Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Embryo.

7. Der Dotter kann in beiden Klassen unmittelbar von dem
Embryo aufgenommen werden. Bei den Säugethieren geschieht
dieses nicht, wie es früher von Burdach einmal irrthümlich ange-
geben wurde, durch den Urachus, sondern durch den ductus om-
phalo-entericus
.

8. Die augeblich verschiedenen Lagenverhältnisse des Dot-
tersackes und des Nabelbläschens zu den übrigen Ei- und Frucht-
hüllen ergeben sich von selbst. Das Chorion umschliesst bei den
Säugethieren sowohl, als bei den Vögeln die Frucht und die Frucht-
hüllen. Bei den Vögeln dagegen, wo der Dottersack einen sehr
grossen Umfang hat und der Dottergang überaus kurz ist, wo
also das Amnion keine verhältnissmässige so grosse Extension in
Rücksicht der Chorionhöhle haben kann, liegt das Letztere mehr
vor und über dem Dottersacke. Bei den Säugethieren dagegen, in
welchen das kleine Nabelbläschen mit einem verhältnissmässig sehr
langen ductus omphalo-enter. versehen ist, liegt es deutlicher zwi-
schen Amnion und Chorion. Im Grunde genommen ist aber das Ver-
hältniss bei beiden dasselbe. Das Chorion umschliesst in beiden
Klassen die Frucht und die Fruchthüllen (Dottersack, Amnion und
Allantois). Die Letzteren gehen sämmtlich von der Nabelöffnung
aus, und zwar das Amnion in grösster Extension um den bei Wei-
tem ausgedehntesten Theil der inneren Fläche des Chorion, der
Dottersack (relativ zur Lage des Embryo) mehr nach unten, die
Allantois dagegen nach hinten und zuletzt nach oben.

Wir kommen nun zur Entwickelungsgeschichte des Darmka-
nales selbst, d. h. zur Darstellung der primären Entwickelung
des Schleimblattes in der Klasse der Säugethiere. Wie es oben
von den Vögeln berichtet wurde, dass durch Hineinziehen des
Schleimblattes in die Höhle des Embryo zuerst eine vorn und
hinten eindringende Grube, welche in der Mitte durch eine dem
Dotter zugekehrte Rinne verbunden ist, sich bildet, so findet die-
ses nicht minder bei den Säugethieren Statt. Diesen sehr frü-
hen Zustand hat von Bär (de ovo p. 4.) bei seinen vier Linien
langen Hundeembryonen gefunden und (fig. VII. a.) abgebildet, so
wie durch eine schöne Durchschnittszeichnung (fig. VII. 6.) er-
läutert. Die Abschnürung geht nun rasch von hinten nach vorn
sowohl, als von vorn nach hinten vor sich, so dass bald der Darm-
kanal ein einfaches langes, nur durch eine kleine Mündung mit
dem ductus omphalo-entericus verbundenes Rohr darstellt. Al-

Von dem Embryo.

7. Der Dotter kann in beiden Klassen unmittelbar von dem
Embryo aufgenommen werden. Bei den Säugethieren geschieht
dieses nicht, wie es früher von Burdach einmal irrthümlich ange-
geben wurde, durch den Urachus, sondern durch den ductus om-
phalo-entericus
.

8. Die augeblich verschiedenen Lagenverhältnisse des Dot-
tersackes und des Nabelbläschens zu den übrigen Ei- und Frucht-
hüllen ergeben sich von selbst. Das Chorion umschlieſst bei den
Säugethieren sowohl, als bei den Vögeln die Frucht und die Frucht-
hüllen. Bei den Vögeln dagegen, wo der Dottersack einen sehr
groſsen Umfang hat und der Dottergang überaus kurz ist, wo
also das Amnion keine verhältniſsmäſsige so groſse Extension in
Rücksicht der Chorionhöhle haben kann, liegt das Letztere mehr
vor und über dem Dottersacke. Bei den Säugethieren dagegen, in
welchen das kleine Nabelbläschen mit einem verhältniſsmäſsig sehr
langen ductus omphalo-enter. versehen ist, liegt es deutlicher zwi-
schen Amnion und Chorion. Im Grunde genommen ist aber das Ver-
hältniſs bei beiden dasselbe. Das Chorion umschlieſst in beiden
Klassen die Frucht und die Fruchthüllen (Dottersack, Amnion und
Allantois). Die Letzteren gehen sämmtlich von der Nabelöffnung
aus, und zwar das Amnion in gröſster Extension um den bei Wei-
tem ausgedehntesten Theil der inneren Fläche des Chorion, der
Dottersack (relativ zur Lage des Embryo) mehr nach unten, die
Allantois dagegen nach hinten und zuletzt nach oben.

