draußen oder drinn!" Da mein Vater deßwegen von lustiger Gesellschaft gesucht wurde, und ich daher von Jugend auf über die lächerlichen Gebrechen Andrer spot¬ ten hörte, so erwachte in mir ein Hang zur Satyre, der sich vorzüglich frühe zur Ironie ausbildete. Diese Art des Spottes war aber bei mir, so wie in der Ge¬ sellschaft, wo ich ihn lernte, ohne alle Bösartigkeit, und jeder ertrug ihn eben so gutmüthig, wenn er über ihn ergossen wurde, als er ihn muthwillig bei irgend einer Gelegenheit über Andre ergehen ließ. Dies ver¬ leitete mich, den Spott bloß als eine Gelegenheit, seinen Witz zu zeigen und gar nicht als eine Beleidigung an¬ zusehen, die jemand übel nehmen könnte. Meine Nach¬ forschungen über wissenschaftliche Gegenstände gaben mir eine ernsthafte Miene, und meine Gleichgültigkeit gegen alles Gewöhnliche im menschlichen Leben, das unter dem Namen von Neuigkeiten die Unterhaltung vieler Menschen ausmacht, machte mich still und gab mir für Viele das Ansehen von Einfältigkeit. Ich sprach nur dann einige Worte, wenn sich mir Gelegenheit zu witzi¬ gem Spott zeigte, und beleidigte dadurch, ohne daß ich es wollte, um so tiefer, da es ganz unerwartet kam und mein Spiel des Witzes für einen Ausfluß eines boshaften Herzens gehalten wurde. Ich machte mir dadurch viele heimliche Feinde, ohne daß ich es wußte, und jeder, der mich nicht ganz kannte, und dies waren sehr wenige, machte es sich zum Geschäft, mich zu
draußen oder drinn!“ Da mein Vater deßwegen von luſtiger Geſellſchaft geſucht wurde, und ich daher von Jugend auf uͤber die laͤcherlichen Gebrechen Andrer ſpot¬ ten hoͤrte, ſo erwachte in mir ein Hang zur Satyre, der ſich vorzuͤglich fruͤhe zur Ironie ausbildete. Dieſe Art des Spottes war aber bei mir, ſo wie in der Ge¬ ſellſchaft, wo ich ihn lernte, ohne alle Boͤsartigkeit, und jeder ertrug ihn eben ſo gutmuͤthig, wenn er uͤber ihn ergoſſen wurde, als er ihn muthwillig bei irgend einer Gelegenheit uͤber Andre ergehen ließ. Dies ver¬ leitete mich, den Spott bloß als eine Gelegenheit, ſeinen Witz zu zeigen und gar nicht als eine Beleidigung an¬ zuſehen, die jemand uͤbel nehmen koͤnnte. Meine Nach¬ forſchungen uͤber wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde gaben mir eine ernſthafte Miene, und meine Gleichguͤltigkeit gegen alles Gewoͤhnliche im menſchlichen Leben, das unter dem Namen von Neuigkeiten die Unterhaltung vieler Menſchen ausmacht, machte mich ſtill und gab mir fuͤr Viele das Anſehen von Einfaͤltigkeit. Ich ſprach nur dann einige Worte, wenn ſich mir Gelegenheit zu witzi¬ gem Spott zeigte, und beleidigte dadurch, ohne daß ich es wollte, um ſo tiefer, da es ganz unerwartet kam und mein Spiel des Witzes fuͤr einen Ausfluß eines boshaften Herzens gehalten wurde. Ich machte mir dadurch viele heimliche Feinde, ohne daß ich es wußte, und jeder, der mich nicht ganz kannte, und dies waren ſehr wenige, machte es ſich zum Geſchaͤft, mich zu
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draußen oder drinn!“ Da mein Vater deßwegen von
luſtiger Geſellſchaft geſucht wurde, und ich daher von
Jugend auf uͤber die laͤcherlichen Gebrechen Andrer ſpot¬
ten hoͤrte, ſo erwachte in mir ein Hang zur Satyre,
der ſich vorzuͤglich fruͤhe zur Ironie ausbildete. Dieſe
Art des Spottes war aber bei mir, ſo wie in der Ge¬
ſellſchaft, wo ich ihn lernte, ohne alle Boͤsartigkeit,
und jeder ertrug ihn eben ſo gutmuͤthig, wenn er uͤber
ihn ergoſſen wurde, als er ihn muthwillig bei irgend
einer Gelegenheit uͤber Andre ergehen ließ. Dies ver¬
leitete mich, den Spott bloß als eine Gelegenheit, ſeinen
Witz zu zeigen und gar nicht als eine Beleidigung an¬
zuſehen, die jemand uͤbel nehmen koͤnnte. Meine Nach¬
forſchungen uͤber wiſſenſchaftliche Gegenſtaͤnde gaben mir
eine ernſthafte Miene, und meine Gleichguͤltigkeit gegen
alles Gewoͤhnliche im menſchlichen Leben, das unter
dem Namen von Neuigkeiten die Unterhaltung vieler
Menſchen ausmacht, machte mich ſtill und gab mir fuͤr
Viele das Anſehen von Einfaͤltigkeit. Ich ſprach nur
dann einige Worte, wenn ſich mir Gelegenheit zu witzi¬
gem Spott zeigte, und beleidigte dadurch, ohne daß ich
es wollte, um ſo tiefer, da es ganz unerwartet kam
und mein Spiel des Witzes fuͤr einen Ausfluß eines
boshaften Herzens gehalten wurde. Ich machte mir
dadurch viele heimliche Feinde, ohne daß ich es wußte,
und jeder, der mich nicht ganz kannte, und dies waren
ſehr wenige, machte es ſich zum Geſchaͤft, mich zu
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/268>, abgerufen am 24.11.2024.
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