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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
Haller (Elem. physiol. VIII. p. 238--250.) nimmt, nämlich nicht
sowohl als modificirte Respiration, denn als wahre Ernährung und
wahrhaft reichliche und durch nichts vermittelte Zufuhr von Ali-
mentations- und Wachsthumsstoffen. Den Uebergang der Frucht-
gefässe in die Gefässe der Mutter stützt H. auf folgende leicht
zu widerlegende Gründe: 1. Das plötzliche Aufhören des Ka-
tamenialflusses nach der Conception sey unerklärlich, wenn man
nicht annähme, dass das auszuscheidende Blut unmittelbar in die
Placenta übergehe. Die Möglichkeit aber überhaupt, dass wäh-
rend der Ausbildung des Eies im Uterus wahres Blut ausgeschie-
den werde, wird nirgends dargethan. Wodurch würde auch der
Fötus derjenigen Frauen ernährt, welche selbst während der
Schwangerschaft oder nur in dieser menstruiren? 2. Stärkere
Fötus haben weniger Schaafwasser; ihre Placenta hängt aber fe-
ster an. Von beiden Dingen wird häufig genug gerade das Ge-
gentheil beobachtet. 3. Hat die Mutter vor ihrem Tode sehr viel
Blut verloren, so ist auch die Frucht blutlos, wie Deny's Erfah-
rungen an Katzen und Mery's an Hasen darthun. Nach Letzterem
sey, wenn der Fötus in dem Uterus durch Compression der Na-
belschnur abgestorben, der erstere mit Blut überfüllt. Auch sol-
len sich Frauen nach der Ausschliessung der Frucht durch den
Nabelstrang verblutet haben. Allein die letztere Erfahrung hat
schon Röderer bestritten, die zweite beweist gar Nichts und die
erste ist, wie v. Bär (Gefässverb. S. 25.) gezeigt hat, durchaus
unwahr. Ja Wrisberg hat schon vor einem halben Jahrhundert
an Menschen, Hunden und Katzen in dieser Beziehung dieselben
Erfahrungen wie v. Bär gemacht (s. Hallers Grundr. II. S. 790.).
4. Nach Entfernung der Placenta trete bedeutende Hämorrhagie
aus dem Uterus ein. Die oben beschriebene innige Verbindung
zwischen Mutter- und Fruchtkuchen, wodurch so leicht einzelne
Uterinalgefässe verletzt werden, lässt dieses nur erwarten. Könnte
aber eine Frau eine Geburt überleben, wenn bei Lösung der Pla-
centa nothwendiger Weise alle die grossen Gefässstämme des
Fruchthälters zerrissen würden? 5. Bei Injection des Fruchtku-
chens durch die Nabelgefässe tritt Masse auf der Uterinfläche aus.
Wie leicht aber die Placentargefässe ohne die vorsichtigste Be-
handlung verletzt werden, hat W. Hunter schon hinlänglich ge-
zeigt. 6. Mehrere und unter ihnen sehr geachtete Anatomen
sahen Injectionen aus den Gebärmuttergefässen in die Placentar-

Von dem Embryo.
Haller (Elem. physiol. VIII. p. 238—250.) nimmt, nämlich nicht
sowohl als modificirte Respiration, denn als wahre Ernährung und
wahrhaft reichliche und durch nichts vermittelte Zufuhr von Ali-
mentations- und Wachsthumsstoffen. Den Uebergang der Frucht-
gefäſse in die Gefäſse der Mutter stützt H. auf folgende leicht
zu widerlegende Gründe: 1. Das plötzliche Aufhören des Ka-
tamenialflusses nach der Conception sey unerklärlich, wenn man
nicht annähme, daſs das auszuscheidende Blut unmittelbar in die
Placenta übergehe. Die Möglichkeit aber überhaupt, daſs wäh-
rend der Ausbildung des Eies im Uterus wahres Blut ausgeschie-
den werde, wird nirgends dargethan. Wodurch würde auch der
Fötus derjenigen Frauen ernährt, welche selbst während der
Schwangerschaft oder nur in dieser menstruiren? 2. Stärkere
Fötus haben weniger Schaafwasser; ihre Placenta hängt aber fe-
ster an. Von beiden Dingen wird häufig genug gerade das Ge-
gentheil beobachtet. 3. Hat die Mutter vor ihrem Tode sehr viel
Blut verloren, so ist auch die Frucht blutlos, wie Deny’s Erfah-
rungen an Katzen und Mery’s an Hasen darthun. Nach Letzterem
sey, wenn der Fötus in dem Uterus durch Compression der Na-
belschnur abgestorben, der erstere mit Blut überfüllt. Auch sol-
len sich Frauen nach der Ausschlieſsung der Frucht durch den
Nabelstrang verblutet haben. Allein die letztere Erfahrung hat
schon Röderer bestritten, die zweite beweist gar Nichts und die
erste ist, wie v. Bär (Gefäſsverb. S. 25.) gezeigt hat, durchaus
unwahr. Ja Wrisberg hat schon vor einem halben Jahrhundert
an Menschen, Hunden und Katzen in dieser Beziehung dieselben
Erfahrungen wie v. Bär gemacht (s. Hallers Grundr. II. S. 790.).
