Mein
Schwiegervater gab ihm auf ausgeſtellte Anweiſungen
Geld, ich reiſ’te mit ihm nach Muͤnchen und Salzburg,
von wo er nach Linz und ich zu meinem Freund Her¬
bert, um Abſchied zu nehmen, nach Klagenfurt reiſ’te.
In Salzburg wollte er mich wieder erwarten. Bei
meiner Ankunft in Salzburg fand ich nicht ihn, ſondern
einen Brief, in dem er mir ſagte, daß er gleich nach
Muͤnchen abgereist ſei, und in Muͤnchen fand ich anſtatt
ſeiner die Gewißheit, daß er ein Betruͤger war. Hier
fand ich nun das erſtemal in meinem Leben den Schmerz,
ſich in ſeinen Hoffnungen getaͤuſcht und dem Spott
preisgegeben zu ſehen. Wo ich mich hinwenden, was
ich beginnen ſollte, das war mir im Anfang unmoͤglich
zu entſcheiden; endlich faßte ich den Entſchluß, zu mei¬
nem Freund Herbert, der eine Reiſe nach Italien machte,
zu ſtoßen und ihn in Verona zu erwarten. Dieſer Ent¬
ſchluß rettete mein Leben, und ich lernte in den Armen
meines Freundes mich uͤber den Betrug troͤſten; der
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/278>, abgerufen am 24.11.2024.
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