Wir kommen nun zur Entwickelungsgeschichte des Darmka-
nales selbst, d. h. zur Darstellung der primären Entwickelung
des Schleimblattes in der Klasse der Säugethiere. Wie es oben
von den Vögeln berichtet wurde, daſs durch Hineinziehen des
Schleimblattes in die Höhle des Embryo zuerst eine vorn und
hinten eindringende Grube, welche in der Mitte durch eine dem
Dotter zugekehrte Rinne verbunden ist, sich bildet, so findet die-
ses nicht minder bei den Säugethieren Statt. Diesen sehr frü-
hen Zustand hat von Bär (de ovo p. 4.) bei seinen vier Linien
langen Hundeembryonen gefunden und (fig. VII. a.) abgebildet, so
wie durch eine schöne Durchschnittszeichnung (fig. VII. 6.) er-
läutert. Die Abschnürung geht nun rasch von hinten nach vorn
sowohl, als von vorn nach hinten vor sich, so daſs bald der Darm-
kanal ein einfaches langes, nur durch eine kleine Mündung mit
dem ductus omphalo-entericus verbundenes Rohr darstellt. Al-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0470" n="442"/>
            <fw place="top" type="header">Von dem Embryo.</fw><lb/>
            <p>7. Der Dotter kann in beiden Klassen unmittelbar von dem<lb/>
Embryo aufgenommen werden. Bei den Säugethieren geschieht<lb/>
dieses nicht, wie es früher von Burdach einmal irrthümlich ange-<lb/>
geben wurde, durch den Urachus, sondern durch den <hi rendition="#i">ductus om-<lb/>
phalo-entericus</hi>.</p><lb/>
            <p>8. Die augeblich verschiedenen Lagenverhältnisse des Dot-<lb/>
tersackes und des Nabelbläschens zu den übrigen Ei- und Frucht-<lb/>
hüllen ergeben sich von selbst. Das Chorion umschlie&#x017F;st bei den<lb/>
Säugethieren sowohl, als bei den Vögeln die Frucht und die Frucht-<lb/>
hüllen. Bei den Vögeln dagegen, wo der Dottersack einen sehr<lb/>
gro&#x017F;sen Umfang hat und der Dottergang überaus kurz ist, wo<lb/>
also das Amnion keine verhältni&#x017F;smä&#x017F;sige so gro&#x017F;se Extension in<lb/>
Rücksicht der Chorionhöhle haben kann, liegt das Letztere mehr<lb/>
vor und über dem Dottersacke. Bei den Säugethieren dagegen, in<lb/>
welchen das kleine Nabelbläschen mit einem verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig sehr<lb/>
langen <hi rendition="#i">ductus omphalo-enter</hi>. versehen ist, liegt es deutlicher zwi-<lb/>
schen Amnion und Chorion. Im Grunde genommen ist aber das Ver-<lb/>
hältni&#x017F;s bei beiden dasselbe. Das Chorion umschlie&#x017F;st in beiden<lb/>
Klassen die Frucht und die Fruchthüllen (Dottersack, Amnion und<lb/>
Allantois). Die Letzteren gehen sämmtlich von der Nabelöffnung<lb/>
aus, und zwar das Amnion in grö&#x017F;ster Extension um den bei Wei-<lb/>
tem ausgedehntesten Theil der inneren Fläche des Chorion, der<lb/>
Dottersack (relativ zur Lage des Embryo) mehr nach unten, die<lb/>
Allantois dagegen nach hinten und zuletzt nach oben.</p><lb/>
            <p>Wir kommen nun zur Entwickelungsgeschichte des Darmka-<lb/>
nales selbst, d. h. zur Darstellung der primären Entwickelung<lb/>
des Schleimblattes in der Klasse der Säugethiere. Wie es oben<lb/>
von den Vögeln berichtet wurde, da&#x017F;s durch Hineinziehen des<lb/>
Schleimblattes in die Höhle des Embryo zuerst eine vorn und<lb/>
hinten eindringende Grube, welche in der Mitte durch eine dem<lb/>
