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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus.
Steinheim u. A., zu der der Vögel von Rolando, zu der der Säu-
gethiere von Bojanus, Cuvier u. A. und wenn auch diese Arbei-
ten keinesweges aus den Anregungen Döllingers unmittelbar und
allein hervorgingen, so zeugten sie doch deutlich genug von dem
lebhaft gefühlten Bedürfnisse, durch die Entwickelungsgeschichte
des Thieres wichtige Probleme der Physiologie zu lösen und eben
so glänzende Resultate auch auf diesem Wege zu erlangen, als die-
jenigen waren, welche man mit Hülfe der vergleichenden Anatomie
schon gewonnen hatte. Es war natürlich, dass beide Disciplinen
nun immer mehr Hand in hand gingen, einander wechselseitig
unterstützten, ergänzten und beleuchteten. Und so gewannen die
physiologischen Resultate, welche von Seiten des Idealismus durch
die Naturphilosophie, von Seiten des Realismus durch die ver-
gleichende Anatomie gewonnen waren, immer mehr an Breite, an
Specialitäten, an innerem Gehalte. Purkinje hatte im Jahre 1825
die Untersuchung des Vogeleies vor der Brütung, welches zuletzt
Dutrochet in Frankreich bearbeitet, wieder aufgenommen und au-
sser vielen mit Scharfsinn und Originalität behandelten Einzeln-
heiten die wichtige Entdeckung gemacht, dass das Vogelei, so
lange es dem Eierstocke angehört, in der Mitte der Narbe ein
Bläschen enthalte, welches bei dem Eintritte des Eies in den Ei-
leiter schwinde, wahrscheinlich platze und seinen Inhalt entleere.
Bei niederen Thieren wurde bald ein solches Bläschen ebenfalls
gefunden und auf die Allgemeinheit seines Vorkommens in der
Reihe der Thierwelt mit Recht geschlossen. Allein die Säuge-
thiere, deren erste Entwiekelungsgeschichte zum Theil heute noch
zu den Desideraten der Wissenschaft gehört, schienen hiervon
eine unerklärbare Ausnahme zu machen. Die Aehnlichkeit der
Form der Folliculi Graafiani mit den Eiern des Ovariums der
Vögel hatte schon vor drei Jahrhunderten zur Ueberzeugung ge-
führt, dass die Eierstöcke der Säugethiere und Vögel analoge Ge-
bilde seyen. Regner de Graaf hatte schon zu Ende des siebzehn-
ten Jahrhunderts aus einer Reihe ausgezeichneter Beobachtungen
mit vieler Wahrscheinlichkeit den Schluss gezogen, dass der Fol-
liculus ein sehr kleines Eichen in seinem Innern enthalte, welches
bei dem in Folge der Conception stattfindenden Platzen des Fol-
liculus übergeführt werde. Minder sorgsame Beobachtungen der
Nachfolger und vorzüglich die gewichtige Auctorität Hallers hat-
ten diese Wahrheit verdunkelt, und selbst erneuerte Versuche

I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus.
Steinheim u. A., zu der der Vögel von Rolando, zu der der Säu-
gethiere von Bojanus, Cuvier u. A. und wenn auch diese Arbei-
ten keinesweges aus den Anregungen Döllingers unmittelbar und
allein hervorgingen, so zeugten sie doch deutlich genug von dem
lebhaft gefühlten Bedürfnisse, durch die Entwickelungsgeschichte
des Thieres wichtige Probleme der Physiologie zu lösen und eben
so glänzende Resultate auch auf diesem Wege zu erlangen, als die-
jenigen waren, welche man mit Hülfe der vergleichenden Anatomie
schon gewonnen hatte. Es war natürlich, daſs beide Disciplinen
nun immer mehr Hand in hand gingen, einander wechselseitig
unterstützten, ergänzten und beleuchteten. Und so gewannen die
physiologischen Resultate, welche von Seiten des Idealismus durch
die Naturphilosophie, von Seiten des Realismus durch die ver-
gleichende Anatomie gewonnen waren, immer mehr an Breite, an
Specialitäten, an innerem Gehalte. Purkinje hatte im Jahre 1825
die Untersuchung des Vogeleies vor der Brütung, welches zuletzt
Dutrochet in Frankreich bearbeitet, wieder aufgenommen und au-
ſser vielen mit Scharfsinn und Originalität behandelten Einzeln-
heiten die wichtige Entdeckung gemacht, daſs das Vogelei, so
lange es dem Eierstocke angehört, in der Mitte der Narbe ein
Bläschen enthalte, welches bei dem Eintritte des Eies in den Ei-
leiter schwinde, wahrscheinlich platze und seinen Inhalt entleere.
Bei niederen Thieren wurde bald ein solches Bläschen ebenfalls
gefunden und auf die Allgemeinheit seines Vorkommens in der
Reihe der Thierwelt mit Recht geschlossen. Allein die Säuge-
thiere, deren erste Entwiekelungsgeschichte zum Theil heute noch
zu den Desideraten der Wissenschaft gehört, schienen hiervon
eine unerklärbare Ausnahme zu machen. Die Aehnlichkeit der
Form der Folliculi Graafiani mit den Eiern des Ovariums der
Vögel hatte schon vor drei Jahrhunderten zur Ueberzeugung ge-
führt, daſs die Eierstöcke der Säugethiere und Vögel analoge Ge-
bilde seyen. Regner de Graaf hatte schon zu Ende des siebzehn-
ten Jahrhunderts aus einer Reihe ausgezeichneter Beobachtungen
mit vieler Wahrscheinlichkeit den Schluſs gezogen, daſs der Fol-
liculus ein sehr kleines Eichen in seinem Innern enthalte, welches
bei dem in Folge der Conception stattfindenden Platzen des Fol-
liculus übergeführt werde. Minder sorgsame Beobachtungen der
Nachfolger und vorzüglich die gewichtige Auctorität Hallers hat-
ten diese Wahrheit verdunkelt, und selbst erneuerte Versuche

