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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
Uridee und Individualität sind Verschiedenes, Entgegengesetztes,
und werden doch erst dadurch zu wahren Realitäten, dass sie zu
einem Dritten, von ihnen Verschiedenen und sie beide Umfassen-
den eingehen. So sind auch in dieser frühen Zeit Organ und
entfernterer Organtheil, wie Aeusseres und Inneres, wie Uridee
und Individualität überhaupt einander Entgegengesetztes. Beide
sind in diesem Zustande für sich Nichts, als etwas Unvollkommenes.
Jedes von ihnen muss sich specieller individualisiren, um das spe-
ciellste Organ mit seiner bestimmten äusseren Form und der be-
stimmten Conformation seiner entfernteren und entferntesten Or-
gantheile darzustellen. Damit aber das Gesagte nicht als blosses
Raisonnement aufgenommen werde, wollen wir es durch das Bei-
spiel eines Theiles erläutern. So findet sich in dem Blastema der
Drüsen, sobald die erste einfache Ramification der Gänge entstan-
den, ein gelappter Bau, scheinbar unabhängig von den im Innern
enthaltenen Gängen. Das ganze Organ kann aber auch noch lange
nicht die specielle Individualität aufweisen, welche es als ausge-
bildete Drüse hat. Dies geschieht jedoch im Laufe der Entwicke-
lung dadurch, dass einerseits die Lappen sich immer theilen, die
äussere Form also immer vielfacher wird, anderseits die Gänge
sich immer mehr verästeln, der innere Bau immer zusammenge-
setzter wird, bis zuletzt endlich jedes Drüsenläppchen ein be-
stimmtes Conglomerat von Gängen, ein oder mehrere Drüsen-
träubchen enthält. Dasselbe lässt sich auf die Muskeln, Sehnen,
Knochen u. dgl. anwenden.

Manche drüsigte Organe haben eine mehr einfache Form, wie
die Nieren, die Leber, die Lungen u. dgl. Dass diese aber erst
secundär aus vielen äusserlich getrennten Theilen entstehen, haben
wir schon oben erwähnt.

3. Das Gesetz der Vereinigung. -- Schon oben in der Ge-
setzlehre der Organe hatten wir Gelegenheit zu bemerken, wie
manche später verbundene Organe getrennt und einzeln entstehen
und erst secundär zusammenstossen. Ganz dasselbe findet bei
den isolirt entstandenen Organtheilen Statt, doch combinirt es
sich hier zu folgenden verschiedenen Formen.

a. Als parallele Nebeneinanderlage. In den Muskeln und Seh-
nen rücken die isolirten Bündel immer nähe an einander, zwar
nicht so, dass sie lauter parallele Leisten bilden, doch auf die
Art, dass sie nach der Längenrichtung neben einander gelagert

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VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe.
Uridee und Individualität sind Verschiedenes, Entgegengesetztes,
und werden doch erst dadurch zu wahren Realitäten, daſs sie zu
einem Dritten, von ihnen Verschiedenen und sie beide Umfassen-
den eingehen. So sind auch in dieser frühen Zeit Organ und
entfernterer Organtheil, wie Aeuſseres und Inneres, wie Uridee
und Individualität überhaupt einander Entgegengesetztes. Beide
sind in diesem Zustande für sich Nichts, als etwas Unvollkommenes.
Jedes von ihnen muſs sich specieller individualisiren, um das spe-
ciellste Organ mit seiner bestimmten äuſseren Form und der be-
stimmten Conformation seiner entfernteren und entferntesten Or-
gantheile darzustellen. Damit aber das Gesagte nicht als bloſses
Raisonnement aufgenommen werde, wollen wir es durch das Bei-
spiel eines Theiles erläutern. So findet sich in dem Blastema der
Drüsen, sobald die erste einfache Ramification der Gänge entstan-
den, ein gelappter Bau, scheinbar unabhängig von den im Innern
enthaltenen Gängen. Das ganze Organ kann aber auch noch lange
nicht die specielle Individualität aufweisen, welche es als ausge-
bildete Drüse hat. Dies geschieht jedoch im Laufe der Entwicke-
lung dadurch, daſs einerseits die Lappen sich immer theilen, die
äuſsere Form also immer vielfacher wird, anderseits die Gänge
sich immer mehr verästeln, der innere Bau immer zusammenge-
setzter wird, bis zuletzt endlich jedes Drüsenläppchen ein be-
stimmtes Conglomerat von Gängen, ein oder mehrere Drüsen-
träubchen enthält. Dasselbe läſst sich auf die Muskeln, Sehnen,
Knochen u. dgl. anwenden.

