die Fig. 638 dargestellten Form derselben Gesellschaft am 4. Juli 1863. Diesmal waren Zeichengeber und Zeichenbringer 300 Fuß voneinander entfernt. Im Jahre 1863 wurde der Apparat durch Professor Böttger der Naturforscher-Versamm- lung zu Stettin vorgeführt. Der Apparat wurde von Albert in Frankfurt und später von Hauck in Wien angefertigt und jedem Apparate ein von Reis ver- verfaßter Prospectus beigegeben.
Der Prospectus lautet*): Telephon. Jeder Apparat besteht, wie aus Fig. 638 ersicht- lich, aus zwei Theilen, dem eigentlichen Telephon A und dem Reproductionsapparat C. Diese beiden Theile werden in solcher Entfernung voneinander aufgestellt, daß das Singen oder das Tönen eines musikalischen Instrumentes auf keine andere Weise, als durch den Apparat von einer Station zur andern gehört werden kann Beide Theile werden unter sich und mit der Batterie B wie gewöhnliche Telegraphen verbunden. Die Batterie muß hinreichen, auf Station A die Anziehung des Ankers an dem seitlich angebrachten Elektromagnete (v) zu bewirken (3--4 sechszöllige Bunsen'sche Elemente genügen für mehrere Hundert Fuß Ent- fernung). Der galvanische Strom geht alsdann von R nach der Klemme bei n, von hier durch das Kupferstreifchen an das Platinplättchen auf der Mitte der Membrane, alsdann durch den Stift bei s des Winkels nach der Schraube b, in deren kleine Grube man ein Tröpfchen Quecksilber bringt. Von hier geht der Strom alsdann durch den kleinen Telegraphir- apparat e v, dann zum Schlüssel der Station C und durch die Spirale nach B zurück.
Werden nun hinreichend starke Töne vor der Schallöffnung S erzeugt, so kommen durch die Schwingungen derselben die Membrane und das auf ihr liegende winkelförmige Hämmerchen in Bewegung; die Kette wird für jede volle Schwingung einmal geöffnet und wieder geschlossen und hierdurch werden auf Station C in dem Eisendraht der Spirale ebenso viele Schwingungen hervorgebracht, welche man dort als Ton oder Tonverbindung (Accord) wahrnimmt. Durch festes Auflegen des Oberkästchens auf die Spiralmasse werden die Töne auf C sehr verstärkt. Außer der menschlichen Stimme können (nach meinen Erfah- rungen) noch ebenso gut die Töne guter Orgelpfeifen von F -- c und die des Claviers reproducirt werden. Zu letzterem Zwecke stellt man A auf den Resonanzboden des Claviers. (Von 13 Dreiklängen konnte ein geübter Experimentator 10 ganz genau wieder erkennen. Was den seitlich angebrachten Telegraphirapparat anbelangt, so ist derselbe zur Production der Töne offenbar unnöthig; aber er bildet eine zum bequemen Experimentiren sehr angenehme Zugabe. Durch denselben ist es möglich, sich mit dem vis-a-vis recht gut und sicher zu ver- ständigen. Es geschieht dies etwa auf folgende einfache Weise: Nachdem der Apparat voll- ständig aufgestellt ist, überzeugt man sich von der Continuität der Leitung und der Stärke der Batterie durch Oeffnen und Schließen der Kette, wobei auf A Anschlagen des Ankers und auf C ein sehr vernehmliches Picken der Spirale gehört wird. Der Prospectus giebt hierauf eine Art Alphabet an, durch welches die gegenseitige Verständigung ermöglicht wird.
Es ist viel und lebhaft darüber gestritten worden, ob das Reis'sche Telephon nur Töne oder auch Worte zu übertragen im Stande war. Wir erachten es nach den vorliegenden Documenten für unzweifelhaft, daß auch Worte übertragen wurden und fügen zum Beweise dessen zu dem Materiale, welches Thompson in seiner Biographie über Reis mit außergewöhnlicher Sorgfalt zusammengestellt hat, einen Brief in Form eines Autographes (Fig. 639) bei, welcher am 18. October 1863 von Reis an F. J. Pisko geschrieben wurde.**) Wir heben aus diesem nach- stehende Stelle hervor: "Der Apparat giebt ganze Melodien, die Tonleiter zwischen C und c ganz gut und ich versichere Sie, daß, wenn Sie mich hier
*) F. J. Pisko, "Die neueren Apparate der Akustik", p. 241.
