Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Ei des Vogels.
welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, dass es
den Eierstock verlässt und in den Eileiter eintritt, sieht man
schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich weissen, cir-
culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na-
men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer-
reisst man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel-
ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich weisse
Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un-
durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen, körnerlosen
und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung
wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge-
macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie-
derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe-
brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war
so glücklich, das Verhältniss dieses durchsichtigen, körnerlosen
Punktes in ein helleres Licht zu setzen. Er fand nämlich (l. c.
p. 5.), dass, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem
Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen
Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt
kugelrunde Gestalt hatte, aber von äusserster Zartheit war, so
dass es sehr leicht riss und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel-
ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur-
kinje'sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes
vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche
schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit
dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der
Körnerschicht der Narbe eingebettet, so dass diese rings um das-
selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen,
als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die
Abbildung bei Purkinje l. c. tab. X. Fig. 5.). Mit seiner nach
aussen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot-
terhaut (Purkinje l. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi-
sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe
zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander
liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan-
der verbundenen Körnchen, welche auf den ersten Blick in Form
einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn
scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst
applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es

Ei des Vogels.
welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, daſs es
den Eierstock verläſst und in den Eileiter eintritt, sieht man
schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich weiſsen, cir-
culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na-
men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer-
reiſst man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel-
ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich weiſse
Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un-
durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen, körnerlosen
und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung
wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge-
macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie-
derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe-
brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war
so glücklich, das Verhältniſs dieses durchsichtigen, körnerlosen
Punktes in ein helleres Licht zu setzen. Er fand nämlich (l. c.
p. 5.), daſs, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem
Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen
Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt
kugelrunde Gestalt hatte, aber von äuſserster Zartheit war, so
daſs es sehr leicht riſs und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel-
ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur-
kinje’sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes
vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche
schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit
dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der
Körnerschicht der Narbe eingebettet, so daſs diese rings um das-
selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen,
als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die
Abbildung bei Purkinje l. c. tab. X. Fig. 5.). Mit seiner nach
auſsen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot-
terhaut (Purkinje l. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi-
sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe
zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander
liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan-
der verbundenen Körnchen, welche auf den ersten Blick in Form
einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn
scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst
applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="7"/><fw place="top" type="header">Ei des Vogels.</fw><lb/>
welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, da&#x017F;s es<lb/>
den Eierstock verlä&#x017F;st und in den Eileiter eintritt, sieht man<lb/>
schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich wei&#x017F;sen, cir-<lb/>
culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na-<lb/>
men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer-<lb/>
rei&#x017F;st man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel-<lb/>
ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich wei&#x017F;se<lb/>
Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un-<lb/>
durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen, körnerlosen<lb/>
und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung<lb/>
wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge-<lb/>
macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie-<lb/>
derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe-<lb/>
brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war<lb/>
so glücklich, das Verhältni&#x017F;s dieses durchsichtigen, körnerlosen<lb/>
Punktes in ein helleres Licht zu setzen. Er fand nämlich (l. c.<lb/>
p. 5.), da&#x017F;s, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem<lb/>
Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen<lb/>
Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt<lb/>
kugelrunde Gestalt hatte, aber von äu&#x017F;serster Zartheit war, so<lb/>
da&#x017F;s es sehr leicht ri&#x017F;s und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel-<lb/>
ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur-<lb/>
kinje&#x2019;sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes<lb/>
vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche<lb/>
schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit<lb/>
dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der<lb/>
Körnerschicht der Narbe eingebettet, so da&#x017F;s diese rings um das-<lb/>
selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen,<lb/>
als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die<lb/>
Abbildung bei Purkinje l. c. tab. X. Fig. 5.). Mit seiner nach<lb/>
au&#x017F;sen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot-<lb/>
terhaut (Purkinje l. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi-<lb/>
sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe<lb/>
zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander<lb/>
liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan-<lb/>
der verbundenen Körnchen, welche auf den ersten Blick in Form<lb/>
einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn<lb/>
scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst<lb/>
applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0035] Ei des Vogels. welches in seiner Entwickelung so weit vorgerückt ist, daſs es den Eierstock verläſst und in den Eileiter eintritt, sieht man schon durch die Dotterhaut hindurch einen graulich weiſsen, cir- culären Fleck, welcher von frühen Zeiten her unter dem Na- men der Narbe, Macula oder Cicatricula bekannt ist. Zer- reiſst man nun das Ei und durchsucht alsdann den Inhalt dessel- ben genau, so findet man die Narbe als eine graulich weiſse Scheibe, welche in der ganzen Peripherie dicht, körnig und un- durchsichtig ist, in der Mitte dagegen einen hellen, körnerlosen und vollkommen durchsichtigen Punkt zeigt. Diese Beobachtung wurde schon von Fabrizius ab Aquapendente, Harvey u. A. ge- macht und von sehr vielen Naturforschern mit Leichtigkeit wie- derholt. Purkinje, welcher die Untersuchungen über das unbe- brütete Ei des Vogels im Jahre 1825 wiederum aufnahm, war so glücklich, das Verhältniſs dieses durchsichtigen, körnerlosen Punktes in ein helleres Licht zu setzen. Er fand nämlich (l. c. p. 5.), daſs, wenn er die dunkele, körnige Masse mit einem Röhrchen aufsog, ein vollkommen durchsichtiges, mit einer hellen Lymphe gefülltes Bläschen zurückblieb, welches eine bestimmt kugelrunde Gestalt hatte, aber von äuſserster Zartheit war, so daſs es sehr leicht riſs und zerrann. Da er dieses Bläschen, wel- ches spätere Naturforscher auch nach seinem Entdecker das Pur- kinje’sche Bläschen genannt haben, in den Eiern des Eierstockes vorfand, nicht aber in denjenigen zu sehen vermochte, welche schon in den Eileiter getreten waren, so belegte er dasselbe mit dem Namen des Keimbläschens. Dieses Keimbläschen ist in der Körnerschicht der Narbe eingebettet, so daſs diese rings um das- selbe eine Vertiefung bildet, welche aber, von oben angesehen, als ein das Bläschen umgebender, runder Kreis erscheint (s. die Abbildung bei Purkinje l. c. tab. X. Fig. 5.). Mit seiner nach auſsen gekehrten Oberfläche berührt es die Innenfläche der Dot- terhaut (Purkinje l. c. tab. I. Fig. 8.), ohne mit ihr auf organi- sche Weise verwachsen zu sein. Die Scheibe, welche dasselbe zunächst umgiebt, besteht aus vielen kleinen, dicht an einander liegenden und durch einen durchsichtigen, zähen Stoff mit einan- der verbundenen Körnchen, welche auf den ersten Blick in Form einer rundlichen oder länglich runden Scheibe begrenzt zu seyn scheinen. Allein durch Beobachtung dieser Scheibe vermittelst applanatischer Linsen innerhalb des unverletzten Eies wird es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/35
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/35>, abgerufen am 28.03.2024.