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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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deutlich. Denn das Letztere scheint zuerst die ganze Brust-
höhle auszufüllen und erst nach Entfernung desselben sicht man
die sehr kleinen länglichen Lungen dicht an der Wirbelsäule an-
liegen. Später treten sie mehr vor, so dass ein Theil derselben
schon nach Entfernung des Sternum unmittelbar in die Augen
fällt. Dieses rührt aber vorzüglich anfangs mehr von ihrer Vo-
lumenvergrösserung allein her. -- Ihre Farbe ist zuerst weiss, wird
dann gelblich weiss und zuletzt heller oder dunkeler röthlich. -- Ihre
Consistenz ist zuerst (besonders in Rücksicht auf ihre Wandungen),
relativ genommen, stärker, als späterhin. Von absolutem Stand-
punkte dagegen findet das Gegentheil Statt. Doch ist ihre Consistenz
nach der Luftathmung scheinbar (wegen der in ihnen enthaltenen
Luft) lockerer, als vorher. -- Ihr (specifisches) Gewicht ist nach ge-
schehener Athmung natürlich leichter, als vor derselben. So fand
Wrisberg (bei Danz II. S. 68.) das specifische Gewicht der noch
nicht durch Luft ausgedehnten Lunge 1,077, oder 1,053, oder
1,037, Sauvages 1,036. Doch ist dies, wie Schmitt zeigte (siehe
Meckels Anat. IV. S. 437.), nicht constant. Er fand das speci-
fische Gewicht von Lungen, welche noch nicht durch Athmung
verändert waren, bisweilen sogar geringer, als das lebendig gebore-
ner Früchte. Ueberhaupt finden sich hierüber in den Schriften der
Gerichtsärzte, da auf diesem Umstande die sogenannte Lungen-
probe beruht, die mannigfaltigsten Nachweisungen. Das Gewicht
der Lungen verhält sich zu dem des übrigen Körpers nach Meckel
(s. Burdachs Physiol. II. S. 555.), in der neunten und zehnten
Woche, wie 1:25 bis 1:27, am Ende des dritten Monates, wie
1:43, im zehnten Monate, wie 1:75 und im Erwachsenen, wie
1:35. -- Ihre Lage verändert sich im Laufe der Entwickelung.
In ihrer ersten Bildungsepoche rücken sie von vorn nach hinten,
theils dadurch, dass sie selbst an Volumen, besonders in der Di-
mension der Länge zunehmen, theils durch Ausbildung des Hal-
ses nach der Schliessung der Kiemenspalten. Späterhin aber ver-
mehrt sich ihr Umfang und sie nehmen dann nicht mehr bloss
die Nähe der Wirbelsäule ein, sondern füllen auch mehr den nach
dem Sternum hingerichteten Raum aus. -- Da sie als eine Aus-
stülpung der Speiseröhre entstehen, so nehmen sie die Gekrös-
platte mit sich und diese wird zu dem sie umhüllenden Blatte der
Pleura. Jedoch bedarf gerade dieser Punkt noch directer, künftiger
Erfahrungen, weil besonders das Verhältniss der Luftröhre zu die-

Von dem Embryo.
deutlich. Denn das Letztere scheint zuerst die ganze Brust-
höhle auszufüllen und erst nach Entfernung desselben sicht man
die sehr kleinen länglichen Lungen dicht an der Wirbelsäule an-
liegen. Später treten sie mehr vor, so daſs ein Theil derselben
schon nach Entfernung des Sternum unmittelbar in die Augen
fällt. Dieses rührt aber vorzüglich anfangs mehr von ihrer Vo-
lumenvergröſserung allein her. — Ihre Farbe ist zuerst weiſs, wird
dann gelblich weiſs und zuletzt heller oder dunkeler röthlich. — Ihre
Consistenz ist zuerst (besonders in Rücksicht auf ihre Wandungen),
relativ genommen, stärker, als späterhin. Von absolutem Stand-
punkte dagegen findet das Gegentheil Statt. Doch ist ihre Consistenz
nach der Luftathmung scheinbar (wegen der in ihnen enthaltenen
Luft) lockerer, als vorher. — Ihr (specifisches) Gewicht ist nach ge-
schehener Athmung natürlich leichter, als vor derselben. So fand
Wrisberg (bei Danz II. S. 68.) das specifische Gewicht der noch
nicht durch Luft ausgedehnten Lunge 1,077, oder 1,053, oder
1,037, Sauvages 1,036. Doch ist dies, wie Schmitt zeigte (siehe
Meckels Anat. IV. S. 437.), nicht constant. Er fand das speci-
fische Gewicht von Lungen, welche noch nicht durch Athmung
verändert waren, bisweilen sogar geringer, als das lebendig gebore-
ner Früchte. Ueberhaupt finden sich hierüber in den Schriften der
Gerichtsärzte, da auf diesem Umstande die sogenannte Lungen-
probe beruht, die mannigfaltigsten Nachweisungen. Das Gewicht
der Lungen verhält sich zu dem des übrigen Körpers nach Meckel
(s. Burdachs Physiol. II. S. 555.), in der neunten und zehnten
Woche, wie 1:25 bis 1:27, am Ende des dritten Monates, wie
1:43, im zehnten Monate, wie 1:75 und im Erwachsenen, wie
1:35. — Ihre Lage verändert sich im Laufe der Entwickelung.
