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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.
sehen werden, der Erfolg der Entwickelung hinlänglich begrün-
det. Eben dieser Streifen, so wie die bald zu nennende Rücken-
saite sind auch von Bär und Burdach dazu benutzt worden, um
gegen Serres, Bourdon u. A. zu zeigen, dass die ersten Rudimente
der Theile nicht zwei Hälften, sondern ein Ganzes wären, welches
sich später erst in zwei gleiche, nur in der Lage entgegenge-
setzte Hälften spalte. Allein solche Sätze sind überhaupt mehr
der Gegenstand metaphysischen Witzes und können und werden
nie durch Erfahrung und Beobachtung ins Reine gebracht wer-
den, da diese nicht die Entstehung selbst, sondern nur einen ent-
standenen Moment der Bildung zu belauschen vermag. So lässt
sich eben so gut, wie die urplötzliche Entstehung eines solchen
einfachen Streifens, der Fall denken, dass von beiden Seiten die
Kügelchen der Fruchtanlage sich erheben und zu dem Primitiv-
streifen sich verbinden. Ueberhaupt werden wir bei vielen aus
zwei symmetrischen Hälften bestehenden Organen noch oft zu se-
hen Gelegenheit haben, dass zuerst jede Hälfte auf ihrer Seite
besonders sich bildet, diese in einer Mittellinie zusammen kommen
und von Neuem symmetrisch sich theilen. Aus dem Gebiete der
beobachtenden Anatomie und Physiologie müssen solche Aufgaben
mit Recht entfernt bleiben.

Kurze Zeit, nachdem der Primitivstreifen bestanden, erhebt
sich zu jeder Seite desselben eine Falte oder eine Ansammlung
dichterer, körnerhaltiger Masse, deren Höhe in verschiedenen
Individuen variirt, doch aber häufig genug 1/2 Linie erreicht. v.
Bär lässt sie dadurch entstehen, dass die Körnchen des Primitiv-
streifens auseinander weichen. Wir müssen dagegen diese dich-
tere Masse aus mehr als einem Grunde für ein durchaus neues
Produkt halten, während die Körnchen des Primitivstreifen wahr-
scheinlich wieder in Flüssigkeit umgewandelt werden. Döllinger
und Pander nannten diese bandartigen Theile Primitivfalten (Bei-
träge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie. 1817.
fol. p. 9.), welche Bezeichnung aber durch die Entdeckung des Primi-
tivstreifens unrichtig geworden ist. Bär schlägt daher für sie den
Namen der Rückenplatten (über Entwick. gesch. S. 14.) oder
Spinalplatten (in Burdachs Physiol. II. S. 244. 416. u. m. a. O.)
vor. Gleichzeitig mit diesen oder bisweilen sogar noch etwas
früher bildet sich nach unten zwischen den beiden Rückenplatten
ein dunkeler Körnerstreif, die Rückensaite, welche aber nicht

Von dem Embryo. I. Seröses Blatt.
sehen werden, der Erfolg der Entwickelung hinlänglich begrün-
det. Eben dieser Streifen, so wie die bald zu nennende Rücken-
saite sind auch von Bär und Burdach dazu benutzt worden, um
gegen Serres, Bourdon u. A. zu zeigen, daſs die ersten Rudimente
der Theile nicht zwei Hälften, sondern ein Ganzes wären, welches
sich später erst in zwei gleiche, nur in der Lage entgegenge-
setzte Hälften spalte. Allein solche Sätze sind überhaupt mehr
der Gegenstand metaphysischen Witzes und können und werden
nie durch Erfahrung und Beobachtung ins Reine gebracht wer-
den, da diese nicht die Entstehung selbst, sondern nur einen ent-
standenen Moment der Bildung zu belauschen vermag. So läſst
sich eben so gut, wie die urplötzliche Entstehung eines solchen
einfachen Streifens, der Fall denken, daſs von beiden Seiten die
Kügelchen der Fruchtanlage sich erheben und zu dem Primitiv-
streifen sich verbinden. Ueberhaupt werden wir bei vielen aus
zwei symmetrischen Hälften bestehenden Organen noch oft zu se-
hen Gelegenheit haben, daſs zuerst jede Hälfte auf ihrer Seite
besonders sich bildet, diese in einer Mittellinie zusammen kommen
und von Neuem symmetrisch sich theilen. Aus dem Gebiete der
beobachtenden Anatomie und Physiologie müssen solche Aufgaben
mit Recht entfernt bleiben.

