Anhang. Ueb. mikrom. Result. d. ant. Entw. d. Drüs.
zu einem Hauptgange vereinigen, so verbinden sich die kleinsten Läppchen zu grösseren und diese wiederum zu Hauptlappen. Die Trennung aller dieser Abtheilungen von einander nimmt aber von den höheren zu den unteren zu ab, so dass die kleinsten Läpp- chen nur durch Furchen von einander geschieden werden. Die Gänge dagegen individualisiren sich so sehr, dass der Hauptgang immer durchaus isolirt und von der Masse des Drüsenorganes ge- schieden, ja über dieses hinausgehend gefunden wird.
Nachdem wir nun so den Cyclus der drüsenartigen Gebilde in Bezug auf ihre Entwickelungsgeschichte durchgemacht, dürfte es von Nutzen seyn, das allgemeine Urgesetz kürzlich mit einigen Worten anzudeuten. Die Genese aller hierher gehörenden Gebilde kommen in folgendem mit einander überein. Sie haben zwei schein- bar verschiedene und entgegengesetzte Momente, 1. einen Urstoff, ein Blastema und 2. eine innere Organisation. Wenn es für das be- fangene Auge des Menschen den Anschein hat, dass Blastema und Gänge, ein Jedes sich selbstständig organisire, so rührt dieses von der Beschränktheit unseres Geistes her, welcher nur Einzelnes sieht und auffasst und aus dem Einzelnen erst das Ganze zusam- mensetzt und combinirt. Das Blastema zerfällt in Läppchen, diese in kleinere Läppchen, und wenn dieses geschehen, constituiren sich allmählig bei fernerer Ausbildung grössere bleibende Abthei- lungen. Dieses giebt sich überall kund, natürlich aber da am mei- sten, wo das ganze Gebilde von einer festen Hülle umschlossen wird. Die innere Organisation geht aber ihren eigenen parallelen Gang. Es bildet sich eine Urhöhle, ein Urgang, welcher mit der primä- ren Bildung des Schleimblattes communicirt. Dieser verästelt sich, indem sich in dem Blastema neue Nebengänge erzeugen, die, da sie mit dem Urgange und dessen Aesten communiciren, als Nebenäste des Urganges und seiner Verästelung darstellen. So wird allmählig eine möglichst grosse Verästelung in einem mög- lichst kleinen Raume zu Stande gebracht. Wie aber kein Theil des Körpers seine Individualität verläugnet und einen überall bestimm- ten und distincten Charakter hat, so ist dieses auch bei den Verä- stelungen der Fall. Anders sind sie in der Lunge, anders in der Leber, dem Pankreas, der Parotis u. dgl. Die Nuancen sind oft sehr fein und am Wenigsten durch trockene Beschreibungen aus- zudrücken. Eigene Uebung und unmittelbare Anschauung vermag- hier, wie bei jedem Individuellen, mehr, als die immer nur All-
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Anhang. Ueb. mikrom. Result. d. ant. Entw. d. Drüs.
zu einem Hauptgange vereinigen, so verbinden sich die kleinsten Läppchen zu gröſseren und diese wiederum zu Hauptlappen. Die Trennung aller dieser Abtheilungen von einander nimmt aber von den höheren zu den unteren zu ab, so daſs die kleinsten Läpp- chen nur durch Furchen von einander geschieden werden. Die Gänge dagegen individualisiren sich so sehr, daſs der Hauptgang immer durchaus isolirt und von der Masse des Drüsenorganes ge- schieden, ja über dieses hinausgehend gefunden wird.
