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Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837.

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zu haben, will ich mich nicht rühmen, aber die gegrün¬
dete Rücksicht und wahre Schonung, welche die bestehen¬
den Lebensverhältnisse mit Recht ansprechen dürfen,
glaube ich darum keineswegs geflissentlich außer Acht
gesetzt zu haben.

Ueber das Bekanntmachen vertraulicher Briefe hat
es von jeher sehr entgegengesetzte Meinungen gegeben;
man hat in Deutschland über einige Freigebigkeit hierin
ohne Noth gar großen Lärm erhoben, und scheint noch
vieler Orten in dem Maße empfindlich über jede Oeffent¬
lichkeit, als man ihrer bedürftig sein mag. Durch die
Herausgabe von Jacobi's Schriften und Briefwechsel
ist uns endlich ein Beispiel gegeben worden, wie in
solchem Falle Freimüthigkeit und Bescheidenheit verbun¬
den werden können; wir sollten dasselbe zur feststehen¬
den Regel erheben, auf welche man sich als ein gül¬
tiges Maß des Rechts und der Sitte in solcher Be¬
ziehung künftig berufen dürfte. Ich bekenne, daß ich
jenem Vorbilde gern habe nachstreben wollen, obgleich
die große Verschiedenheit der Richtungen, in welchen
dort und hier das Eigenthümliche zu verfolgen war, für
den äußeren Anschein nicht immer das Gleiche darbieten
konnte. Von noch lebenden Personen habe ich, jenem
Muster getreu, ein paar Ausnahmen unverfänglichen
und dabei doch nicht gern entbehrten Inhalts abgerech¬
net, keine Briefe mitgetheilt, an noch lebende nur mit
deren eigner Zustimmung.

zu haben, will ich mich nicht ruͤhmen, aber die gegruͤn¬
dete Ruͤckſicht und wahre Schonung, welche die beſtehen¬
den Lebensverhaͤltniſſe mit Recht anſprechen duͤrfen,
glaube ich darum keineswegs gefliſſentlich außer Acht
geſetzt zu haben.

Ueber das Bekanntmachen vertraulicher Briefe hat
es von jeher ſehr entgegengeſetzte Meinungen gegeben;
man hat in Deutſchland uͤber einige Freigebigkeit hierin
ohne Noth gar großen Laͤrm erhoben, und ſcheint noch
vieler Orten in dem Maße empfindlich uͤber jede Oeffent¬
lichkeit, als man ihrer beduͤrftig ſein mag. Durch die
Herausgabe von Jacobi’s Schriften und Briefwechſel
iſt uns endlich ein Beiſpiel gegeben worden, wie in
ſolchem Falle Freimuͤthigkeit und Beſcheidenheit verbun¬
den werden koͤnnen; wir ſollten daſſelbe zur feſtſtehen¬
den Regel erheben, auf welche man ſich als ein guͤl¬
tiges Maß des Rechts und der Sitte in ſolcher Be¬
ziehung kuͤnftig berufen duͤrfte. Ich bekenne, daß ich
jenem Vorbilde gern habe nachſtreben wollen, obgleich
die große Verſchiedenheit der Richtungen, in welchen
dort und hier das Eigenthuͤmliche zu verfolgen war, fuͤr
den aͤußeren Anſchein nicht immer das Gleiche darbieten
konnte. Von noch lebenden Perſonen habe ich, jenem
Muſter getreu, ein paar Ausnahmen unverfaͤnglichen
und dabei doch nicht gern entbehrten Inhalts abgerech¬
net, keine Briefe mitgetheilt, an noch lebende nur mit
deren eigner Zuſtimmung.

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[210/0224] zu haben, will ich mich nicht ruͤhmen, aber die gegruͤn¬ dete Ruͤckſicht und wahre Schonung, welche die beſtehen¬ den Lebensverhaͤltniſſe mit Recht anſprechen duͤrfen, glaube ich darum keineswegs gefliſſentlich außer Acht geſetzt zu haben. Ueber das Bekanntmachen vertraulicher Briefe hat es von jeher ſehr entgegengeſetzte Meinungen gegeben; man hat in Deutſchland uͤber einige Freigebigkeit hierin ohne Noth gar großen Laͤrm erhoben, und ſcheint noch vieler Orten in dem Maße empfindlich uͤber jede Oeffent¬ lichkeit, als man ihrer beduͤrftig ſein mag. Durch die Herausgabe von Jacobi’s Schriften und Briefwechſel iſt uns endlich ein Beiſpiel gegeben worden, wie in ſolchem Falle Freimuͤthigkeit und Beſcheidenheit verbun¬ den werden koͤnnen; wir ſollten daſſelbe zur feſtſtehen¬ den Regel erheben, auf welche man ſich als ein guͤl¬ tiges Maß des Rechts und der Sitte in ſolcher Be¬ ziehung kuͤnftig berufen duͤrfte. Ich bekenne, daß ich jenem Vorbilde gern habe nachſtreben wollen, obgleich die große Verſchiedenheit der Richtungen, in welchen dort und hier das Eigenthuͤmliche zu verfolgen war, fuͤr den aͤußeren Anſchein nicht immer das Gleiche darbieten konnte. Von noch lebenden Perſonen habe ich, jenem Muſter getreu, ein paar Ausnahmen unverfaͤnglichen und dabei doch nicht gern entbehrten Inhalts abgerech¬ net, keine Briefe mitgetheilt, an noch lebende nur mit deren eigner Zuſtimmung.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 1. Mannheim, 1837, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten01_1837/224>, abgerufen am 21.11.2024.