In ihrer ersten Bildungsepoche rücken sie von vorn nach hinten,
theils dadurch, daſs sie selbst an Volumen, besonders in der Di-
mension der Länge zunehmen, theils durch Ausbildung des Hal-
ses nach der Schlieſsung der Kiemenspalten. Späterhin aber ver-
mehrt sich ihr Umfang und sie nehmen dann nicht mehr bloſs
die Nähe der Wirbelsäule ein, sondern füllen auch mehr den nach
dem Sternum hingerichteten Raum aus. — Da sie als eine Aus-
stülpung der Speiseröhre entstehen, so nehmen sie die Gekrös-
platte mit sich und diese wird zu dem sie umhüllenden Blatte der
Pleura. Jedoch bedarf gerade dieser Punkt noch directer, künftiger
Erfahrungen, weil besonders das Verhältniſs der Luftröhre zu die-

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[502/0530] Von dem Embryo. deutlich. Denn das Letztere scheint zuerst die ganze Brust- höhle auszufüllen und erst nach Entfernung desselben sicht man die sehr kleinen länglichen Lungen dicht an der Wirbelsäule an- liegen. Später treten sie mehr vor, so daſs ein Theil derselben schon nach Entfernung des Sternum unmittelbar in die Augen fällt. Dieses rührt aber vorzüglich anfangs mehr von ihrer Vo- lumenvergröſserung allein her. — Ihre Farbe ist zuerst weiſs, wird dann gelblich weiſs und zuletzt heller oder dunkeler röthlich. — Ihre Consistenz ist zuerst (besonders in Rücksicht auf ihre Wandungen), relativ genommen, stärker, als späterhin. Von absolutem Stand- punkte dagegen findet das Gegentheil Statt. Doch ist ihre Consistenz nach der Luftathmung scheinbar (wegen der in ihnen enthaltenen Luft) lockerer, als vorher. — Ihr (specifisches) Gewicht ist nach ge- schehener Athmung natürlich leichter, als vor derselben. So fand Wrisberg (bei Danz II. S. 68.) das specifische Gewicht der noch nicht durch Luft ausgedehnten Lunge 1,077, oder 1,053, oder 1,037, Sauvages 1,036. Doch ist dies, wie Schmitt zeigte (siehe Meckels Anat. IV. S. 437.), nicht constant. Er fand das speci- fische Gewicht von Lungen, welche noch nicht durch Athmung verändert waren, bisweilen sogar geringer, als das lebendig gebore- ner Früchte. Ueberhaupt finden sich hierüber in den Schriften der Gerichtsärzte, da auf diesem Umstande die sogenannte Lungen- probe beruht, die mannigfaltigsten Nachweisungen. Das Gewicht der Lungen verhält sich zu dem des übrigen Körpers nach Meckel (s. Burdachs Physiol. II. S. 555.), in der neunten und zehnten Woche, wie 1:25 bis 1:27, am Ende des dritten Monates, wie 1:43, im zehnten Monate, wie 1:75 und im Erwachsenen, wie 1:35. — Ihre Lage verändert sich im Laufe der Entwickelung. In ihrer ersten Bildungsepoche rücken sie von vorn nach hinten, theils dadurch, daſs sie selbst an Volumen, besonders in der Di- mension der Länge zunehmen, theils durch Ausbildung des Hal- ses nach der Schlieſsung der Kiemenspalten. Späterhin aber ver- mehrt sich ihr Umfang und sie nehmen dann nicht mehr bloſs die Nähe der Wirbelsäule ein, sondern füllen auch mehr den nach dem Sternum hingerichteten Raum aus. — Da sie als eine Aus- stülpung der Speiseröhre entstehen, so nehmen sie die Gekrös- platte mit sich und diese wird zu dem sie umhüllenden Blatte der Pleura. Jedoch bedarf gerade dieser Punkt noch directer, künftiger Erfahrungen, weil besonders das Verhältniſs der Luftröhre zu die-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/530>, abgerufen am 23.11.2024.