Nachdem wir nun so den Cyclus der drüsenartigen Gebilde in Bezug auf ihre Entwickelungsgeschichte durchgemacht, dürfte es von Nutzen seyn, das allgemeine Urgesetz kürzlich mit einigen Worten anzudeuten. Die Genese aller hierher gehörenden Gebilde kommen in folgendem mit einander überein. Sie haben zwei schein- bar verschiedene und entgegengesetzte Momente, 1. einen Urstoff, ein Blastema und 2. eine innere Organisation. Wenn es für das be- fangene Auge des Menschen den Anschein hat, daſs Blastema und Gänge, ein Jedes sich selbstständig organisire, so rührt dieses von der Beschränktheit unseres Geistes her, welcher nur Einzelnes sieht und auffaſst und aus dem Einzelnen erst das Ganze zusam- mensetzt und combinirt. Das Blastema zerfällt in Läppchen, diese in kleinere Läppchen, und wenn dieses geschehen, constituiren sich allmählig bei fernerer Ausbildung gröſsere bleibende Abthei- lungen. Dieses giebt sich überall kund, natürlich aber da am mei- sten, wo das ganze Gebilde von einer festen Hülle umschlossen wird. Die innere Organisation geht aber ihren eigenen parallelen Gang. Es bildet sich eine Urhöhle, ein Urgang, welcher mit der primä- ren Bildung des Schleimblattes communicirt. Dieser verästelt sich, indem sich in dem Blastema neue Nebengänge erzeugen, die, da sie mit dem Urgange und dessen Aesten communiciren, als Nebenäste des Urganges und seiner Verästelung darstellen. So wird allmählig eine möglichst groſse Verästelung in einem mög- lichst kleinen Raume zu Stande gebracht. Wie aber kein Theil des Körpers seine Individualität verläugnet und einen überall bestimm- ten und distincten Charakter hat, so ist dieses auch bei den Verä- stelungen der Fall. Anders sind sie in der Lunge, anders in der Leber, dem Pankreas, der Parotis u. dgl. Die Nuancen sind oft sehr fein und am Wenigsten durch trockene Beschreibungen aus- zudrücken. Eigene Uebung und unmittelbare Anschauung vermag- hier, wie bei jedem Individuellen, mehr, als die immer nur All-
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Anhang. Ueb. mikrom. Result. d. ant. Entw. d. Drüs.
zu einem Hauptgange vereinigen, so verbinden sich die kleinsten
Läppchen zu gröſseren und diese wiederum zu Hauptlappen. Die
Trennung aller dieser Abtheilungen von einander nimmt aber von
den höheren zu den unteren zu ab, so daſs die kleinsten Läpp-
chen nur durch Furchen von einander geschieden werden. Die
Gänge dagegen individualisiren sich so sehr, daſs der Hauptgang
immer durchaus isolirt und von der Masse des Drüsenorganes ge-
schieden, ja über dieses hinausgehend gefunden wird.
Nachdem wir nun so den Cyclus der drüsenartigen Gebilde
in Bezug auf ihre Entwickelungsgeschichte durchgemacht, dürfte
es von Nutzen seyn, das allgemeine Urgesetz kürzlich mit einigen
Worten anzudeuten. Die Genese aller hierher gehörenden Gebilde
kommen in folgendem mit einander überein. Sie haben zwei schein-
bar verschiedene und entgegengesetzte Momente, 1. einen Urstoff,
ein Blastema und 2. eine innere Organisation. Wenn es für das be-
fangene Auge des Menschen den Anschein hat, daſs Blastema und
Gänge, ein Jedes sich selbstständig organisire, so rührt dieses von
der Beschränktheit unseres Geistes her, welcher nur Einzelnes
sieht und auffaſst und aus dem Einzelnen erst das Ganze zusam-
mensetzt und combinirt. Das Blastema zerfällt in Läppchen, diese
in kleinere Läppchen, und wenn dieses geschehen, constituiren
sich allmählig bei fernerer Ausbildung gröſsere bleibende Abthei-
lungen. Dieses giebt sich überall kund, natürlich aber da am mei-
sten, wo das ganze Gebilde von einer festen Hülle umschlossen wird.
Die innere Organisation geht aber ihren eigenen parallelen Gang.
Es bildet sich eine Urhöhle, ein Urgang, welcher mit der primä-
ren Bildung des Schleimblattes communicirt. Dieser verästelt
sich, indem sich in dem Blastema neue Nebengänge erzeugen, die,
da sie mit dem Urgange und dessen Aesten communiciren, als
Nebenäste des Urganges und seiner Verästelung darstellen. So
wird allmählig eine möglichst groſse Verästelung in einem mög-
lichst kleinen Raume zu Stande gebracht. Wie aber kein Theil des
Körpers seine Individualität verläugnet und einen überall bestimm-
ten und distincten Charakter hat, so ist dieses auch bei den Verä-
stelungen der Fall. Anders sind sie in der Lunge, anders in der
Leber, dem Pankreas, der Parotis u. dgl. Die Nuancen sind oft
sehr fein und am Wenigsten durch trockene Beschreibungen aus-
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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/573>, abgerufen am 23.11.2024.
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