Dotter zugekehrte Rinne verbunden ist, sich bildet, so findet die-<lb/>
ses nicht minder bei den Säugethieren Statt. Diesen sehr frü-<lb/>
hen Zustand hat von Bär (<hi rendition="#i">de ovo p</hi>. 4.) bei seinen vier Linien<lb/>
langen Hundeembryonen gefunden und (fig. VII. a.) abgebildet, so<lb/>
wie durch eine schöne Durchschnittszeichnung (fig. VII. 6.) er-<lb/>
läutert. Die Abschnürung geht nun rasch von hinten nach vorn<lb/>
sowohl, als von vorn nach hinten vor sich, so da&#x017F;s bald der Darm-<lb/>
kanal ein einfaches langes, nur durch eine kleine Mündung mit<lb/>
dem <hi rendition="#i">ductus omphalo-entericus</hi> verbundenes Rohr darstellt. Al-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0470] Von dem Embryo. 7. Der Dotter kann in beiden Klassen unmittelbar von dem Embryo aufgenommen werden. Bei den Säugethieren geschieht dieses nicht, wie es früher von Burdach einmal irrthümlich ange- geben wurde, durch den Urachus, sondern durch den ductus om- phalo-entericus. 8. Die augeblich verschiedenen Lagenverhältnisse des Dot- tersackes und des Nabelbläschens zu den übrigen Ei- und Frucht- hüllen ergeben sich von selbst. Das Chorion umschlieſst bei den Säugethieren sowohl, als bei den Vögeln die Frucht und die Frucht- hüllen. Bei den Vögeln dagegen, wo der Dottersack einen sehr groſsen Umfang hat und der Dottergang überaus kurz ist, wo also das Amnion keine verhältniſsmäſsige so groſse Extension in Rücksicht der Chorionhöhle haben kann, liegt das Letztere mehr vor und über dem Dottersacke. Bei den Säugethieren dagegen, in welchen das kleine Nabelbläschen mit einem verhältniſsmäſsig sehr langen ductus omphalo-enter. versehen ist, liegt es deutlicher zwi- schen Amnion und Chorion. Im Grunde genommen ist aber das Ver- hältniſs bei beiden dasselbe. Das Chorion umschlieſst in beiden Klassen die Frucht und die Fruchthüllen (Dottersack, Amnion und Allantois). Die Letzteren gehen sämmtlich von der Nabelöffnung aus, und zwar das Amnion in gröſster Extension um den bei Wei- tem ausgedehntesten Theil der inneren Fläche des Chorion, der Dottersack (relativ zur Lage des Embryo) mehr nach unten, die Allantois dagegen nach hinten und zuletzt nach oben. Wir kommen nun zur Entwickelungsgeschichte des Darmka- nales selbst, d. h. zur Darstellung der primären Entwickelung des Schleimblattes in der Klasse der Säugethiere. Wie es oben von den Vögeln berichtet wurde, daſs durch Hineinziehen des Schleimblattes in die Höhle des Embryo zuerst eine vorn und hinten eindringende Grube, welche in der Mitte durch eine dem Dotter zugekehrte Rinne verbunden ist, sich bildet, so findet die- ses nicht minder bei den Säugethieren Statt. Diesen sehr frü- hen Zustand hat von Bär (de ovo p. 4.) bei seinen vier Linien langen Hundeembryonen gefunden und (fig. VII. a.) abgebildet, so wie durch eine schöne Durchschnittszeichnung (fig. VII. 6.) er- läutert. Die Abschnürung geht nun rasch von hinten nach vorn sowohl, als von vorn nach hinten vor sich, so daſs bald der Darm- kanal ein einfaches langes, nur durch eine kleine Mündung mit dem ductus omphalo-entericus verbundenes Rohr darstellt. Al-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/470
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/470>, abgerufen am 23.11.2024.