4. Nach Entfernung der Placenta trete bedeutende Hämorrhagie
aus dem Uterus ein. Die oben beschriebene innige Verbindung
zwischen Mutter- und Fruchtkuchen, wodurch so leicht einzelne
Uterinalgefäſse verletzt werden, läſst dieses nur erwarten. Könnte
aber eine Frau eine Geburt überleben, wenn bei Lösung der Pla-
centa nothwendiger Weise alle die groſsen Gefäſsstämme des
Fruchthälters zerrissen würden? 5. Bei Injection des Fruchtku-
chens durch die Nabelgefäſse tritt Masse auf der Uterinfläche aus.
Wie leicht aber die Placentargefäſse ohne die vorsichtigste Be-
handlung verletzt werden, hat W. Hunter schon hinlänglich ge-
zeigt. 6. Mehrere und unter ihnen sehr geachtete Anatomen
sahen Injectionen aus den Gebärmuttergefäſsen in die Placentar-

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[328/0356] Von dem Embryo. Haller (Elem. physiol. VIII. p. 238—250.) nimmt, nämlich nicht sowohl als modificirte Respiration, denn als wahre Ernährung und wahrhaft reichliche und durch nichts vermittelte Zufuhr von Ali- mentations- und Wachsthumsstoffen. Den Uebergang der Frucht- gefäſse in die Gefäſse der Mutter stützt H. auf folgende leicht zu widerlegende Gründe: 1. Das plötzliche Aufhören des Ka- tamenialflusses nach der Conception sey unerklärlich, wenn man nicht annähme, daſs das auszuscheidende Blut unmittelbar in die Placenta übergehe. Die Möglichkeit aber überhaupt, daſs wäh- rend der Ausbildung des Eies im Uterus wahres Blut ausgeschie- den werde, wird nirgends dargethan. Wodurch würde auch der Fötus derjenigen Frauen ernährt, welche selbst während der Schwangerschaft oder nur in dieser menstruiren? 2. Stärkere Fötus haben weniger Schaafwasser; ihre Placenta hängt aber fe- ster an. Von beiden Dingen wird häufig genug gerade das Ge- gentheil beobachtet. 3. Hat die Mutter vor ihrem Tode sehr viel Blut verloren, so ist auch die Frucht blutlos, wie Deny’s Erfah- rungen an Katzen und Mery’s an Hasen darthun. Nach Letzterem sey, wenn der Fötus in dem Uterus durch Compression der Na- belschnur abgestorben, der erstere mit Blut überfüllt. Auch sol- len sich Frauen nach der Ausschlieſsung der Frucht durch den Nabelstrang verblutet haben. Allein die letztere Erfahrung hat schon Röderer bestritten, die zweite beweist gar Nichts und die erste ist, wie v. Bär (Gefäſsverb. S. 25.) gezeigt hat, durchaus unwahr. Ja Wrisberg hat schon vor einem halben Jahrhundert an Menschen, Hunden und Katzen in dieser Beziehung dieselben Erfahrungen wie v. Bär gemacht (s. Hallers Grundr. II. S. 790.). 4. Nach Entfernung der Placenta trete bedeutende Hämorrhagie aus dem Uterus ein. Die oben beschriebene innige Verbindung zwischen Mutter- und Fruchtkuchen, wodurch so leicht einzelne Uterinalgefäſse verletzt werden, läſst dieses nur erwarten. Könnte aber eine Frau eine Geburt überleben, wenn bei Lösung der Pla- centa nothwendiger Weise alle die groſsen Gefäſsstämme des Fruchthälters zerrissen würden? 5. Bei Injection des Fruchtku- chens durch die Nabelgefäſse tritt Masse auf der Uterinfläche aus. Wie leicht aber die Placentargefäſse ohne die vorsichtigste Be- handlung verletzt werden, hat W. Hunter schon hinlänglich ge- zeigt. 6. Mehrere und unter ihnen sehr geachtete Anatomen sahen Injectionen aus den Gebärmuttergefäſsen in die Placentar-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/356>, abgerufen am 23.11.2024.