**) Herr Regierungsrath Director F. J. Pisko hatte die Liebenswürdigkeit, mir diesen interessanten Brief zur Verfügung zu stellen. Den Inhalt des Briefes betreffend, muß hier bemerkt werden, daß man damals meinte, eine Membrane müßte für verschieden hohe Töne durch Spannungsverschiedenheit gestimmt werden, und daß sie gleichzeitig nicht alle Töne zu geben vermöge. Hiernach konnte in der That nicht erwartet werden, daß ohne Accommodations- vorrichtung an einer Membrane diese alle Töne eines Klanges aufzunehmen und wieder- zugeben vermöge. Die Praxis hat hier die Theorie überholt.
Urbanitzky: Elektricität. 56
die Fig. 638 dargeſtellten Form derſelben Geſellſchaft am 4. Juli 1863. Diesmal waren Zeichengeber und Zeichenbringer 300 Fuß voneinander entfernt. Im Jahre 1863 wurde der Apparat durch Profeſſor Böttger der Naturforſcher-Verſamm- lung zu Stettin vorgeführt. Der Apparat wurde von Albert in Frankfurt und ſpäter von Hauck in Wien angefertigt und jedem Apparate ein von Reis ver- verfaßter Proſpectus beigegeben.
Der Proſpectus lautet*): Telephon. Jeder Apparat beſteht, wie aus Fig. 638 erſicht- lich, aus zwei Theilen, dem eigentlichen Telephon A und dem Reproductionsapparat C. Dieſe beiden Theile werden in ſolcher Entfernung voneinander aufgeſtellt, daß das Singen oder das Tönen eines muſikaliſchen Inſtrumentes auf keine andere Weiſe, als durch den Apparat von einer Station zur andern gehört werden kann Beide Theile werden unter ſich und mit der Batterie B wie gewöhnliche Telegraphen verbunden. Die Batterie muß hinreichen, auf Station A die Anziehung des Ankers an dem ſeitlich angebrachten Elektromagnete (v) zu bewirken (3—4 ſechszöllige Bunſen’ſche Elemente genügen für mehrere Hundert Fuß Ent- fernung). Der galvaniſche Strom geht alsdann von R nach der Klemme bei n, von hier durch das Kupferſtreifchen an das Platinplättchen auf der Mitte der Membrane, alsdann durch den Stift bei s des Winkels nach der Schraube b, in deren kleine Grube man ein Tröpfchen Queckſilber bringt. Von hier geht der Strom alsdann durch den kleinen Telegraphir- apparat e v, dann zum Schlüſſel der Station C und durch die Spirale nach B zurück.
Werden nun hinreichend ſtarke Töne vor der Schallöffnung S erzeugt, ſo kommen durch die Schwingungen derſelben die Membrane und das auf ihr liegende winkelförmige Hämmerchen in Bewegung; die Kette wird für jede volle Schwingung einmal geöffnet und wieder geſchloſſen und hierdurch werden auf Station C in dem Eiſendraht der Spirale ebenſo viele Schwingungen hervorgebracht, welche man dort als Ton oder Tonverbindung (Accord) wahrnimmt. Durch feſtes Auflegen des Oberkäſtchens auf die Spiralmaſſe werden die Töne auf C ſehr verſtärkt. Außer der menſchlichen Stimme können (nach meinen Erfah- rungen) noch ebenſo gut die Töne guter Orgelpfeifen von F — c und die des Claviers reproducirt werden. Zu letzterem Zwecke ſtellt man A auf den Reſonanzboden des Claviers. (Von 13 Dreiklängen konnte ein geübter Experimentator 10 ganz genau wieder erkennen. Was den ſeitlich angebrachten Telegraphirapparat anbelangt, ſo iſt derſelbe zur Production der Töne offenbar unnöthig; aber er bildet eine zum bequemen Experimentiren ſehr angenehme Zugabe. Durch denſelben iſt es möglich, ſich mit dem vis-à-vis recht gut und ſicher zu ver- ſtändigen. Es geſchieht dies etwa auf folgende einfache Weiſe: Nachdem der Apparat voll- ſtändig aufgeſtellt iſt, überzeugt man ſich von der Continuität der Leitung und der Stärke der Batterie durch Oeffnen und Schließen der Kette, wobei auf A Anſchlagen des Ankers und auf C ein ſehr vernehmliches Picken der Spirale gehört wird. Der Proſpectus giebt hierauf eine Art Alphabet an, durch welches die gegenſeitige Verſtändigung ermöglicht wird.
