Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Von dem Embryo. sämmtlich zu einer Zeit, wo das ganze innere Gehörorgan nocheine weiche Knorpelmasse darstellt. Sie sind daher an Schaaffötus von sechs Linien bis zwei Zoll Länge aufzusuchen. Die späteren Stadien habe ich auch an etwas grösseren Kuh- und Schweinefö- tus bestätigt gefunden. Von nun an schreitet das Labyrinth in sei- ner Ausbildung rasch vorwärts und erreicht bald seine vollkommene Gestalt. Am Schnellsten geschieht dieses vielleicht verhältnissmässig bei dem Menschen. So sah es Meckel (Anat. IV. S. 48.) schon im dritten Monate morphologisch ausgebildet, eine Erfahrung, die zum Theil schon früher Valsalva, Cassebohm, Schelhammer u. A. gemacht hatten. -- Auch besteht nach ihm das häutige Labyrinth aus zwei Membranen, welche in einander geschoben und sonst durchaus nicht mit einander verbunden sind. Die innerste von diesen ist weiss, durchsichtig, dünn, aber fest, ohne weder mit dem früheren Knorpel, noch dem späteren Knochen zusammenzu- hängen. Nach Breschet (Ann. des sc. nat. 1833. p. 119.) ist die- ses nur an den Stellen der Fall, wo Nervenfäden in dieselbe ein- gehen. Die äussere Haut ist nach innen glatt, nach aussen rauh, scheint nach Meckel in früherer Zeit genauer an den Knorpel ge- heftet zu seyn, als später und verschwindet nach ihm (l. c. S. 48.) im siebenten Monate. Breschet (l. c. p. 129.) dagegen hat sie im zarteren Alter deutlicher gesehen, als in dem Erwachse- nen. Der Hörnerve, welcher die Höhle des einfachen Schlauches fast ganz ausfüllt, verliert späterhin etwas an Dicke und folgt, wie es scheint, den Aussackungen. So sieht man ihn als einen dicken weissen Strang den Windungen des Schneckenrohres fol- gen, keine bedeutenden Seitenfasern gegen die Wände hin abge- ben, sondern frei in ihm liegen. Vergeblich suchte ich an dieser Stelle nach Crystallen. Ich wage aber ihre Anwesenheit in frü- hester Zeit nicht zu läugnen. Dagegen sah ich in der Substanz der Flüssigkeit selbst eine sonderbare Eigenthümlichkeit. Sie ent- hielt nämlich eine Masse meist rundlicher, bisweilen auch mit geradlinigten Seitenflächen begabter Kügelchen von 0,000608 P. Z. bis 0,000810 P. Z. im Durchmesser, welche in ihrem Innern einen dunkelen Kern hatten und deutlich mit kleinen lanzettför- migen Schwänzchen versehen waren, so dass eine entfernte Aehn- lichkeit mit Zerkarien hieraus entstand. Ist dieses etwa ein Ue- bergangsmoment der Histiogenie der Sinnesnerven? -- Die in dem Labyrinthe enthaltene Blainvillesche Vitrine sowohl, als auch die
Von dem Embryo. sämmtlich zu einer Zeit, wo das ganze innere Gehörorgan nocheine weiche Knorpelmasse darstellt. Sie sind daher an Schaaffötus von sechs Linien bis zwei Zoll Länge aufzusuchen. Die späteren Stadien habe ich auch an etwas gröſseren Kuh- und Schweinefö- tus bestätigt gefunden. Von nun an schreitet das Labyrinth in sei- ner Ausbildung rasch vorwärts und erreicht bald seine vollkommene Gestalt. Am Schnellsten geschieht dieses vielleicht verhältniſsmäſsig bei dem Menschen. So sah es Meckel (Anat. IV. S. 48.) schon im dritten Monate morphologisch ausgebildet, eine Erfahrung, die zum Theil schon früher Valsalva, Cassebohm, Schelhammer u. A. gemacht hatten. — Auch besteht nach ihm das häutige Labyrinth aus zwei Membranen, welche in einander geschoben und sonst durchaus nicht mit einander verbunden sind. Die innerste von diesen ist weiſs, durchsichtig, dünn, aber fest, ohne weder mit dem früheren Knorpel, noch dem späteren Knochen zusammenzu- hängen. Nach Breschet (Ann. des sc. nat. 1833. p. 119.) ist die- ses nur an den Stellen der Fall, wo Nervenfäden in dieselbe ein- gehen. Die äuſsere Haut ist nach innen glatt, nach auſsen rauh, scheint nach Meckel in früherer Zeit genauer an den Knorpel ge- heftet zu