ihm auch die Freiheit von aller Furcht vor Gespenstern, denn niemand durfte mich durch eine Drohung dieser Art schrecken, und einigen Nachbarinnen, welche mich durch den Mann draußen und den großen Hund be¬ sänftigen wollten, wurde gleich die Thüre gewiesen. Die Ueberzeugung von der Nichtigkeit der Gespenster konnte nicht im geringsten durch die Erzählungen meiner Großmutter mütterlicher Seite gestört werden. Diese hatte, nebst der Eigenschaft Gespenster zu sehen, noch eine, welche Manchem fehlte, der keine glaubt, nämlich die, sich nicht im geringsten vor ihnen zu fürchten. Sie erzählte die Auftritte, die zwischen ihr und den Gespen¬ stern vorfielen, so unbefangen wie den Besuch einer Nachbarin; und ihr Glaube, daß es Gespenster gebe, konnte daher, wenn es auch hätte meinen Unglauben wankend machen können, doch keine Furcht bei mir hervorbringen. Ich war vielmehr so begierig, ihre Aus¬ sagen durch die Erfahrung zu prüfen, daß ich in mei¬ nem dritten Jahre oft bei ihr schlief, um das Gespenst zu sehen. Allein nie ließ es sich sehen, wenn ich da war, und ich glaubte daher, gegen sie den Sieg über ihren Glauben errungen zu haben. Dies war aber ver¬ gebens, denn sie behauptete, daß ich einen unsichtbaren guten Geist bei mir hätte, vor dem sich der andere fürchtete. So lernte ich frühe, daß es ungeräumt ist, gegen Behauptungen, welche die Bedingungen möglicher Erfahrung aufheben würden, durch die Erfahrung strei¬
ihm auch die Freiheit von aller Furcht vor Geſpenſtern, denn niemand durfte mich durch eine Drohung dieſer Art ſchrecken, und einigen Nachbarinnen, welche mich durch den Mann draußen und den großen Hund be¬ ſaͤnftigen wollten, wurde gleich die Thuͤre gewieſen. Die Ueberzeugung von der Nichtigkeit der Geſpenſter konnte nicht im geringſten durch die Erzaͤhlungen meiner Großmutter muͤtterlicher Seite geſtoͤrt werden. Dieſe hatte, nebſt der Eigenſchaft Geſpenſter zu ſehen, noch eine, welche Manchem fehlte, der keine glaubt, naͤmlich die, ſich nicht im geringſten vor ihnen zu fuͤrchten. Sie erzaͤhlte die Auftritte, die zwiſchen ihr und den Geſpen¬ ſtern vorfielen, ſo unbefangen wie den Beſuch einer Nachbarin; und ihr Glaube, daß es Geſpenſter gebe, konnte daher, wenn es auch haͤtte meinen Unglauben wankend machen koͤnnen, doch keine Furcht bei mir hervorbringen. Ich war vielmehr ſo begierig, ihre Aus¬ ſagen durch die Erfahrung zu pruͤfen, daß ich in mei¬ nem dritten Jahre oft bei ihr ſchlief, um das Geſpenſt zu ſehen. Allein nie ließ es ſich ſehen, wenn ich da war, und ich glaubte daher, gegen ſie den Sieg uͤber ihren Glauben errungen zu haben. Dies war aber ver¬ gebens, denn ſie behauptete, daß ich einen unſichtbaren guten Geiſt bei mir haͤtte, vor dem ſich der andere fuͤrchtete. So lernte ich fruͤhe, daß es ungeraͤumt iſt, gegen Behauptungen, welche die Bedingungen moͤglicher Erfahrung aufheben wuͤrden, durch die Erfahrung ſtrei¬
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ihm auch die Freiheit von aller Furcht vor Geſpenſtern,
denn niemand durfte mich durch eine Drohung dieſer
Art ſchrecken, und einigen Nachbarinnen, welche mich
durch den Mann draußen und den großen Hund be¬
ſaͤnftigen wollten, wurde gleich die Thuͤre gewieſen.
Die Ueberzeugung von der Nichtigkeit der Geſpenſter
konnte nicht im geringſten durch die Erzaͤhlungen meiner
Großmutter muͤtterlicher Seite geſtoͤrt werden. Dieſe
hatte, nebſt der Eigenſchaft Geſpenſter zu ſehen, noch
eine, welche Manchem fehlte, der keine glaubt, naͤmlich
die, ſich nicht im geringſten vor ihnen zu fuͤrchten. Sie
erzaͤhlte die Auftritte, die zwiſchen ihr und den Geſpen¬
ſtern vorfielen, ſo unbefangen wie den Beſuch einer
Nachbarin; und ihr Glaube, daß es Geſpenſter gebe,
konnte daher, wenn es auch haͤtte meinen Unglauben
wankend machen koͤnnen, doch keine Furcht bei mir
hervorbringen. Ich war vielmehr ſo begierig, ihre Aus¬
ſagen durch die Erfahrung zu pruͤfen, daß ich in mei¬
nem dritten Jahre oft bei ihr ſchlief, um das Geſpenſt
zu ſehen. Allein nie ließ es ſich ſehen, wenn ich da
war, und ich glaubte daher, gegen ſie den Sieg uͤber
ihren Glauben errungen zu haben. Dies war aber ver¬
gebens, denn ſie behauptete, daß ich einen unſichtbaren
guten Geiſt bei mir haͤtte, vor dem ſich der andere
fuͤrchtete. So lernte ich fruͤhe, daß es ungeraͤumt iſt,
gegen Behauptungen, welche die Bedingungen moͤglicher
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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/230>, abgerufen am 26.11.2024.
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