Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch.
Seyd langsam, eh ihr wünscht, und zum Genuß
geschwinde:
Denn wisst ihr, was euch nützt, die ihr, gleich einem
Kinde,
Ohn' Ursach lacht, ohn' Ursach weint?
Jst euer Auge nicht gebunden?
Was in der Ferne böse scheint,
Wird in der Näh ausbündig gut befunden:
Wie, als ein holder Wind auf unbeschifftem Pfade,
Die Helden Portugalls an dein gewünscht Gestade,
Madera, Sitz der Wollust! riß:
Dich eine schwarze Wolke deckte,
Und stygischdicke Finsterniß
Sich fürchterlich bis hoch zum Himmel streckte!
Die blinde Nacht verließ die ungestümen Wellen;
Der Thetis Angesicht fieng an, sich aufzuhellen;
Sie spielte ruhig um den Strand:
Jndem sie sich dem Ufer nahten,
Und jauchzend ein entzückend Land
Hier übersahn, und ans Gestade traten.
Hier
H 2
Drittes Buch.
Seyd langſam, eh ihr wuͤnſcht, und zum Genuß
geſchwinde:
Denn wiſſt ihr, was euch nuͤtzt, die ihr, gleich einem
Kinde,
Ohn’ Urſach lacht, ohn’ Urſach weint?
Jſt euer Auge nicht gebunden?
Was in der Ferne boͤſe ſcheint,
Wird in der Naͤh ausbuͤndig gut befunden:
Wie, als ein holder Wind auf unbeſchifftem Pfade,
Die Helden Portugalls an dein gewuͤnſcht Geſtade,
Madera, Sitz der Wolluſt! riß:
Dich eine ſchwarze Wolke deckte,
Und ſtygiſchdicke Finſterniß
Sich fuͤrchterlich bis hoch zum Himmel ſtreckte!
Die blinde Nacht verließ die ungeſtuͤmen Wellen;
Der Thetis Angeſicht fieng an, ſich aufzuhellen;
Sie ſpielte ruhig um den Strand:
Jndem ſie ſich dem Ufer nahten,
Und jauchzend ein entzuͤckend Land
Hier uͤberſahn, und ans Geſtade traten.
Hier
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0129" n="115"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="10">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>eyd lang&#x017F;am, eh ihr wu&#x0364;n&#x017F;cht, und zum Genuß</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ge&#x017F;chwinde:</hi> </l><lb/>
              <l>Denn wi&#x017F;&#x017F;t ihr, was euch nu&#x0364;tzt, die ihr, gleich einem</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Kinde,</hi> </l><lb/>
              <l>Ohn&#x2019; Ur&#x017F;ach lacht, ohn&#x2019; Ur&#x017F;ach weint?</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t euer Auge nicht gebunden?</l><lb/>
              <l>Was in der Ferne bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;cheint,</l><lb/>
              <l>Wird in der Na&#x0364;h ausbu&#x0364;ndig gut befunden:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie, als ein holder Wind auf unbe&#x017F;chifftem Pfade,</l><lb/>
              <l>Die Helden Portugalls an dein gewu&#x0364;n&#x017F;cht Ge&#x017F;tade,</l><lb/>
              <l>Madera, Sitz der Wollu&#x017F;t! riß:</l><lb/>
              <l>Dich eine &#x017F;chwarze Wolke deckte,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tygi&#x017F;chdicke Fin&#x017F;terniß</l><lb/>
              <l>Sich fu&#x0364;rchterlich bis hoch zum Himmel &#x017F;treckte!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>ie blinde Nacht verließ die unge&#x017F;tu&#x0364;men Wellen;</l><lb/>
              <l>Der Thetis Ange&#x017F;icht fieng an, &#x017F;ich aufzuhellen;</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;pielte ruhig um den Strand:</l><lb/>
              <l>Jndem &#x017F;ie &#x017F;ich dem Ufer nahten,</l><lb/>
              <l>Und jauchzend ein entzu&#x0364;ckend Land</l><lb/>
              <l>Hier u&#x0364;ber&#x017F;ahn, und ans Ge&#x017F;tade traten.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">H 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0129] Drittes Buch. Seyd langſam, eh ihr wuͤnſcht, und zum Genuß geſchwinde: Denn wiſſt ihr, was euch nuͤtzt, die ihr, gleich einem Kinde, Ohn’ Urſach lacht, ohn’ Urſach weint? Jſt euer Auge nicht gebunden? Was in der Ferne boͤſe ſcheint, Wird in der Naͤh ausbuͤndig gut befunden: Wie, als ein holder Wind auf unbeſchifftem Pfade, Die Helden Portugalls an dein gewuͤnſcht Geſtade, Madera, Sitz der Wolluſt! riß: Dich eine ſchwarze Wolke deckte, Und ſtygiſchdicke Finſterniß Sich fuͤrchterlich bis hoch zum Himmel ſtreckte! Die blinde Nacht verließ die ungeſtuͤmen Wellen; Der Thetis Angeſicht fieng an, ſich aufzuhellen; Sie ſpielte ruhig um den Strand: Jndem ſie ſich dem Ufer nahten, Und jauchzend ein entzuͤckend Land Hier uͤberſahn, und ans Geſtade traten. Hier H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/129
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/129>, abgerufen am 20.05.2024.