seyn, als später und verschwindet nach ihm (l. c. S. 48.) im siebenten Monate. Breschet (l. c. p. 129.) dagegen hat sie im zarteren Alter deutlicher gesehen, als in dem Erwachse- nen. Der Hörnerve, welcher die Höhle des einfachen Schlauches fast ganz ausfüllt, verliert späterhin etwas an Dicke und folgt, wie es scheint, den Aussackungen. So sieht man ihn als einen dicken weiſsen Strang den Windungen des Schneckenrohres fol- gen, keine bedeutenden Seitenfasern gegen die Wände hin abge- ben, sondern frei in ihm liegen. Vergeblich suchte ich an dieser Stelle nach Crystallen. Ich wage aber ihre Anwesenheit in frü- hester Zeit nicht zu läugnen. Dagegen sah ich in der Substanz der Flüssigkeit selbst eine sonderbare Eigenthümlichkeit. Sie ent- hielt nämlich eine Masse meist rundlicher, bisweilen auch mit geradlinigten Seitenflächen begabter Kügelchen von 0,000608 P. Z. bis 0,000810 P. Z. im Durchmesser, welche in ihrem Innern einen dunkelen Kern hatten und deutlich mit kleinen lanzettför- migen Schwänzchen versehen waren, so daſs eine entfernte Aehn- lichkeit mit Zerkarien hieraus entstand. Ist dieses etwa ein Ue- bergangsmoment der Histiogenie der Sinnesnerven? — Die in dem Labyrinthe enthaltene Blainvillesche Vitrine sowohl, als auch die
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Von dem Embryo.
sämmtlich zu einer Zeit, wo das ganze innere Gehörorgan noch
eine weiche Knorpelmasse darstellt. Sie sind daher an Schaaffötus
von sechs Linien bis zwei Zoll Länge aufzusuchen. Die späteren
Stadien habe ich auch an etwas gröſseren Kuh- und Schweinefö-
tus bestätigt gefunden. Von nun an schreitet das Labyrinth in sei-
ner Ausbildung rasch vorwärts und erreicht bald seine vollkommene
Gestalt. Am Schnellsten geschieht dieses vielleicht verhältniſsmäſsig
bei dem Menschen. So sah es Meckel (Anat. IV. S. 48.) schon im
dritten Monate morphologisch ausgebildet, eine Erfahrung, die
zum Theil schon früher Valsalva, Cassebohm, Schelhammer u. A.
gemacht hatten. — Auch besteht nach ihm das häutige Labyrinth
aus zwei Membranen, welche in einander geschoben und sonst
durchaus nicht mit einander verbunden sind. Die innerste von
diesen ist weiſs, durchsichtig, dünn, aber fest, ohne weder mit
dem früheren Knorpel, noch dem späteren Knochen zusammenzu-
hängen. Nach Breschet (Ann. des sc. nat. 1833. p. 119.) ist die-
ses nur an den Stellen der Fall, wo Nervenfäden in dieselbe ein-
gehen. Die äuſsere Haut ist nach innen glatt, nach auſsen rauh,
scheint nach Meckel in früherer Zeit genauer an den Knorpel ge-
heftet zu seyn, als später und verschwindet nach ihm (l. c. S.
48.) im siebenten Monate. Breschet (l. c. p. 129.) dagegen hat
sie im zarteren Alter deutlicher gesehen, als in dem Erwachse-
nen. Der Hörnerve, welcher die Höhle des einfachen Schlauches
fast ganz ausfüllt, verliert späterhin etwas an Dicke und folgt,
wie es scheint, den Aussackungen. So sieht man ihn als einen
dicken weiſsen Strang den Windungen des Schneckenrohres fol-
gen, keine bedeutenden Seitenfasern gegen die Wände hin abge-
ben, sondern frei in ihm liegen. Vergeblich suchte ich an dieser
Stelle nach Crystallen. Ich wage aber ihre Anwesenheit in frü-
hester Zeit nicht zu läugnen. Dagegen sah ich in der Substanz
der Flüssigkeit selbst eine sonderbare Eigenthümlichkeit. Sie ent-
hielt nämlich eine Masse meist rundlicher, bisweilen auch mit
geradlinigten Seitenflächen begabter Kügelchen von 0,000608 P.
Z. bis 0,000810 P. Z. im Durchmesser, welche in ihrem Innern
einen dunkelen Kern hatten und deutlich mit kleinen lanzettför-
migen Schwänzchen versehen waren, so daſs eine entfernte Aehn-
lichkeit mit Zerkarien hieraus entstand. Ist dieses etwa ein Ue-
bergangsmoment der Histiogenie der Sinnesnerven? — Die in dem
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