sind die Fasern der willkührlichen Muskeln dichter; ihre Quer- streifen bestimmt gebildet; nur bei den unwillkührlichen des Her- zens, der Zunge mancher Thiere u dgl. existiren diese, jedoch so schwach, dass sie bei dem Gebrauche schwächerer Vergrösserun- gen gänzlich entgehen. Dafür haben sie entweder selbst ein gra- nulirtes Ansehen oder es finden sich zwischen ihnen zahlreiche Körnchen, welches beides den willkührlichen Muskeln gänzlich fehlt. Nun zeigt sich aber ihre Genese durchaus verschieden, ja gewissermaassen entgegengesetzt. Die willkührlichen Muskeln entstehen aus einer granulirten Masse; die unwillkührlichen in dem durchsichtigen und homogenen verbindenden Stoffe. In der Metamorphose des Blastema von jenen herrscht die Kügelchen- bildung, in der von diesen die des weicheren Bildungsstoffes vor. Man könnte in diesem Sinne sagen: die willkührlichen Muskeln entstehen aus dem Elemente des Festen, die unwillkührlichen aus dem des Flüssigen.
IX. Functionen der Organe.
Die Function eines Organes wird durch die Individualität desselben überhaupt, sein Verhältniss zu anderen Organen, die Eigenthümlichkeit aller seiner Organtheile bestimmt. Sie umfasst auf diese Weise einerseits alle in jedem Theile vorkommenden Verhältnisse, welche dasselbe sowohl für sich constituiren, als auch mit Anderen in Relation bringen. Anderseits ist aber Func- tion so nur der geistige Ausdruck der vollständigen morphologi- schen Gestaltung, und es haben gleichartige Organe und Organ- theile gleichartige Functionen; ein jedes derselben besitzt aber nothwendiger Weise, wie seine durchaus bestimmte Individuali- tät in morphologischer und histiologischer Beziehung, so auch seine bestimmte Eigenthümlichkeit in Rücksicht der Function. Alle Veränderungen der morphologischen und histiologischen Ver- hältnisse bedingen auch nothwendig eine Umänderung der Func- tionen, möge diese in dem normalen Entwickelungszustande oder in krankhaften Verhältnissen begründet seyn.
Wie das Embryonalleben durch den Mangel an Selbststän- digkeit und freier Individualität sich von dem des Erwachsenen unterscheidet, so ist auch die Urfunction der Fruchtanlage Bildung, reine Vegetation. Wie diese vorschreite, haben wir schon oben auseinanderzusetzen Gelegenheit gehabt. Sie aber von dem Ner-
IX. Functionen der Organe.
sind die Fasern der willkührlichen Muskeln dichter; ihre Quer- streifen bestimmt gebildet; nur bei den unwillkührlichen des Her- zens, der Zunge mancher Thiere u dgl. existiren diese, jedoch so schwach, daſs sie bei dem Gebrauche schwächerer Vergröſserun- gen gänzlich entgehen. Dafür haben sie entweder selbst ein gra- nulirtes Ansehen oder es finden sich zwischen ihnen zahlreiche Körnchen, welches beides den willkührlichen Muskeln gänzlich fehlt. Nun zeigt sich aber ihre Genese durchaus verschieden, ja gewissermaaſsen entgegengesetzt. Die willkührlichen Muskeln entstehen aus einer granulirten Masse; die unwillkührlichen in dem durchsichtigen und homogenen verbindenden Stoffe. In der Metamorphose des Blastema von jenen herrscht die Kügelchen- bildung, in der von diesen die des weicheren Bildungsstoffes vor. Man könnte in diesem Sinne sagen: die willkührlichen Muskeln entstehen aus dem Elemente des Festen, die unwillkührlichen aus dem des Flüssigen.