Es iſt viel und lebhaft darüber geſtritten worden, ob das Reis’ſche Telephon nur Töne oder auch Worte zu übertragen im Stande war. Wir erachten es nach den vorliegenden Documenten für unzweifelhaft, daß auch Worte übertragen wurden und fügen zum Beweiſe deſſen zu dem Materiale, welches Thompſon in ſeiner Biographie über Reis mit außergewöhnlicher Sorgfalt zuſammengeſtellt hat, einen Brief in Form eines Autographes (Fig. 639) bei, welcher am 18. October 1863 von Reis an F. J. Pisko geſchrieben wurde.**) Wir heben aus dieſem nach- ſtehende Stelle hervor: „Der Apparat giebt ganze Melodien, die Tonleiter zwiſchen C und c ganz gut und ich verſichere Sie, daß, wenn Sie mich hier
*) F. J. Pisko, „Die neueren Apparate der Akuſtik“, p. 241.
**) Herr Regierungsrath Director F. J. Pisko hatte die Liebenswürdigkeit, mir dieſen intereſſanten Brief zur Verfügung zu ſtellen. Den Inhalt des Briefes betreffend, muß hier bemerkt werden, daß man damals meinte, eine Membrane müßte für verſchieden hohe Töne durch Spannungsverſchiedenheit geſtimmt werden, und daß ſie gleichzeitig nicht alle Töne zu geben vermöge. Hiernach konnte in der That nicht erwartet werden, daß ohne Accommodations- vorrichtung an einer Membrane dieſe alle Töne eines Klanges aufzunehmen und wieder- zugeben vermöge. Die Praxis hat hier die Theorie überholt.
Urbanitzky: Elektricität. 56
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waren Zeichengeber und Zeichenbringer 300 Fuß voneinander entfernt. Im Jahre
1863 wurde der Apparat durch Profeſſor Böttger der Naturforſcher-Verſamm-
lung zu Stettin vorgeführt. Der Apparat wurde von Albert in Frankfurt und
ſpäter von Hauck in Wien angefertigt und jedem Apparate ein von Reis ver-
verfaßter Proſpectus beigegeben.
Der Proſpectus lautet *): Telephon. Jeder Apparat beſteht, wie aus Fig. 638 erſicht-
lich, aus zwei Theilen, dem eigentlichen Telephon A und dem Reproductionsapparat C. Dieſe
beiden Theile werden in ſolcher Entfernung voneinander aufgeſtellt, daß das Singen oder
das Tönen eines muſikaliſchen Inſtrumentes auf keine andere Weiſe, als durch den Apparat
von einer Station zur andern gehört werden kann Beide Theile werden unter ſich und
mit der Batterie B wie gewöhnliche Telegraphen verbunden. Die Batterie muß hinreichen,
auf Station A die Anziehung des Ankers an dem ſeitlich angebrachten Elektromagnete (v) zu
bewirken (3—4 ſechszöllige Bunſen’ſche Elemente genügen für mehrere Hundert Fuß Ent-
fernung). Der galvaniſche Strom geht alsdann von R nach der Klemme bei n, von hier durch
das Kupferſtreifchen an das Platinplättchen auf der Mitte der Membrane, alsdann durch den
Stift bei s des Winkels nach der Schraube b, in deren kleine Grube man ein Tröpfchen
Queckſilber bringt. Von hier geht der Strom alsdann durch den kleinen Telegraphir-
apparat e v, dann zum Schlüſſel der Station C und durch die Spirale nach B zurück.