Kurze Zeit, nachdem der Primitivstreifen bestanden, erhebt
sich zu jeder Seite desselben eine Falte oder eine Ansammlung
dichterer, körnerhaltiger Masse, deren Höhe in verschiedenen
Individuen variirt, doch aber häufig genug ½ Linie erreicht. v.
Bär läſst sie dadurch entstehen, daſs die Körnchen des Primitiv-
streifens auseinander weichen. Wir müssen dagegen diese dich-
tere Masse aus mehr als einem Grunde für ein durchaus neues
Produkt halten, während die Körnchen des Primitivstreifen wahr-
scheinlich wieder in Flüssigkeit umgewandelt werden. Döllinger
und Pander nannten diese bandartigen Theile Primitivfalten (Bei-
träge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie. 1817.
fol. p. 9.), welche Bezeichnung aber durch die Entdeckung des Primi-
tivstreifens unrichtig geworden ist. Bär schlägt daher für sie den
Namen der Rückenplatten (über Entwick. gesch. S. 14.) oder
Spinalplatten (in Burdachs Physiol. II. S. 244. 416. u. m. a. O.)
vor. Gleichzeitig mit diesen oder bisweilen sogar noch etwas
früher bildet sich nach unten zwischen den beiden Rückenplatten
ein dunkeler Körnerstreif, die Rückensaite, welche aber nicht

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[156/0184] Von dem Embryo. I. Seröses Blatt. sehen werden, der Erfolg der Entwickelung hinlänglich begrün- det. Eben dieser Streifen, so wie die bald zu nennende Rücken- saite sind auch von Bär und Burdach dazu benutzt worden, um gegen Serres, Bourdon u. A. zu zeigen, daſs die ersten Rudimente der Theile nicht zwei Hälften, sondern ein Ganzes wären, welches sich später erst in zwei gleiche, nur in der Lage entgegenge- setzte Hälften spalte. Allein solche Sätze sind überhaupt mehr der Gegenstand metaphysischen Witzes und können und werden nie durch Erfahrung und Beobachtung ins Reine gebracht wer- den, da diese nicht die Entstehung selbst, sondern nur einen ent- standenen Moment der Bildung zu belauschen vermag. So läſst sich eben so gut, wie die urplötzliche Entstehung eines solchen einfachen Streifens, der Fall denken, daſs von beiden Seiten die Kügelchen der Fruchtanlage sich erheben und zu dem Primitiv- streifen sich verbinden. Ueberhaupt werden wir bei vielen aus zwei symmetrischen Hälften bestehenden Organen noch oft zu se- hen Gelegenheit haben, daſs zuerst jede Hälfte auf ihrer Seite besonders sich bildet, diese in einer Mittellinie zusammen kommen und von Neuem symmetrisch sich theilen. Aus dem Gebiete der beobachtenden Anatomie und Physiologie müssen solche Aufgaben mit Recht entfernt bleiben. Kurze Zeit, nachdem der Primitivstreifen bestanden, erhebt sich zu jeder Seite desselben eine Falte oder eine Ansammlung dichterer, körnerhaltiger Masse, deren Höhe in verschiedenen Individuen variirt, doch aber häufig genug ½ Linie erreicht. v. Bär läſst sie dadurch entstehen, daſs die Körnchen des Primitiv- streifens auseinander weichen. Wir müssen dagegen diese dich- tere Masse aus mehr als einem Grunde für ein durchaus neues Produkt halten, während die Körnchen des Primitivstreifen wahr- scheinlich wieder in Flüssigkeit umgewandelt werden. Döllinger und Pander nannten diese bandartigen Theile Primitivfalten (Bei- träge zur Entwickelungsgeschichte des Hühnchens im Eie. 1817. fol. p. 9.), welche Bezeichnung aber durch die Entdeckung des Primi- tivstreifens unrichtig geworden ist. Bär schlägt daher für sie den Namen der Rückenplatten (über Entwick. gesch. S. 14.) oder Spinalplatten (in Burdachs Physiol. II. S. 244. 416. u. m. a. O.) vor. Gleichzeitig mit diesen oder bisweilen sogar noch etwas früher bildet sich nach unten zwischen den beiden Rückenplatten ein dunkeler Körnerstreif, die Rückensaite, welche aber nicht

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/184>, abgerufen am 24.11.2024.