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[575/0603] I. Gegensatz zwischen Idealismus und Realismus. Steinheim u. A., zu der der Vögel von Rolando, zu der der Säu- gethiere von Bojanus, Cuvier u. A. und wenn auch diese Arbei- ten keinesweges aus den Anregungen Döllingers unmittelbar und allein hervorgingen, so zeugten sie doch deutlich genug von dem lebhaft gefühlten Bedürfnisse, durch die Entwickelungsgeschichte des Thieres wichtige Probleme der Physiologie zu lösen und eben so glänzende Resultate auch auf diesem Wege zu erlangen, als die- jenigen waren, welche man mit Hülfe der vergleichenden Anatomie schon gewonnen hatte. Es war natürlich, daſs beide Disciplinen nun immer mehr Hand in hand gingen, einander wechselseitig unterstützten, ergänzten und beleuchteten. Und so gewannen die physiologischen Resultate, welche von Seiten des Idealismus durch die Naturphilosophie, von Seiten des Realismus durch die ver- gleichende Anatomie gewonnen waren, immer mehr an Breite, an Specialitäten, an innerem Gehalte. Purkinje hatte im Jahre 1825 die Untersuchung des Vogeleies vor der Brütung, welches zuletzt Dutrochet in Frankreich bearbeitet, wieder aufgenommen und au- ſser vielen mit Scharfsinn und Originalität behandelten Einzeln- heiten die wichtige Entdeckung gemacht, daſs das Vogelei, so lange es dem Eierstocke angehört, in der Mitte der Narbe ein Bläschen enthalte, welches bei dem Eintritte des Eies in den Ei- leiter schwinde, wahrscheinlich platze und seinen Inhalt entleere. Bei niederen Thieren wurde bald ein solches Bläschen ebenfalls gefunden und auf die Allgemeinheit seines Vorkommens in der Reihe der Thierwelt mit Recht geschlossen. Allein die Säuge- thiere, deren erste Entwiekelungsgeschichte zum Theil heute noch zu den Desideraten der Wissenschaft gehört, schienen hiervon eine unerklärbare Ausnahme zu machen. Die Aehnlichkeit der Form der Folliculi Graafiani mit den Eiern des Ovariums der Vögel hatte schon vor drei Jahrhunderten zur Ueberzeugung ge- führt, daſs die Eierstöcke der Säugethiere und Vögel analoge Ge- bilde seyen. Regner de Graaf hatte schon zu Ende des siebzehn- ten Jahrhunderts aus einer Reihe ausgezeichneter Beobachtungen mit vieler Wahrscheinlichkeit den Schluſs gezogen, daſs der Fol- liculus ein sehr kleines Eichen in seinem Innern enthalte, welches bei dem in Folge der Conception stattfindenden Platzen des Fol- liculus übergeführt werde. Minder sorgsame Beobachtungen der Nachfolger und vorzüglich die gewichtige Auctorität Hallers hat- ten diese Wahrheit verdunkelt, und selbst erneuerte Versuche

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/603>, abgerufen am 23.11.2024.