Werden nun hinreichend ſtarke Töne vor der Schallöffnung S erzeugt, ſo kommen
durch die Schwingungen derſelben die Membrane und das auf ihr liegende winkelförmige
Hämmerchen in Bewegung; die Kette wird für jede volle Schwingung einmal geöffnet und
wieder geſchloſſen und hierdurch werden auf Station C in dem Eiſendraht der Spirale ebenſo
viele Schwingungen hervorgebracht, welche man dort als Ton oder Tonverbindung (Accord)
wahrnimmt. Durch feſtes Auflegen des Oberkäſtchens auf die Spiralmaſſe werden die Töne
auf C ſehr verſtärkt. Außer der menſchlichen Stimme können (nach meinen Erfah-
rungen) noch ebenſo gut die Töne guter Orgelpfeifen von F — c und die des Claviers
reproducirt werden. Zu letzterem Zwecke ſtellt man A auf den Reſonanzboden des Claviers.
(Von 13 Dreiklängen konnte ein geübter Experimentator 10 ganz genau wieder erkennen.
Was den ſeitlich angebrachten Telegraphirapparat anbelangt, ſo iſt derſelbe zur Production
der Töne offenbar unnöthig; aber er bildet eine zum bequemen Experimentiren ſehr angenehme
Zugabe. Durch denſelben iſt es möglich, ſich mit dem vis-à-vis recht gut und ſicher zu ver-
ſtändigen. Es geſchieht dies etwa auf folgende einfache Weiſe: Nachdem der Apparat voll-
ſtändig aufgeſtellt iſt, überzeugt man ſich von der Continuität der Leitung und der Stärke
der Batterie durch Oeffnen und Schließen der Kette, wobei auf A Anſchlagen des Ankers und
auf C ein ſehr vernehmliches Picken der Spirale gehört wird. Der Proſpectus giebt hierauf
eine Art Alphabet an, durch welches die gegenſeitige Verſtändigung ermöglicht wird.
Es iſt viel und lebhaft darüber geſtritten worden, ob das Reis’ſche Telephon
nur Töne oder auch Worte zu übertragen im Stande war. Wir erachten es nach
den vorliegenden Documenten für unzweifelhaft, daß auch Worte übertragen wurden
und fügen zum Beweiſe deſſen zu dem Materiale, welches Thompſon in ſeiner
Biographie über Reis mit außergewöhnlicher Sorgfalt zuſammengeſtellt hat, einen
Brief in Form eines Autographes (Fig. 639) bei, welcher am 18. October 1863
von Reis an F. J. Pisko geſchrieben wurde. **) Wir heben aus dieſem nach-
ſtehende Stelle hervor: „Der Apparat giebt ganze Melodien, die Tonleiter zwiſchen
C und c ganz gut und ich verſichere Sie, daß, wenn Sie mich hier
*) F. J. Pisko, „Die neueren Apparate der Akuſtik“, p. 241.
**) Herr Regierungsrath Director F. J. Pisko hatte die Liebenswürdigkeit, mir dieſen
intereſſanten Brief zur Verfügung zu ſtellen. Den Inhalt des Briefes betreffend, muß hier
bemerkt werden, daß man damals meinte, eine Membrane müßte für verſchieden hohe Töne
durch Spannungsverſchiedenheit geſtimmt werden, und daß ſie gleichzeitig nicht alle Töne zu
geben vermöge. Hiernach konnte in der That nicht erwartet werden, daß ohne Accommodations-
vorrichtung an einer Membrane dieſe alle Töne eines Klanges aufzunehmen und wieder-
zugeben vermöge. Die Praxis hat hier die Theorie überholt.
Urbanitzky: Elektricität. 56
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/895>, abgerufen am 23.11.2024.
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