Manche drüsigte Organe haben eine mehr einfache Form, wie
die Nieren, die Leber, die Lungen u. dgl. Daſs diese aber erst
secundär aus vielen äuſserlich getrennten Theilen entstehen, haben
wir schon oben erwähnt.

3. Das Gesetz der Vereinigung. — Schon oben in der Ge-
setzlehre der Organe hatten wir Gelegenheit zu bemerken, wie
manche später verbundene Organe getrennt und einzeln entstehen
und erst secundär zusammenstoſsen. Ganz dasselbe findet bei
den isolirt entstandenen Organtheilen Statt, doch combinirt es
sich hier zu folgenden verschiedenen Formen.

a. Als parallele Nebeneinanderlage. In den Muskeln und Seh-
nen rücken die isolirten Bündel immer nähe an einander, zwar
nicht so, daſs sie lauter parallele Leisten bilden, doch auf die
Art, daſs sie nach der Längenrichtung neben einander gelagert

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[643/0671] VIII. Entstehung der Organtheile und Gewebe. Uridee und Individualität sind Verschiedenes, Entgegengesetztes, und werden doch erst dadurch zu wahren Realitäten, daſs sie zu einem Dritten, von ihnen Verschiedenen und sie beide Umfassen- den eingehen. So sind auch in dieser frühen Zeit Organ und entfernterer Organtheil, wie Aeuſseres und Inneres, wie Uridee und Individualität überhaupt einander Entgegengesetztes. Beide sind in diesem Zustande für sich Nichts, als etwas Unvollkommenes. Jedes von ihnen muſs sich specieller individualisiren, um das spe- ciellste Organ mit seiner bestimmten äuſseren Form und der be- stimmten Conformation seiner entfernteren und entferntesten Or- gantheile darzustellen. Damit aber das Gesagte nicht als bloſses Raisonnement aufgenommen werde, wollen wir es durch das Bei- spiel eines Theiles erläutern. So findet sich in dem Blastema der Drüsen, sobald die erste einfache Ramification der Gänge entstan- den, ein gelappter Bau, scheinbar unabhängig von den im Innern enthaltenen Gängen. Das ganze Organ kann aber auch noch lange nicht die specielle Individualität aufweisen, welche es als ausge- bildete Drüse hat. Dies geschieht jedoch im Laufe der Entwicke- lung dadurch, daſs einerseits die Lappen sich immer theilen, die äuſsere Form also immer vielfacher wird, anderseits die Gänge sich immer mehr verästeln, der innere Bau immer zusammenge- setzter wird, bis zuletzt endlich jedes Drüsenläppchen ein be- stimmtes Conglomerat von Gängen, ein oder mehrere Drüsen- träubchen enthält. Dasselbe läſst sich auf die Muskeln, Sehnen, Knochen u. dgl. anwenden. Manche drüsigte Organe haben eine mehr einfache Form, wie die Nieren, die Leber, die Lungen u. dgl. Daſs diese aber erst secundär aus vielen äuſserlich getrennten Theilen entstehen, haben wir schon oben erwähnt. 3. Das Gesetz der Vereinigung. — Schon oben in der Ge- setzlehre der Organe hatten wir Gelegenheit zu bemerken, wie manche später verbundene Organe getrennt und einzeln entstehen und erst secundär zusammenstoſsen. Ganz dasselbe findet bei den isolirt entstandenen Organtheilen Statt, doch combinirt es sich hier zu folgenden verschiedenen Formen. a. Als parallele Nebeneinanderlage. In den Muskeln und Seh- nen rücken die isolirten Bündel immer nähe an einander, zwar nicht so, daſs sie lauter parallele Leisten bilden, doch auf die Art, daſs sie nach der Längenrichtung neben einander gelagert 41*

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/671>, abgerufen am 24.11.2024.