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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes
Der Henker flieg ihm nach! doch lob ich, was er schrieb:
Verfluchte Schmeicheley, die ihn zum Frevel trieb!
Nun aber, fährt er fort und runzelt seine Stirne;
Bemüht ein Heldenlob mein kreissendes Gehirne:
Und schöne Lesbia! ich kenn ihr feines Ohr,
Wofern es nicht mißfällt, so les' ich etwas vor.
Er langt mit voller Hand und vornehm sprödem Wesen
Ein drohend Buch hervor, und alles will er lesen.
Jch flieh, er läuft mir nach, und liest, indem er läuft:
Warum wird ein Poet nicht, eh er schreibt, ersäuft!
Jch fühlte, da er las, mein Blut im Leib erkalten:
Ach! konnte mich Cleanth nicht süsser unterhalten?
Verdrüßlicher Poet! wie artig schickt sich nicht
Jn schattigtes Gebüsch ein episches Gedicht!
Nein! widersprach Cleanth; so wahr die Musen leben!
Nie hab ich meiner Schrift solch stolzes Lob gegeben.
Sie ist nur ein Entwurf, noch rauh und mängelvoll,
Kein episches Gedicht, nicht was sie werden soll.
Doch, sprach Dorante drauf, wen wählen sie zum Helden?
Und welche große That wird ihre Muse melden?
Das ists, erwiedert er, was meinem Werke fehlt!
Die Handlung fehlt mir noch, der Held ist nicht gewählt.
Jch habe Zeit hierzu, und kann mit Muße dichten:
Doch eines Cherubs Bild zu künftigen Gesichten,
Und acht Beschreibungen sind völlig ausgemahlt,
Wo ieder Pinselzug mit hohen Farben strahlt.

Denn

Sieg des Liebesgottes
Der Henker flieg ihm nach! doch lob ich, was er ſchrieb:
Verfluchte Schmeicheley, die ihn zum Frevel trieb!
Nun aber, faͤhrt er fort und runzelt ſeine Stirne;
Bemuͤht ein Heldenlob mein kreiſſendes Gehirne:
Und ſchoͤne Lesbia! ich kenn ihr feines Ohr,
Wofern es nicht mißfaͤllt, ſo leſ’ ich etwas vor.
Er langt mit voller Hand und vornehm ſproͤdem Weſen
Ein drohend Buch hervor, und alles will er leſen.
Jch flieh, er laͤuft mir nach, und lieſt, indem er laͤuft:
Warum wird ein Poet nicht, eh er ſchreibt, erſaͤuft!
Jch fuͤhlte, da er las, mein Blut im Leib erkalten:
Ach! konnte mich Cleanth nicht ſuͤſſer unterhalten?
Verdruͤßlicher Poet! wie artig ſchickt ſich nicht
Jn ſchattigtes Gebuͤſch ein epiſches Gedicht!
Nein! widerſprach Cleanth; ſo wahr die Muſen leben!
Nie hab ich meiner Schrift ſolch ſtolzes Lob gegeben.
Sie iſt nur ein Entwurf, noch rauh und maͤngelvoll,
Kein epiſches Gedicht, nicht was ſie werden ſoll.
Doch, ſprach Dorante drauf, wen waͤhlen ſie zum Helden?
Und welche große That wird ihre Muſe melden?
Das iſts, erwiedert er, was meinem Werke fehlt!
Die Handlung fehlt mir noch, der Held iſt nicht gewaͤhlt.
Jch habe Zeit hierzu, und kann mit Muße dichten:
Doch eines Cherubs Bild zu kuͤnftigen Geſichten,
Und acht Beſchreibungen ſind voͤllig ausgemahlt,
Wo ieder Pinſelzug mit hohen Farben ſtrahlt.

Denn
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[188/0202] Sieg des Liebesgottes Der Henker flieg ihm nach! doch lob ich, was er ſchrieb: Verfluchte Schmeicheley, die ihn zum Frevel trieb! Nun aber, faͤhrt er fort und runzelt ſeine Stirne; Bemuͤht ein Heldenlob mein kreiſſendes Gehirne: Und ſchoͤne Lesbia! ich kenn ihr feines Ohr, Wofern es nicht mißfaͤllt, ſo leſ’ ich etwas vor. Er langt mit voller Hand und vornehm ſproͤdem Weſen Ein drohend Buch hervor, und alles will er leſen. Jch flieh, er laͤuft mir nach, und lieſt, indem er laͤuft: Warum wird ein Poet nicht, eh er ſchreibt, erſaͤuft! Jch fuͤhlte, da er las, mein Blut im Leib erkalten: Ach! konnte mich Cleanth nicht ſuͤſſer unterhalten? Verdruͤßlicher Poet! wie artig ſchickt ſich nicht Jn ſchattigtes Gebuͤſch ein epiſches Gedicht! Nein! widerſprach Cleanth; ſo wahr die Muſen leben! Nie hab ich meiner Schrift ſolch ſtolzes Lob gegeben. Sie iſt nur ein Entwurf, noch rauh und maͤngelvoll, Kein epiſches Gedicht, nicht was ſie werden ſoll. Doch, ſprach Dorante drauf, wen waͤhlen ſie zum Helden? Und welche große That wird ihre Muſe melden? Das iſts, erwiedert er, was meinem Werke fehlt! Die Handlung fehlt mir noch, der Held iſt nicht gewaͤhlt. Jch habe Zeit hierzu, und kann mit Muße dichten: Doch eines Cherubs Bild zu kuͤnftigen Geſichten, Und acht Beſchreibungen ſind voͤllig ausgemahlt, Wo ieder Pinſelzug mit hohen Farben ſtrahlt. Denn

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/202>, abgerufen am 23.11.2024.