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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Gehirn und Rückenmark.
durchsichtige Flüssigkeit enthält. Will man jetzt schon conse-
quent deuten, so muss man die Wandung des Rohres für die
Hülle, die Flüssigkeit dagegen für das Nervensystem erklären.
Dieser Zustand findet sich bei dem Vogelembryo nach v. Bärs
Angabe (über Entwickelungsgesch. S. 28., bei Burdach S. 257.)
am zweiten Tage. Bei dem Menschen scheint er bis zum Ende
des ersten oder höchstens dem Anfange des zweiten Monates zu
dauern. (Tiedemann l. c. S. 84. Burdach de foetu p. 4.) Ab-
gesehen von seiner Gestaltveränderung legt sich auch hier die
dichtere Masse von unten und innen nach aussen und später nach
oben und innen an, wie wir dies schon am Gehirne zu sehen
Gelegenheit hatten. So wird es nun erklärlich, wie Meckel auf
die Vermuthung kommen konnte, dass das Rückenmark aus einer
einfachen oder doppelten Platte entstehe, welche sich nach oben
und dann nach innen einrolle (Arch. I. S. 335.). Es wurde von
ihm dieses zweite Stadium, welches er an Kaninchenembryonen
vorzüglich wahrzunehmen Gelegenheit hatte, für die Urmetamor-
phose gehalten. Man thäte ihm aber Unrecht, wenn man behaup-
tete, dass er die richtige Ansicht der Sache, wie sie vor ihm
Carus schon dargestellt (l. c. S. 218. 19.), nicht gekannt oder
geläugnet hätte. Nur in der Deutung weichen beide ab und so
dürfte der von Meckel gemachte Einspruch (l. c. S. 336--338.)
mehr auf einen Wortstreit, als auf wahre Differenz des Objectes
sich reduciren lassen. -- Auch hier werden die Visceralstränge frü-
her, als die Spinalstränge mit solider Masse versehen; anfangs so-
gar rascher verhältnissmässig, als in dem Gehirne. Doch bleibt die
Mittellinie die erste Zeit leer, wodurch der Schein einer Spalte
an der Oberfläche entsteht. Die Faserung bildet sich an der Vor-
derfläche, also auch an den Visceralsträngen, im vierten Monate
deutlich aus und nimmt nicht blos hier, sondern auch an den
Seiten rasch zu (Tiedemann l. c. S. 85.). Später, als die weisse,
soll die graue Substanz entstehen. Doch wurden beide von uns
ein Mal schon zu Anfange des vierten Monates deutlich wahrge-
nommen. -- Je jünger der Embryo ist, desto grösser ist das Rük-
kenmark im Verhältnisse zur Hirnmasse. Dies hängt aber, wie
schon Tiedemann (l. c. S. 92.) nachgewiesen, nicht sowohl von
einer absolut grossen Ausbildung desselben, als von der verhältniss-
mässig in früberer Zeit bedeutenderen Kleinheit des Kopfes ab. Mit
diesem in gleichem Maasse kehrt das Verhältniss allmählig in das

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Gehirn und Rückenmark.
durchsichtige Flüssigkeit enthält. Will man jetzt schon conse-
quent deuten, so muſs man die Wandung des Rohres für die
Hülle, die Flüssigkeit dagegen für das Nervensystem erklären.
Dieser Zustand findet sich bei dem Vogelembryo nach v. Bärs
Angabe (über Entwickelungsgesch. S. 28., bei Burdach S. 257.)
am zweiten Tage. Bei dem Menschen scheint er bis zum Ende
des ersten oder höchstens dem Anfange des zweiten Monates zu
dauern. (Tiedemann l. c. S. 84. Burdach de foetu p. 4.) Ab-
gesehen von seiner Gestaltveränderung legt sich auch hier die
dichtere Masse von unten und innen nach auſsen und später nach
oben und innen an, wie wir dies schon am Gehirne zu sehen
Gelegenheit hatten. So wird es nun erklärlich, wie Meckel auf
die Vermuthung kommen konnte, daſs das Rückenmark aus einer
einfachen oder doppelten Platte entstehe, welche sich nach oben
und dann nach innen einrolle (Arch. I. S. 335.). Es wurde von
ihm dieses zweite Stadium, welches er an Kaninchenembryonen
vorzüglich wahrzunehmen Gelegenheit hatte, für die Urmetamor-
phose gehalten. Man thäte ihm aber Unrecht, wenn man behaup-
tete, daſs er die richtige Ansicht der Sache, wie sie vor ihm
Carus schon dargestellt (l. c. S. 218. 19.), nicht gekannt oder
geläugnet hätte. Nur in der Deutung weichen beide ab und so
dürfte der von Meckel gemachte Einspruch (l. c. S. 336—338.)