IX. Functionen der Organe.
Die Function eines Organes wird durch die Individualität desselben überhaupt, sein Verhältniſs zu anderen Organen, die Eigenthümlichkeit aller seiner Organtheile bestimmt. Sie umfaſst auf diese Weise einerseits alle in jedem Theile vorkommenden Verhältnisse, welche dasselbe sowohl für sich constituiren, als auch mit Anderen in Relation bringen. Anderseits ist aber Func- tion so nur der geistige Ausdruck der vollständigen morphologi- schen Gestaltung, und es haben gleichartige Organe und Organ- theile gleichartige Functionen; ein jedes derselben besitzt aber nothwendiger Weise, wie seine durchaus bestimmte Individuali- tät in morphologischer und histiologischer Beziehung, so auch seine bestimmte Eigenthümlichkeit in Rücksicht der Function. Alle Veränderungen der morphologischen und histiologischen Ver- hältnisse bedingen auch nothwendig eine Umänderung der Func- tionen, möge diese in dem normalen Entwickelungszustande oder in krankhaften Verhältnissen begründet seyn.
Wie das Embryonalleben durch den Mangel an Selbststän- digkeit und freier Individualität sich von dem des Erwachsenen unterscheidet, so ist auch die Urfunction der Fruchtanlage Bildung, reine Vegetation. Wie diese vorschreite, haben wir schon oben auseinanderzusetzen Gelegenheit gehabt. Sie aber von dem Ner-
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IX. Functionen der Organe.
sind die Fasern der willkührlichen Muskeln dichter; ihre Quer-
streifen bestimmt gebildet; nur bei den unwillkührlichen des Her-
zens, der Zunge mancher Thiere u dgl. existiren diese, jedoch so
schwach, daſs sie bei dem Gebrauche schwächerer Vergröſserun-
gen gänzlich entgehen. Dafür haben sie entweder selbst ein gra-
nulirtes Ansehen oder es finden sich zwischen ihnen zahlreiche
Körnchen, welches beides den willkührlichen Muskeln gänzlich
fehlt. Nun zeigt sich aber ihre Genese durchaus verschieden,
ja gewissermaaſsen entgegengesetzt. Die willkührlichen Muskeln
entstehen aus einer granulirten Masse; die unwillkührlichen in
dem durchsichtigen und homogenen verbindenden Stoffe. In der
Metamorphose des Blastema von jenen herrscht die Kügelchen-
bildung, in der von diesen die des weicheren Bildungsstoffes vor.
Man könnte in diesem Sinne sagen: die willkührlichen Muskeln
entstehen aus dem Elemente des Festen, die unwillkührlichen
aus dem des Flüssigen.
IX.
Functionen der Organe.
Die Function eines Organes wird durch die Individualität
desselben überhaupt, sein Verhältniſs zu anderen Organen, die
Eigenthümlichkeit aller seiner Organtheile bestimmt. Sie umfaſst
auf diese Weise einerseits alle in jedem Theile vorkommenden
Verhältnisse, welche dasselbe sowohl für sich constituiren, als
auch mit Anderen in Relation bringen. Anderseits ist aber Func-
tion so nur der geistige Ausdruck der vollständigen morphologi-
schen Gestaltung, und es haben gleichartige Organe und Organ-
theile gleichartige Functionen; ein jedes derselben besitzt aber
nothwendiger Weise, wie seine durchaus bestimmte Individuali-
tät in morphologischer und histiologischer Beziehung, so auch
seine bestimmte Eigenthümlichkeit in Rücksicht der Function.
Alle Veränderungen der morphologischen und histiologischen Ver-
hältnisse bedingen auch nothwendig eine Umänderung der Func-
tionen, möge diese in dem normalen Entwickelungszustande oder
in krankhaften Verhältnissen begründet seyn.
Wie das Embryonalleben durch den Mangel an Selbststän-
digkeit und freier Individualität sich von dem des Erwachsenen
unterscheidet, so ist auch die Urfunction der Fruchtanlage Bildung,
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/679>, abgerufen am 24.11.2024.
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