mehr auf einen Wortstreit, als auf wahre Differenz des Objectes
sich reduciren lassen. — Auch hier werden die Visceralstränge frü-
her, als die Spinalstränge mit solider Masse versehen; anfangs so-
gar rascher verhältniſsmäſsig, als in dem Gehirne. Doch bleibt die
Mittellinie die erste Zeit leer, wodurch der Schein einer Spalte
an der Oberfläche entsteht. Die Faserung bildet sich an der Vor-
derfläche, also auch an den Visceralsträngen, im vierten Monate
deutlich aus und nimmt nicht blos hier, sondern auch an den
Seiten rasch zu (Tiedemann l. c. S. 85.). Später, als die weiſse,
soll die graue Substanz entstehen. Doch wurden beide von uns
ein Mal schon zu Anfange des vierten Monates deutlich wahrge-
nommen. — Je jünger der Embryo ist, desto gröſser ist das Rük-
kenmark im Verhältnisse zur Hirnmasse. Dies hängt aber, wie
schon Tiedemann (l. c. S. 92.) nachgewiesen, nicht sowohl von
einer absolut groſsen Ausbildung desselben, als von der verhältniſs-
mäſsig in früberer Zeit bedeutenderen Kleinheit des Kopfes ab. Mit
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[177/0205] Gehirn und Rückenmark. durchsichtige Flüssigkeit enthält. Will man jetzt schon conse- quent deuten, so muſs man die Wandung des Rohres für die Hülle, die Flüssigkeit dagegen für das Nervensystem erklären. Dieser Zustand findet sich bei dem Vogelembryo nach v. Bärs Angabe (über Entwickelungsgesch. S. 28., bei Burdach S. 257.) am zweiten Tage. Bei dem Menschen scheint er bis zum Ende des ersten oder höchstens dem Anfange des zweiten Monates zu dauern. (Tiedemann l. c. S. 84. Burdach de foetu p. 4.) Ab- gesehen von seiner Gestaltveränderung legt sich auch hier die dichtere Masse von unten und innen nach auſsen und später nach oben und innen an, wie wir dies schon am Gehirne zu sehen Gelegenheit hatten. So wird es nun erklärlich, wie Meckel auf die Vermuthung kommen konnte, daſs das Rückenmark aus einer einfachen oder doppelten Platte entstehe, welche sich nach oben und dann nach innen einrolle (Arch. I. S. 335.). Es wurde von ihm dieses zweite Stadium, welches er an Kaninchenembryonen vorzüglich wahrzunehmen Gelegenheit hatte, für die Urmetamor- phose gehalten. Man thäte ihm aber Unrecht, wenn man behaup- tete, daſs er die richtige Ansicht der Sache, wie sie vor ihm Carus schon dargestellt (l. c. S. 218. 19.), nicht gekannt oder geläugnet hätte. Nur in der Deutung weichen beide ab und so dürfte der von Meckel gemachte Einspruch (l. c. S. 336—338.) mehr auf einen Wortstreit, als auf wahre Differenz des Objectes sich reduciren lassen. — Auch hier werden die Visceralstränge frü- her, als die Spinalstränge mit solider Masse versehen; anfangs so- gar rascher verhältniſsmäſsig, als in dem Gehirne. Doch bleibt die Mittellinie die erste Zeit leer, wodurch der Schein einer Spalte an der Oberfläche entsteht. Die Faserung bildet sich an der Vor- derfläche, also auch an den Visceralsträngen, im vierten Monate deutlich aus und nimmt nicht blos hier, sondern auch an den Seiten rasch zu (Tiedemann l. c. S. 85.). Später, als die weiſse, soll die graue Substanz entstehen. Doch wurden beide von uns ein Mal schon zu Anfange des vierten Monates deutlich wahrge- nommen. — Je jünger der Embryo ist, desto gröſser ist das Rük- kenmark im Verhältnisse zur Hirnmasse. Dies hängt aber, wie schon Tiedemann (l. c. S. 92.) nachgewiesen, nicht sowohl von einer absolut groſsen Ausbildung desselben, als von der verhältniſs- mäſsig in früberer Zeit bedeutenderen Kleinheit des Kopfes ab. Mit diesem in gleichem Maaſse kehrt das Verhältniſs allmählig in das 12

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/205>, abgerufen am 24.11.2024.